Buxtehude. Im Alten Land entsteht Experimentierfeld, um neue Techniken ausprobieren. „Fruchtwände“ sollen Einsatz digitaler Technik erleichtern.

Ernte-Roboter pflücken mit Hilfe von Sensoren Äpfel vom Baum, autonom fahrende Schlepper transportieren die Kisten, winzige Mini-Drohnen surren durch die Plantagen, um Blüten zu bestäuben: Noch ist der Einsatz solcher computergestützten Techniken im Obstbau im Alten Land Zukunftsmusik. Doch offensichtlich steht auch hier so etwas wie eine digitale Revolution bevor. Zumindest gibt es derzeit eine Fülle von Entwicklungen und Ideen, wie sie jetzt Digital-Experte Jörg Quast während einer Veranstaltung der Buxtehuder Hochschule 21 zu dem Thema „Digitalisierung im Obstbau“ vorstellte.

Quast ist Öko-Obstbauer auf Finkenwerder und zugleich Digitalisierungsbeauftragter der Obstbauversuchsanstalt „Esteburg“ in Estebrügge. Und dort plant die Esteburg jetzt ein etwa ein Hektar großes „Digitales Experimentierfeld“, um neue Techniken auf ihre Praxistauglichkeit hin zu testen oder auch speziell zu entwickeln. Zudem sollen auf dem Feld Modelle zur digitalen Datenerfassung erprobt werden. Etwa um Erntemengen vorhersagen zu können, Beregnungsanlagen automatisch zu steuern oder rechtzeitig Prognosen über einen bevorstehenden Schädlingsbefall geben zu können.

Äpfel aus 2D-Pflanzung

Partner des Versuchsprojekts sind unter anderem das Fraunhofer Institut, die TU Hamburg-Harburg, die Hochschule 21 und die Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaft (HAW). Beim Bund ist aktuell ein Förderantrag gestellt. Sobald der Bewilligungsbescheid eintrifft, soll das Experimentierfeld angelegt werden, voraussichtlich im kommenden Jahr schon. Um aber roboterähnlichen Maschinen den besten Einsatz in einer Plantage zu ermöglichen, werden die Obstbaumreihen auf dem Experimentierfeld etwas anders aussehen als im Alten Land gewohnt: Sie werden als 2-D-Pflanzung angelegt, also als eine Art Hecke ganz ähnlich wie bei Spalierobst im Garten.

Von „Fruchtwänden“ spricht Digitalisierungsspezialist Quast auch. Eine solche Bepflanzung sei eben Voraussetzung dafür, dass man in der Praxis überhaupt mit optischen oder anderen Sensoren arbeiten könne. Eine ausgebildete Krone eines Obstbaums, also eine 3-D-Bepflanzung, sei dafür kaum geeignet, auch wenn sie mehr Ertrag bietet. „Wenn ich im Baum Äste schneide, sehe ich, wo es nötig ist, eine Maschine kann das so nicht“, so Quast.

Arbeit für Leute, die Vater und Mutter erschlagen haben

Diese Optimierung für eine digitale Bearbeitung im Obstbau mag sich zunächst etwas sehr technisch anhören. Doch sie bietet gerade für den ökologischen Anbau eine große Chance, sagte Quast und verwies dazu auf die Unkraut-Bekämpfung. Konventionell wird dabei ein Streifen unterhalb der Obstbäume mit Herbiziden wie dem umstrittenen Glyphosat frei gehalten. Im Ökobetrieb muss hingegen mit monotoner, langwieriger Arbeit der Streifen stets gehackt werden. „Eine Arbeit für Leute, die Vater und Mutter erschlagen haben“, so Quast. Und der Personalaufwand ist meist teurer als der Einsatz von Chemie.

Die Hilfe von roboterähnlichen Helfern beim Unkrauthacken könne also den Öko-Anbau, der derzeit im Alten Land bei etwa 15 Prozent Anteil liegt, rentabler machen, hofft Quast. Noch aber ist die Praxistauglichkeit vieler Systeme in weiter Ferne, wie er erläuterte. So informiert sich seit 2018 ein Team der Esteburg über neue digitale Technik, um sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. Eine ganze Reihe von Drohnen-Herstellern stellte sich daraufhin mit ihren Entwicklungen bei den Obstspezialisten vor. „Viele begeisterte Männer guckten dann in den Himmel, mehr passierte aber auch nicht“, so Quast. Man bräuchte im Obstbau eben mehr als nur eine Draufsicht auf die Plantage.

Wenig souverän durch die Reihen gekurvt

Auch verschiedene autonom fahrende Fahrzeuge überzeugten nicht richtig. Die technischen Möglichkeiten erschienen zwar unendlich, wie Quast sagte, doch Zweifel gab es über die Praxistauglichkeit: Mal verwandelten sie mit Ketten die empfindliche Grasnarbe in Matschpisten, dann kurvten sie wenig souverän durch die Reihen. Und wenn mal etwas wie ein kameragestütztes Gerät zur Fruchtzählung einsetzbar erschien, war es noch viel zu teuer. Insgesamt, so sein Fazit, gebe es viel Entwicklung, aber noch wenig Praxis.

An der Buxtehuder Hochschule 21 wird ein autonom fahrender Erntehelfer entwickelt. Projektname: Aurora, was für
An der Buxtehuder Hochschule 21 wird ein autonom fahrender Erntehelfer entwickelt. Projektname: Aurora, was für "Autonome Obstplantagenhelfer Altes Land" steht. © AT | Hochschule 21

Doch das soll sich ja ändern. Zum einen mit dem neuen Experimentierfeld, zum anderen entwickelt (wie berichtet) die Hochschule 21 zusammen mit regionalen Betrieben gerade vor Ort einen autonomen Erntehelfer speziell für die Region. Sein Projektname lautet „AurOrA (Autonome Obstplantagenhelfer Altes Land). Der elektroangetriebene Prototyp soll in einem ersten Schritt selbstständig volle Obstkisten zu Sammelstellen transportieren können. Vorstellbar seien aber auch Einsätze zum Hacken, Mulchen oder das autonome Pflanzen von Obstbäumen, erklärte Projektleiter Alexander Kammann. Schon jetzt könne das Gerät mit einer GPS-Steuerung auf zwei Zentimeter genau durch die Baumreihen fahren, acht Stunden reicht dabei die Ladung von zwei austauschbaren Koffer-Akkus.

Per Fernsteuerung über einen Joystick lässt sich „AurOrA“ bereits bewegen, an einer völlig autonomen Fahrt arbeitet das Team aber noch. „Die Sicherheit ist aktuell unsere Baustelle“, so Kammann. Also die Frage, wie erreicht man es, dass das Fahrzeug bei seinen autonomen Streifzügen ohne Kollisionen oder Unfällen mit Menschen und Tieren unterwegs ist. Noch also ist auch hier noch einiges Tüfteln gefragt, bevor die digitale Zukunft beginnt.