Guderhandviertel. Der Magic Star soll Kunden neu begeistern. Welche neuen Sorten sonst noch gezüchtet werden und wie es Aldi und Lidl damit halten.

Den noch jungen Apfelbäumen ist nicht anzusehen, dass sie eine tragende Rolle bei Edeka spielen sollen. Erst rund 1,80 Meter hoch mit dünnem Stamm und zarten Trieben werden sie in den nächsten Tagen ihre Blüten entfalten. „Wenn das Wetter so bleibt, ist es nächste Woche so weit“, sagt Jörn Stechmann, der im Guderhandviertel im Alten Land zusammen mit seinem Sohn Jonas auf insgesamt 17 Hektar Obstanbau betreibt, zu 85 Prozent mit Äpfeln.

Diese sehr jungen Bäume werden in diesem Herbst noch keine Früchte tragen. „Wir knipsen die kleinen Früchte ab, um die Bäume noch zu schonen“, sagt Stechmann.

Nur Edeka Nord verkauft den Apfel

So kann dann der Ertrag von Jahr zu Jahr gesteigert werden. Im zweiten Jahr können die Erntehelfer dann sechs Kilo, im vierten Jahr zwölf Kilo einer neuen Apfelsorte ernten, die nur in den Supermärkten von Edeka Nord verkauft werden wird. Stechmanns Sohn Jonas sorgt für den Nachschub in den nächsten Jahren, indem er weitere Bäume der neuen Sorte auf den Hofflächen pflanzt.

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Insgesamt sind es bisher 27.000 Bäume. Da einige davon schon früher gepflanzt wurden, kann bereits in diesem Jahr mit der ersten größeren Ernte gerechnet werden. Rund 30 Tonnen der neuen Sorte Magic Star werden im späten Herbst in die Regale von Edeka kommen. Ein Jahr später soll sich die Menge dann schon mehr als verdreifachen, bevor 480 Tonnen jährlich in vier bis fünf Jahren erreicht werden. Zu Edeka Nord gehören 670 Märkte in Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und nördliche Teile von Niedersachsen und Brandenburg.

Magic Star – eine Idee aus Belgien

„Wir wollten eine exklusive Apfelsorte, die in Deutschland nur bei Edeka verkauft wird“, sagt Sebastian Herbers, Abteilungsleiter Einkauf Obst und Gemüse bei Edeka Nord. „In Belgien sind wir fündig geworden, weil man uns mit der Clubsorte Magic Star Exklusivität für ganz Deutschland bieten konnte. Magic Star ist eine Kreuzung zwischen der Sorte Elise und einem schorfresistenten Apfel.“ Das reduziert den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Anbau.

Der Apfel ist zwar noch die beliebteste Obstsorte in Deutschland, aber es gibt immer stärkere Konkurrenz. „Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass der Pro-Kopf-Verbrauch bei Äpfeln leicht zurückgeht und aktuell bei 17 Kilogramm liegt“, sagt Herbers. „Diesen Trend wollen wir umkehren, und dazu braucht es neue, besondere Angebote, mit denen wir die Kunden in die Märkte ziehen wollen.“ Äpfel konkurrieren stark mit Beerenobst und exotischen Früchten wie Mango oder Avocado.

Edekas Dachmarke „Unsere Heimat“

„Edeka baut seine bestehenden Regionalkonzepte für landwirtschaftlich erzeugte Lebensmittel kontinuierlich weiter aus, und der Magic Star wird dann unter der Dachmarke ,Unsere Heimat‘ angeboten, die es bereits seit elf Jahren gibt“, sagt Herbers. Klar ist aber auch, angesichts der zunächst noch relativ geringen Erntemenge wird der neue Apfel nicht in allen Edeka-Märkten im Norden kontinuierlich verfügbar sein. Ob er auch teurer als die anderen Apfelsorten wie Elstar, Jonagold oder Braeburn wird, ist noch nicht entschieden.

Der neue Apfel hat eine satte dunkelrote Farbe, wie erste Ernte-Exemplare aus dem vergangenen Jahr bei Landwirt Stechmann zeigen. Er schmeckt süß-säuerlich, ist sehr saftig und hat einen knackigen Biss – auch nach fast einem Jahr Lagerung, wie eine Kostprobe des Abendblatts ergab. Die gute Haltbarkeit und Lagerfähigkeit ist ein weiterer Grund, warum sich Edeka für diese Sorte entschieden hat. Denn nach der Philosophie der Lebensmittelketten ist es wichtig, dass der Kunde bei einem Produkt immer das gleiche Geschmackserlebnis hat.

Aldi Nord hält sich zurück, Lidl zeigt sich offen

Im Lebensmitteleinzelhandel sind Eigenmarken und exklusive Produkte bei Discountern und Supermärkten sehr beliebt, um sich so besser von der Konkurrenz abzuheben. Bisher konzentrierten sich die Ketten dabei auf verpackte Waren wie Süßigkeiten, Fertigprodukte oder Getränke. Nun soll diese Strategie auch auf Frischwaren im Obst- und Gemüseregal ausgedehnt werden.

Im Süden der Republik und im Rheinland konnten Edeka-Kunden schon im vergangenen Herbst den Magic Star probieren, denn der Anbau des exklusiven Apfels startete am Bodensee mit 60 Tonnen. In diesem Jahr zieht Norddeutschland nach. Zumindest bei Aldi Süd soll die Entwicklung einer eigenen Apfelsorte weit fortgeschritten sein, wie die „Lebensmittel Zeitung“ berichtete. Die Bäume seien gepflanzt und sollen bald Früchte tragen. Eine offizielle Bestätigung gab es jedoch von Aldi Süd nicht. Der Discounter verweist aber darauf, den Kunden exklusive Obst- und Gemüseartikel anbieten zu wollen.

Und Aldi Nord? „Solche Pläne können wir für uns nicht bestätigen“, sagte ein Sprecher. So weit wie möglich würden den Kunden regionale Früchte angeboten: „Für unsere Regionalgesellschaften im Norden beziehen wir beispielsweise unsere Äpfel von Lieferanten aus dem Alten Land“. Lidl teilte dem Abendblatt mit, man beobachte Entwicklungen „kontinuierlich“ und sei offen für „neue Ansätze in der Sortimentsgestaltung“.

Das Alte Land geht neue Wege

Der Anbau neuer Apfelsorten im Alten Land hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. In der Obstbauversuchsanstalt in Jork werden rund 400 Apfelsorten getestet, die noch nicht auf dem Markt sind. „Das Sortenkarussell dreht sich immer schneller, weil die Nachfrage nach neuen Sorten sehr groß ist“, sagt Martin Brüggenwirth Sortenprüfer und Versuchsleiter von der Obstbauversuchsanstalt in Jork. Im vergangenen Herbst wurden im Alten Land erstmals die Apfelsorten Fräulein und Deichperle geerntet. Das Ziel war es gewesen, Sorten zu züchten, die gut mit Hitze und Trockenheit zurechtkommen.

Den Obstbauern gelingt es, zunehmend neue Sorten in den Handel zu bringen, die auch im Alten Land angebaut werden. Vor allem jüngere Käufer sind mit Elstar und Boskoop nicht mehr zu begeistern. Zu den Neuheiten gehören Kanzi, die Frühsorte Sweet Tango, der Snackapfel Rockit, der klein ist und bei dem das Kerngehäuse mitgegessen werden kann, und der rotfleischige Apfel Kissabel. Obstbauer Jörn Stechmann beliefert Edeka seit mehr als 50 Jahren mit Äpfeln. Bereits 1926 wurde der Betrieb von seinem Großvater Peter Stechmann gegründet, der die Äpfel noch mit dem Lastkahn nach Hamburg auslieferte.

„Wir mussten nicht lange überlegen, wer für die neue Züchtung infrage kommt“, sagt Herbers. Denn Stechmanns Familie betreibt nicht nur einen Obsthof, sondern hat auch einen Obstgroßhandel, wo die Äpfel nach den Wünschen der Kunden verpackt werden. Magic Star soll in die Edeka-Filialen vor allem als lose Ware ausgeliefert werden. „Doch wir arbeiten auch an einer Kartonverpackung ohne Folie, in die dann vier oder sechs Äpfel verpackt werden können“, sagt Jörn Stechmann.

27.000 Bäume für den Magic Star gepflanzt

Nachdem bereits 27.000 Bäume von Magic Star gepflanzt wurden, will Stechmann zusammen mit seinem Sohn weitere 13.000 Bäume der Sorte anpflanzen. Während viele Obstbaubetriebe Nachwuchssorgen haben, wollen Stechmanns weiter expandieren. Der exklusive Deal mit Edeka Nord passt da sehr gut dazu. Magic Star darf nur an Edeka geliefert werden, nicht ein Apfel davon im eigenen Hofladen verkauft werden. Dafür gibt es eine kontinuierliche Abnahmegarantie.

Sohn Jonas, der Obstbauer gelernt hat, macht gerade seine Meisterausbildung in dem Fach. Er soll einmal den Obstanbau übernehmen, während sich der Vater auf den Großhandel konzentriert, wo bereits Sohn Marc arbeitet. „Ein Bürojob ist nichts für mich, draußen zu arbeiten bedeutet mir sehr viel, und die Arbeit ist jeden Tag anders“, sagt Jonas Stechmann. Jetzt kommt es darauf an, den Betrieb zu erweitern. Die Anbaufläche soll von 17 auf 25 Hektar ausgedehnt werden. Das würde auch für Edekas Magic Star noch mehr Platz schaffen.