Buchholz. Mit dem Projekt „Bildung 2040“ will das Land Niedersachsen Ideen für zukünftiges Lernen erarbeiten. Die IGS Buchholz ist dabei.
In der Schule der Zukunft sind die Türen alle offen, gearbeitet wird nicht nur im Schulgebäude, sondern auch draußen, an der frischen Luft. In den Klassenzimmern gibt es gemütliche Sitzecken und Fitnessgeräte für ein schnelles Work-Out. Wer entspannen will, kann sich in der Chill-Zone in einen der bequemen Sessel kuscheln. Im Unterricht begegnen sich Lehrer und Schüler auf Augenhöhe.
Gelernt wird in kleinen Gruppen, jahrgangs- und fächerübergreifend und möglichst häufig an außerschulischen Orten. Wer besser im Homeschooling zurechtkommt, macht einfach von Zuhause mit. Denn natürlich hat jeder Schüler seinen eigenen Laptop. Das Unterrichtsmaterial wird auf jeden Einzelnen individuell zugeschnitten. Und es gibt neue Fächer. Sie heißen „Zukunft“ und „Praktisches Leben“ und orientieren sich daran, was die Schülerinnen und Schüler lernen müssen, um sich in der einer ständig verändernden Welt zurechtzufinden.
IGS Buchholz trägt Ideen für Kultusministerium zusammen
So stellten sich Luca Holzhüter und Benjamin Jürgens, ihre 123 Kolleginnen und Kollegen an der IGS Buchholz sowie die 1250 Schülerinnen und Schüler die Schule der Zukunft vor. Und sie finden, dass es höchste Zeit ist, diese nicht nur zu denken, sondern auch zu leben. Also haben sie sich auf den Weg gemacht, ihre Ideen und Visionen für das Kultusministerium zusammengetragen, um neue Bildungsinhalte und -strukturen landesweit voranzutreiben.
Die Schule in der Nordheidestadt ist die Erste im Landkreis Harburg, die am Projekt „Bildung 2040“ des Landes Niedersachsen teilnimmt. In dem Projekt geht es um die Fragestellung, wie und was Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zukünftig lernen sollen, um pädagogische Leitideen und künftig geltende Wertvorstellungen, darum, welche Kompetenzen die Jugend braucht, um die zukünftige Gesellschaft mitzugestalten und welche Lernumgebungen überhaupt sinnvoll sind.
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„Es geht darum, Ideen und Visionen zur Bildung der Zukunft aus unterschiedlichen Perspektiven zusammenzutragen, um daraus Leitlinien für die Bildungspolitik zu entwickeln“, sagt Ministeriumssprecher Sebastian Schumacher. „In verschiedenen Veranstaltungsformen diskutieren wir mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, Eltern und vielen weiteren an guter Bildung interessierten Menschen über zukünftige Bildungsziele, -inhalte, - strukturen und -formate.“
Auch die IGS Buchholz bringt sich ein, richtete im Oktober gemeinsam mit Kultusminister Grant Hendrik Tonne ein großes Bildungsforum aus, an dem auch Buchholz’ Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse und Wolfgang Bauhofer von der Zukunftswerkstatt Buchholz teilnahmen. Die Ergebnisse dieser Veranstaltung werden dem Ministerium für das Modellprojekt „Zukunftsschulen“ zur Verfügung gestellt. Und: Sie fließen in die eigene Schulentwicklung ein.
Schulleiter Holger Blenck ist davon überzeugt, dass seine Schule einen wichtigen Beitrag zur Bildung der Zukunft leisten kann: „Unsere Schule ist jetzt zehn Jahre alt. Alle sind an Bord. Das Kollegium ist jung und motiviert. Gemeinsam wollen wir die Entwicklung von Schule vorantreiben.“ Dafür haben Mitglieder der Schulleitung, Eltern- und Schülervertreter im vergangenen Winter die Arbeitsgruppe „Schulentwicklung“ gegründet, in der neue Unterrichtsstrukturen und -inhalte erarbeitet und geprüft werden sollen.
Offene Lernräume, echtes Teamteaching und mehr Vernetzung
Ideen gibt es viele: Die Schüler wünschen sich individuelleres Arbeiten, mehr Sozialarbeit und mehr praktische Leistung. Sie wollen offene Lernräume, echtes Teamteaching und mehr Vernetzung. Schlüsselwörter sind „Menschlichkeit“ und „Lebenswelt“. Es geht um Toleranz, Selbstverantwortung und Flexibilität, aber auch darum, festgefahrene Strukturen zu hinterfragen und neue Möglichkeiten des Lernens zu eröffnen. Die Voraussetzungen dafür könnten besser nicht sein. „Corona hat uns viele positive Impulse gegeben“, sagt Schulleiter Holger Blenck. „Diese sollten wir weiter verfolgen und in die Schule der Zukunft einbauen.“
Nicht nur mit neuen Ideen, sondern auch mit bereits gemachten Erfahrungen kann die IGS Buchholz das Projekt „Bildung 2040“ weiter voranbringen. Denn vieles, was dort noch Zukunftsmusik ist, findet bereits an der Schule statt. Die Schüler arbeiten alle ab Klasse 7 am eigenen Laptop. Sie vertiefen ihr Wissen mit individualisierten Programmen, arbeiten mit interaktiven AcitveBoards und nutzen schnelles Internet. Und sie lernen so, wie es zu ihnen passt.
Schulentwicklung soll Lernumgebung und Inhalte hinterfragen
„Wir möchten, dass die Schülerinnen und Schüler bei uns selbstbestimmt lernen. Das heißt, sie entscheiden, was und wo sie lernen“, sagt Luca Holzhüter. „Viele Schülerinnen und Schüler arbeiten erfolgreich im Homeschooling. Warum soll das nicht auch weiterhin möglich sein?“ Im Rahmen der Arbeitsgruppe „Schulentwicklung“ sollen nicht nur Lernumgebung, sondern auch Inhalte hinterfragt werden. „Es kann doch nicht sein, dass wir nach Lehrplänen arbeiten, die zehn Jahre und älter sind“, so Holzhüter.
„Unterrichtsinhalte müssen sich am Leben orientieren“, sagt Iris Gronert, die in beratender Funktion des Schulvorstandes ist. „Die Schüler wollen lernen, wie man kocht, ein Fahrrad repariert, einen Knopf annäht.“ Zudem wollen sie mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und Schule aktiv mitgestalten. Dafür haben sie eigenhändig einen Schülerkodex erstellt, der die in der Schule geltenden Regeln auflistet. Und sie können Anregungen und Kritik im Schulentwicklungspadlet, einer digitalen Pinnwand, festhalten. „Wir sind eine Schule mit demokratischer Kultur, gehen konstruktiv mit Konflikten um und hören einander zu“, sagt Schulleiter Holger Blenck, der besonders stolz darauf ist, dass die Schule weder Pausengong noch Schulordnung braucht.
Schulgemeinschaft ist eine große gegenseitige Wertschätzung
„Man weiß an der IGS Buchholz das Potenzial unterschiedlicher Perspektiven zu nutzen. In der Schulgemeinschaft ist eine große gegenseitige Wertschätzung und ein guter Zusammenhalt spürbar. Man begegnet sich hier auf Augenhöhe“, so das Fazit von Minister Grant Hendrik Tonne, dessen Ministerium die wesentlichen Ergebnisse der Diskussionsrunden in ein umfangreiches Aktionsprogramm mit dem Titel „Startklar in die Zukunft“ einfließen lässt.
Die Erkenntnisse und Ideen von „Bildung 2040“ werden zudem in den kommenden fünf Jahren anhand von 65 Modellschulen, den sogenannten „Zukunftsschulen“, praktisch umgesetzt. Ziel sei, so Ministeriumssprecher Sebastian Schumacher, die Ergebnisse anschließend für alle Schulen im Land nutzbar zu machen. Im Landkreis Harburg nehmen die BBS Buchholz sowie das Gymnasium Winsen als Modellprojekt-Schule teil.