Lüneburg. Mobilitätswende, Klimaschutz, Innenstadtentwicklung – neue Oberbürgermeisterin will dafür ein Stadtprofil in 2022 entwickeln.
Lüneburg hat ein aufregendes Jahr hinter sich, mit dem ersten Wechsel im Bürgermeisterbüro seit drei Jahrzehnten, aufsehenerregenden Unterschriftensammlungen, Protesten fürs Trinkwasser und gegen weitere Bebauung. Die Prioritätensetzung der kommenden Monate wird die Weichen stellen, in welche Richtung sich die Stadt von 2022 an weiter entwickeln wird. Fest steht bereits: Um den Wandel der Stadt zu gestalten, können und sollen sich künftig insbesondere auch deren Bewohner mit ihren Ideen beteiligen.
„Die Wünsche, Sorgen und Impulse der Lüneburger und Lüneburgerinnen sind eine der besten Grundlagen, um unsere Stadt weiterzuentwickeln“, sagt die neue Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch. Seit Anfang November ist sie im Amt, drei Mitbewerber ließ die Grüne bei der Wahl deutlich hinter sich, bevor sie das SPD-Urgestein Ulrich Mädge an der Spitze des Rathauses ablöste.
Starkes Stadtprofil soll Lüneburgs Besonderheiten hervorheben
Um eine neue Richtung einzuschlagen, will Claudia Kalisch zunächst das Selbstverständnis der Lüneburger ausloten und dafür im neuen Jahr mit möglichst vielen Menschen aus der Stadtgesellschaft ins Gespräch kommen. „Wofür steht unsere Hansestadt? Wofür stehen wir gemeinsam? Was macht uns so besonders? Wir brauchen Antworten auf diese Fragen, um mit einem starken Profil, auch im Wettbewerb der Kommunen, bestehen zu können“, sagt die 49-Jährige. Die Beteiligung und den Dialog erleichtern sollen auch Bürgersprechstunden sowie eine neu gestaltete Internetseite der Stadt, die im Frühjahr fertig sein soll.
Die großen Projekte für 2022 stehen bereits fest, vieles dreht sich um die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Gerade erst hat der Rat der Stadt ohne Gegenstimmen die Ziele des Klimaentscheids als städtische Ziele angenommen. Rund 8000 Lüneburger hatten in den vergangenen Monaten ihre Unterschrift dafür gegeben. Als Vorbild dient die dänische Hauptstadt Kopenhagen, die bereits 2025 klimaneutral sein will.
Stadt strebt Klimaneutralität bis 2030 an und erarbeitet Aktionsplan
Der Ratsbeschluss sieht vor, dass Lüneburg bis zum Jahr 2030 klimaneutral wird und dafür bis Ende dieses Jahres einen Klima-Aktionsplan erarbeitet, der die Maßnahmen zum Erreichen dieses Ziels enthält. Als Grundlage dient der bisherige Klimaschutzplan der Stadt. So wird im Rathaus unter anderem eine CO2-Bilanz erarbeitet, um die Arbeit der Verwaltung und der städtischen Gesellschaften künftig möglichst klimaneutral zu gestalten. Auch eine Startregenkarte für die Stadt wird erstellt, sie soll im Frühjahr fertig sein. „Wir können beim Thema Klimaschutz und Klimaanpassung aufbauen auf viele einzelne Maßnahmen, die schon laufen oder in Vorbereitung sind“, sagt Kalisch.
Ein Schwerpunkt in diesem Jahr wird die angestrebte Mobilitätswende zur Fahrradstadt. Schnellschüsse, allein um rasch sichtbare Erfolge vorzuweisen, müssten auf diesem Weg jedoch vermieden werden, betont Kalisch. „Vielmehr müssen langfristige und gute Lösungen gefunden werden.“ Um eine solide Grundlage für künftige Verkehrsentscheidungen zu schaffen, soll ein sogenannter Nachhaltiger urbaner Mobilitätsplan (NUMP) aufgestellt werden. Dieses Konzept will die Stadt gemeinsam mit dem Landkreis erarbeiten, die Ausschreibung wird voraussichtlich im ersten Quartal des neuen Jahres starten. „Unser Ziel ist es, so gemeinsam eine nachhaltige zukunftsfähige Mobilitätswende zu erreichen“, sagt die Oberbürgermeisterin. Zusätzlich wird die bestehende Radverkehrsstrategie weiter umgesetzt, um Lüneburg fahrradfreundlicher zu machen.
Radverkehr soll gestärkt, Autoverkehr verringert werden
Doch es geht nicht nur um mehr Radwege, es werden auch Möglichkeiten gesucht, wie die Innenstadt vom Autoverkehr entlastet werden kann. „Ein Baustein dafür ist das geplante Mikro-Depot, mit dem wir den Lieferverkehr bündeln und mit Fahrrädern optimieren wollen“, sagt Kalisch. Das Depot soll auf zwei bisherigen Reisebus-Stellplätzen auf den Sülzwiesen eingerichtet werden. Es besteht aus zwei Übersee-Containern und dient als Zwischenlager für Pakete. Lieferungen sowohl für Gewerbetreibende als auch Bewohner der Innenstadt sollen von dort aus per E-Lastenrad in die Stadt transportiert werden. Das Projekt ist zunächst auf fünf Jahre angelegt, eine Förderzusage liegt bereits vor.
Mit dem Mikro-Depot sowohl ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet, als auch die Lüneburger Innenstadt attraktiver gestaltet werden. Denn diese soll in diesem Jahr noch stärker in den Fokus der Stadtverwaltung rücken. „Die Lüneburger Innenstadt braucht mehr Kommunikation und Vernetzung“, sagt die Oberbürgermeisterin. „Wir wollen ihre Entwicklung weiter gezielt angehen und wichtige Projekte dafür umsetzen.“ Als Beispiel nennt sie das Thema Leerstand von Gewerberäumen, künftig wird es auf der städtischen Internetseite einen Leerstandsmelder geben.
Belebung der Innenstadt beginnt mit Umgestaltung des Glockenhofs
Außerdem wird der zentrale Glockenhof umgestaltet, er soll zu einem grünen und barrierefreien Aufenthaltsort werden. „Zur Belebung der Innenstadt gehören neben wirtschaftlichen Angeboten auch die kulturellen“, betont Kalisch. Eine wesentliche Rolle wird dabei auch die neue Chefin der Lüneburg Marketing GmbH übernehmen. Melanie-Gitte Lansmann war bisher für das Harburger Citymanagement zuständig und hat zum Jahresbeginn ihre Arbeit in Lüneburg aufgenommen. Schließlich soll auch das Integrierte Stadtentwicklungskonzept fortgeführt und das bereits entwickelte Leitbild mit Leben gefüllt werden. Dabei gelte es, alle Stadtteile im Blick zu halten, sagt Kalisch. „Lüneburg ist natürlich mehr als unsere Innenstadt.“
Erste Grundstücke im Baugebiet „Am Wienebütteler Weg“ sind vergeben
2022 soll es auch vorangehen mit dem geplanten Neubaugebiet Am Wienebütteler Weg. Am Stadtrand sollen auf einer städtischen Fläche Einfamilien-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 340 Wohneinheiten entstehen. Die ersten 31 Grundstücke wurden vor Kurzem in einem Bewerberverfahren vergeben. Allerdings läuft noch eine Normenkontrollklage, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg muss über die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans entscheiden. Neue Wohnungen entstehen derzeit bereits im Hanseviertel-Ost und in weiteren Quartieren der Stadt.
Damit alle städtischen Projekte umgesetzt werden können, muss zunächst ein entsprechender Haushalt verabschiedet werden. Dies sei die wichtigste Basis, um Lüneburg voranzubringen, sagt die Oberbürgermeisterin. „Auch in Hinblick auf die Folgen der Pandemie und der Klimakrise brauchen wir eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik, um handlungsfähig zu bleiben.“ Denn natürlich werden auch das Virus, die Infektionslage, mögliche Einschränkungen und alle damit verbundenen Folgen dieses Jahr noch prägen – in welchem Ausmaß, das wird sich erst zeigen. „Leider wird uns Corona auch 2022 noch begleiten“, sagt Claudia Kalisch. „Daher hoffe ich, dass wir gesund und mit möglichst geringen Schäden von Gesellschaft und Wirtschaft durch die Pandemie kommen.“