Kreis Harburg. Landrat Rainer Rempe im Jahresgespräch über den Kampf gegen Corona, bezahlbaren Wohnraum und Klimaneutralität bis 2040
Welche Themen werden die Bewohner im Landkreis Harburg im kommenden Jahr bewegen? Große Bauprojekte, Verkehrsthemen, Wahlen oder gibt es Pläne in Sachen Klimaneutralität: Was steht auf der Agenda der Verwaltungschefs? Das Abendblatt hat sich zum Jahresgespräch verabredet. Den Start macht der Harburger Landrat Rainer Rempe und der hat so einiges. Zum Beispiel soll es vorangehen bei der Bekämpfung des Coronavirus.
Der Landkreis will die Zahl der festen Impfstützpunkte verdoppeln und damit künftig vier anbieten. Als Standorte dafür kommen die Gemeinde Seevetal und Neu Wulmstorf in Frage. „Die Gespräche laufen“, sagte Landrat Rainer Rempe im Gespräch mit dem Abendblatt ohne schon genaue Adressen zu nennen. Der Landrat kritisierte dabei erneut die Schließung der beiden Impfzentren in Winsen und Buchholz durch das Land. „Kommunen und Landkreise hatten sich deutlich dagegen ausgesprochen, dies zu tun und darauf gedrungen, die Zentren bis zum Winter offen zu lassen.“ In Hannover wurde anders entschieden. „Das war für uns und die Hilfsorganisationen Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Johanniter Unfallhilfe schwer nachzuvollziehen.“
Rempe ist zudem mit dem Management der Krise unzufrieden
Rempe ist zudem mit dem Management der Krise unzufrieden. „Die Krise bedeutet zwar eine neue Situation, für die es keine Patentrezepte gibt. Wir haben es jetzt aber mit überbordender Bürokratie für die Abrechnungen und bei den Nachweisen zu tun. Das bindet Kapazitäten, die zum Vorantreiben der Impfkampagne gebraucht werden. Man hätte auch eine großzügigere Linie vertreten können.“ Problematisch seien auch die dauernden Veränderungen bei Regelungen, die Bürger und Unternehmen und vor allem die Gastronomie zunehmend verunsichert und nicht selten auch verärgert hätten. „Wir spüren diese Unzufriedenheit deutlich.“ Wünschenswert wäre auch mehr Vorlauf, um sich auf Veränderungen bei den Regeln einzustellen. Er sei ohnehin nicht davon überzeugt, dass sich „jede Konstellation, jede Veränderung mit Verordnungen regeln“ ließe.
Der Landrat spricht sich für feste, dauerhafte Strukturen für das Impfen aus. Zumal nicht sicher sei, ob und wann die Corona-Krise überwunden werden könne. „Wir müssen uns aller Wahrscheinlichkeit nach darauf einrichten, dauerhaft in einer Impfschleife zu bleiben.“ Eine Konsequenz daraus wird die Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und auch eine Verstetigung der Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen sein. Fest steht: „Ohne ihr Personal geht es nicht.“ DRK und Johanniter handeln in der Corona-Krise im Auftrag des Kreises. Die Kosten trägt das Land Niedersachsen. Von dem wünscht sich der Landrat mehr Flexibilität und Planungssicherheit für den Landkreis in der Krise. Von Tag zu Tag vor einer neuen Situation zu stehen, erzeuge auf allen Seiten viel Frust und Ärger.
Engpass im Kampf gegen Corona
Der Engpass im Kampf gegen Corona, auch beim Aufbau weiterer mobiler Impfteams, ist das fehlende Personal. Das gilt gleichermaßen für die beiden kreiseigenen Krankenhäuser in Buchholz und Winsen, bei denen die gleichen Berufe betroffen sind. „Wir sind aber überzeugt davon, dass wir beide Häuser brauchen, um eine wohnortnahe und hochwertige medizinische Versorgung im Landkreis sicherzustellen“, sagt Rempe mit Blick auf die allgemeine Diskussion zur Konzentration von Krankenhaus-Standorten. Der Bedarf an Pflege wird dabei in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen. Auch in der Region. So wird allein bis zum Jahr 2035 die Zahl der über 75-Jährigen im Landkreis um 19 Prozent steigen. Bundesweit soll die Zahl der Pflegebedürftigen nach Hochrechnungen schon 2030 rund sechs Millionen erreichen. Zum Vergleich: 2011 waren es noch 2,5 Millionen Menschen.
Um die Berufe attraktiver zu machen, müssten sie mehr wertgeschätzt, die Arbeitszeiten abgestimmt und schließlich besser bezahlt werden, nennt Rempe Kriterien. Können die kreiseigenen Krankenhäuser höhere Entgelte zahlen? „Dafür müssten auch die Krankenkassen ihre Haltung ändern“, sagt Rempe. Ohnehin ließen sich Krankenhäuser „nur bedingt wie ein Wirtschaftsunternehmen führen.“ Rempe hofft in diesem Punkt auf ein Umdenken der Krankenkassen.
Für Pflegepersonal, Handwerker oder Beschäftigte in der Logistik muss im Kreis zusätzlicher bezahlbarer Wohnraum entstehen. Die Kreiswohnungsbaugesellschaft (KWG) hat seit 2017 mehr als 100 Wohneinheiten fertiggestellt und sie für 8,50 Euro pro Quadratmeter vermietet. In 2022 und 2023 sollen in Winsen (58 Wohneinheiten), Jesteburg (23), Tespe (24) und Buchholz (9) weitere Projekte fertiggestellt werden. Doch die KWG gerät durch die steigenden Bau- und Grundstückspreise immer stärker unter Druck. Unklar ist, ob sich der angestrebte Mietpreis halten lässt. „Ein Hebel könnte sein, dass die Gemeinden Abschläge beim Verkauf ihrer eigenen Grundstücke hinnehmen“, so Rempe. Ob das so überhaupt möglich ist, müsste allerdings rechtlich geprüft werden. Immerhin: Die Gemeinden würden von den neuen Bürger auch steuerlich profitieren.
Klimaneutral bis 2040
Bis 2040, so hat es der Kreistag beschlossen, soll der Landkreis klimaneutral sein. „Diesen Prozess wollen wir konkretisieren und wir werden regelmäßig überprüfen müssen, wo wir stehen und ob wir auf einem guten Weg sind“, sagt Rempe. Im Umweltausschuss will die Kreisverwaltung Anfang des kommenden Jahres Vorschläge vorlegen, wie diese Entwicklung beeinflusst werden kann. Dabei soll es um energieeffizientes Bauen, ÖPNV, die Energieversorgung und den Ausbau regenerativer Energien gehen.
Noch ist dies gerade bei der Windenergie nicht einfach. So wird zwar in Hannover darüber nachgedacht, bis zu 2,1 Prozent der Fläche für Windkraftrotoren frei zu geben. Im Landkreis liegt dieser Anteil erst bei 0,45 Prozent. Neben der häufig langen Verfahrensdauer kommt es beim Ausbau der Windkraft auch immer wieder zu Konflikten mit dem Artenschutz. „Hier wird man grundsätzlich überlegen müssen, wie man diesen Interessenskonflikt auflöst“, macht Rempe deutlich, für den im kommenden Jahr auch noch eine Wahl ansteht. Er stellt sich erneut für den Posten des Harburger Landrates auf.
Voraussetzung für eine Klimastrategie ist für den Landrat eine anhaltend starke Wirtschaft im Landkreis Harburg. Derzeit zählt der Kreis zu den stärksten in Niedersachsen. Der Zuzug hält an. Ende 2020 lag die Zahl der Einwohner mit 256.016 um rund 3000 höher als vor Jahresfrist. „Klimaneutralität gibt es nicht zum Nulltarif“, sagt Rempe. Doch die Chancen stehen in einem wachsenden Landkreis allemal deutlich besser als anderswo.