Landkreis Harburg. Brandserien, fliegende Autos, abgestürzte Flugzeuge und Löcher im Boden: 2021 hatten die Einsatzkräfte im Landkreis kräftig zu tun

Das Jahr 2021 begann für die Feuerwehrleute ungewöhnlich ruhig. Durch das Feuerwerksverkaufsverbot gab es für die Retter im Landkreis Harburg fast keinen Einsatz in der Neujahrsnacht. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen Jahren.

Mit einer neuen Problematik waren die Retter aus Bardowick dagegen gleich am Neujahrsabend konfrontiert. Die Akkus eines brennenden Hybrid-Autos entzündeten sich nach dem Löschen immer wieder selbst. In einer bis dahin fast einmaligen Aktion wurde der Wagen mit einem Kran in eine Mulde gehoben und mit Tausenden Litern Wasser geflutet.

Der Brand eines E-Autos in Bardowick und der schwierige Versuch, es zu löschen, wird heute in Seminaren gelehrt
Der Brand eines E-Autos in Bardowick und der schwierige Versuch, es zu löschen, wird heute in Seminaren gelehrt © Joto

Der Brand in Bardowick wird nun in Feuerwehr-Seminaren als Beispiel für die neuen Herausforderungen im Umgang mit Elektroautos gezeigt. Auch die Samtgemeinde-Feuerwehr hat reagiert und eine spezielle Löschlanze gekauft. Die Lanze kann direkt in die Akkus gerammt werden und sie von innen kühlen. In der Zwischenzeit haben auch die ersten Abschleppunternehmen aufgerüstet und extra zertifizierte Mulden gekauft. In diesen werden Elektro-Autos nach einem Feuer oder Unfall sicher abtransportiert. Bisher sind jedoch nur wenige Abschleppunternehmen und Feuerwehren mit den neuen Werkzeugen für Elektroauto-Brände ausgestattet. Dafür gibt es noch zu wenige E-Fahrzeuge und die Anschaffungskosten für die Werkzeuge sind den meisten Gemeinden zu hoch.

Für die „klassischen” Brände sind die Feuerwehren dagegen gut ausgerüstet. Doch immer seltener gibt es diese großen Feuer. Vor allem die in fast jedem Raum angebrachten Rauchmelder leisten einen großen Dienst. Hausbewohner und Nachbarn werden durch die schrillen Warngeräusche oft sehr schnell auf eine Rauchentwicklung aufmerksam. Dadurch konnten im vergangenen Jahr Dutzende brennende Waschmaschinen, Elektrogeräte oder vergessene Essen auf Herdplatten noch vor dem Eintreffen der Feuerwehren gelöscht werden.

Hinter zwei Großbränden in der Region steckte Brandstiftung

Bei zwei Großbränden 2021 im Landkreis Harburg ist nach Ermittlungen der Polizei Brandstiftung die Ursache. Am ersten Sommerferientag standen zuerst fünf Holzbänke unter einem Vordach einer Sporthalle in Tostedt in Flammen. Der Brand griff schnell auf die Turnhalle am Schulzentrum über. Am Ende stand ein Schaden von etwa 3,5 Millionen Euro. Die Ermittler kamen unter anderem durch Fotos in sozialen Netzwerken auf die Spur von fünf Jugendlichen. Nach mehreren Hausdurchsuchungen sind sich die Beamten sicher, dass die 14 bis 17-Jährigen zunächst an einer Holzbank gezündelt hatten. Nachdem die Gruppe das Gelände verließ, entwickelte sich aus den Glutnestern der Großbrand. Eine Renovierung der Halle ist nach dem Brand nicht möglich, deswegen laufen aktuell die Abstimmungen zwischen den Schulen und dem Landkreis für einen Neubau.

Der zweite Großbrand des Jahres 2021: Die Rettungswache am Krankenhaus Winsen stand Ende September in Flammen.
Der zweite Großbrand des Jahres 2021: Die Rettungswache am Krankenhaus Winsen stand Ende September in Flammen. © Joto

Beim zweiten Großbrand Ende September wurde die Rettungswache amKrankenhaus Winsen stark beschädigt. Zunächst brannte ein Müllverschlag an der Rückseite des Gebäudes. Die Flammen zogen in die Zwischendecke und zerstörten den Verwaltungstrakt des Deutschen Roten Kreuzes. Nachdem die Rettungswagen vorübergehend an den Standorten von zwei Freiwilligen Feuerwehren stationiert waren, gab ein Gutachter die Fahrzeughalle wieder zur Benutzung frei. Die Planungen, wie es mit dem nicht mehr nutzbaren Verwaltungstrakt weitergehen soll, laufen. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um fahrlässige Brandstiftung handelte. Tatverdächtige konnten nicht ermittelt werden.

Für viel Arbeit und kurze Nächte bei den freiwilligen Feuerwehren sorgen bereits seit mehreren Jahren Brandserien in Buxtehude und Buchholz. Immer wieder stehen in und um den Buchholzer Stadtteil Holm-Seppensen nachts Autos, Carports und Müllcontainer in Flammen. Selbst in der Weihnachtsnacht brannte ein Radlader. Das Problem für die Ermittler der Polizei: Fast alle Spuren verbrennen in den Flammen und fast nie gibt es Augenzeugen. Außerdem liegen zwischen den einzelnen Bränden zum Teil mehrere Monate, zum Teil nur wenige Tage. Ähnlich schwierig gestaltet sich die Arbeit für eine Ermittlungsgruppe der Polizei in Buxtehude. Dort brannten 2021 im Stadtgebiet Dutzende Mülleimer. Teilweise griffen die Brände auf Wohnhäuser über. Auch eine Explosion in einer leerstehenden Flüchtlingsunterkunft könnte zu der Serie gehören. Dabei entstand ein Schaden, der inzwischen in die Hunderttausende geht. Im Visier der Ermittler sind mehrere Jugendliche.

Rentner krachen mit Automatikwagen in Häuser

Am häufigsten rückten die Freiwilligen der Feuerwehr in diesem Jahr im Landkreis Harburg jedoch zu ausgelösten Brandmeldeanlagen aus. Die Alarmierungen kamen von den automatischen Geräten, die in Supermärkten oder Altersheimen verbaut sind. Fast immer waren es Fehlalarme. Mal löste Wasserdampf, mal ein Vogel oder auch Zigarettenrauch die Sensoren aus. Auf Platz zwei der Einsatzgründe stehen Hilfeleistungen für den Rettungsdienst. Dabei öffneten die Feuerwehrleute Dutzende Türen, hinter denen erkrankte Personen waren und unterstützen genauso oft beim Tragen der Patienten aus engen Räumen zum Rettungswagen.

Oft wurden die Feuerwehrleute auch zu Verkehrsunfällen gerufen. Die Retter in Schneverdingen versorgten im ersten Halbjahr gleich zwei leichtverletzte Rentner, die mit ihren Automatikwagen entweder vorwärts oder rückwärts in Häuser gekracht waren. Im Juli war eine Rettungswagenbesatzung in Kakenstorf schwer verletzt worden, als ihnen ein Pkw-Fahrer entgegenkam und frontal mit dem Rettungswagen kollidierte. Mehrere Helikopter flogen die Verletzten in Krankenhäuser.

Tödlicher Geisterfahrerunfall auf der A26 bei Stade

Im Oktober kam nach einem tödlichen Geisterfahrerunfall auf der A26 bei Stade die Diskussion über regelmäßige Fahrtüchtigkeitstest im Alter neu auf. Eine 87-Jährige war mehrere Kilometer in Gegenrichtung auf der Autobahn gefahren und dann mit einem Auto kollidiert. Beide Fahrer erlagen noch an der Unfallstelle ihren Verletzungen.

Ein genauso schreckliches Bild sahen die Retter wenige Tage später bei einem Unfall auf der A261. Ein Smart war zwischen zwei Lastwagen auf die Hälfte seiner Größe zusammengedrückt. Die Beifahrerin erlag noch im Wrack ihren Verletzungen. Ihr Ehemann starb wenige Tage später im Krankenhaus. Ein Lastwagenfahrer hatte das Stauende nicht rechtzeitig erkannt und war nahezu ungebremst auf den Kleinwagen aufgefahren. Um genau solche Unfälle zu verhindern, setzte die Autobahnpolizei verstärkt auf mobile Warnanlagen. Diese wurden beispielsweise im Sommer bei der Baustelle auf der A 7 zwischen Flee-stedt und Hamburg erfolgreich genutzt.

Aus einer Kurve trug es dieses Fahrzeug im November, das im Dach eines Wohnhauses in Moisburg landete
Aus einer Kurve trug es dieses Fahrzeug im November, das im Dach eines Wohnhauses in Moisburg landete © Joto

Anfang November flog ein Auto in ein bei Anwohnern schon als „Unfallkurvenhaus” von Moisburg bezeichnetes Reetdachhaus. Seit mehreren Jahrzehnten unterschätzen Auto-, Motorrad- und Lastwagenfahrer gleichermaßen die enge Kurve an der Buxtehuder Straße und fahren geradeaus gegen das etwas tiefer liegende Haus. Die vier jungen Autoinsassen wurden schwer verletzt. Eine im Haus schlafende Jugendliche trafen mehrere Trümmerteile. Schnell stellte sich bei den Ermittlungen heraus, dass der Autofahrer minderjährig war und weder im Besitz des Autos noch eines Führerscheins war. Der Landkreis will nun häufiger den mobilen Blitzer an der Kurve einsetzen.

Keine Veränderungen gibt es nach einem tödlichen Bahnunfall in Neu Wulmstorf im Oktober. Zwei Erwachsene waren über die Gleise gelaufen, um eine S-Bahn zu erreichen. Dabei erfasste sie ein Regionalzug. Der Trampelpfad über die Gleise wird weiter von ungeduldigen Fahrgästen genutzt.

Einen besonders tragischen Einsatz erlebten die Feuerwehrleute aus Lüneburg im Juli, als sie zu zwei toten Personen in einem fünf Meter tiefen Schacht gerufen wurden. Wie sich später herausstellte, wollte ein Mann eine Gartenpumpe mit Salzsäure reinigen. Als sich dabei hochgiftiges Chlorwasserstoff-Gas bildete, verlor er das Bewusstsein. Sein Nachbar versuchte ihn zu retten und wurde ebenfalls in dem engen Schacht ohnmächtig. Die aufwendige Bergung dauerte über fünf Stunden.

Fußgänger versinkt in Lüneburg in einem Loch

Die Rettung eines verletzten Fußgängers aus einem fünf Meter tiefen Loch mitten in der Lüneburger Innenstadt gelang dagegen in wenigen Minuten. Der Mann war vor der Polizeiwache auf dem Fußgängerweg unterwegs, als der Boden plötzlich nachgab. Grund war eine nach starken Regenfällen defekte Wasserleitung, die den Untergrund ausgehöhlt hatte.

In Lüneburg verfehlte der Pilot im Oktober die Landebahn und krachte mit seinem Flugzeug auf ein Firmendach.
In Lüneburg verfehlte der Pilot im Oktober die Landebahn und krachte mit seinem Flugzeug auf ein Firmendach. © Joto

Neben den tragischen Ereignissen gab es 2021 für die Retter der Feuerwehr auch einige ungewöhnliche Einsätze. In Lüneburg verfehlte ein Ultraleichtflugzeug die Landebahn des Flugplatzes und landete auf einem Firmendach. Der Pilot wurde nahezu unverletzt über eine Drehleiter gerettet. In Neu Wulmstorf suchten Feuerwehrleute im Mai mitten in der Nacht nach der Ursache für einen rötlich verfärbten Bach. In einer stundenlangen Aktion öffneten die Retter einen schweren Abflussdeckel nach dem anderen, bis sie das rote Regenwasser schließlich auf einen Betriebshof führte. Dort entdeckten sie die Ursache: Paprikapulver war aus einem Container ausgelaufen und in die Regenwasserkanalisation gelangt.

Wenige Feuerwehrleute infizieren sich mit Corona

Insgesamt blieben die Einsatzzahlen im Landkreis Harburg auf einem ähnlichen Niveau wie im vergangenen Jahr. Die Mitgliederzahlen der Feuerwehr wuchsen im Gegensatz zum landesweiten Trend sogar noch an. Mehr als 5000 ehrenamtliche Harburger sind Mitglied in einer der 107 Feuerwehren.

Von der Corona-Pandemie blieben sie bislang weitestgehend verschont. Zwar gab es einzelne infizierte Feuerwehrleute, jedoch musste nie eine komplette Wache ihren Dienst einstellen. Für den Schutz der Retter sorgten auch die Impfaktionen, bei denen mehr als 3000 Feuerwehrleute innerhalb weniger Tage ihre Corona-Impfungen erhielten.

Zum Jahreswechsel steht nun im zweiten Jahr in Folge eine ungewöhnlich entspannte Neujahrsnacht an. Schließlich gibt es auch dieses Mal keinen Feuerwerksverkauf und damit weniger Raketen in der Luft, die Hausdächer in Brand setzen könnten.