Lüneburg. In der Hansestadt endet eine Ära: Dem langjährigen SPD-Bürgermeister Ulrich Mädge folgt mit Claudia Kalisch eine Frau nach.

Nach 30 Jahren steht ein Wechsel im Lüneburger Rathaus bevor. Nachdem Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) altersbedingt nicht wieder zur Wahl steht, hatten die Bürger der Hansestadt die Wahl: Soll Claudia Kalisch von den Grünen, die im ersten Wahlgang am 12. September schon rund 33 Prozent der Stimmen holte, oder Heiko Meyer (unabhängiger Kandidat) die Geschicke in der Stadt lenken? Um 20.51 uhr steht das Ergebnis fest.

Claudia Kalisch gewinnt die Stichwahl mit 55,46 Prozent der Stimmen. Siegeslaune im Kulturforum am Sonntagabend: Claudia Kalisch tritt auf die Bühne. „Jetzt haben wir eine grüne Oberbürgermeisterin!“ sagt sie und dankt allen Unterstützern, ihre „Claudi-Runde“ und allen Helfern, die den Wahlkampf in den vergangenen Wochen noch intensiv geführt haben. Dann bittet sie ihren Mann auf die Bühne und dankt auch ihm für die Unterstützung. Für alle Wahlhelfer gibt es als Geschenk T-Shirts.

Kalisch: Wahlkampf ist vorbei, jetzt geht die Arbeit richtig los

„Wir haben die Stadt gerockt“, ruft Kalisch und richtet sich dann gleich den Blick in die Zukunft. „Der Wahlkampf ist vorbei, jetzt geht die Arbeit richtig los. Ich freue mich auf die nächsten Jahre!“ Für die Zukunft ruft die neue Lüneburger Oberbürgermeisterin zudem ein neues Motto aus: „Jetzt gemeinsam durchstarten!“ Dies gelte auch als Einladung an alle anderen Fraktionen im Stadtrat. „Wir alle wollen gemeinsam diese Stadt voranbringen“, sagt Kalisch. Auch an die Verwaltung richtet sie sich. Dort werde eine Veränderung erwartet, es seien neue Wege einzuschlagen. „Diese Wege will ich mit Ihnen gemeinsam gehen.“

Jubel und Applaus über grünen Balken bei Bundestagswahl

Während sich Meyers Anhänger zur Wahlparty in der Lüneburger Innenstadt, in einer Kneipe am Stint treffen, haben sich die Grünen und ihre Unterstützer unter 3G-Bedingungen mitten im Grünen versammelt. Im Kulturforum Gut Wienebüttel vor den Toren der Stadt ist eine Bühne aufgebaut, auf der Leinwand an der Wand dahinter werden regelmäßig die aktuellen Hochrechnungen eingeblendet und von Mitgliedern von Orts- und Kreisverband kommentiert.

Gäste bei der Wahlparty in Lüneburg: Elias Gleditzsch (l. 18) und sein Bruder Jonah (17) drücken ihren Kandidaten die Daumen
Gäste bei der Wahlparty in Lüneburg: Elias Gleditzsch (l. 18) und sein Bruder Jonah (17) drücken ihren Kandidaten die Daumen © Lena Thiele/HA

Die Gäste verteilen sich in der großen Scheune an Tischen und Stehtischen mit grünen Läufern. Auch die Deckenbalken sind grün angestrahlt, nur die Blumensträußchen auf en Tischen leuchten in Gelb und Rosa. Auf der Bühne wird ein Quiz veranstaltet, die Gäste versuchen Fragen zu Veranstaltungen aus dem Wahlkampf zu beantworten. Elias Gleditzsch verfolgt das Geschehen von einem Stehtisch aus mit seinem Bruder Jonah (17).

Der 18-Jährige ist bereits seit eineinhalb Jahren Parteimitglied. Jetzt hofft er, dass sich die ersten Ergebnisse aus dem Bund noch weiter in Richtung Grün verschieben. „Ich freue mich über die tollen 15 Prozent, aber da ist auch noch Luft nach oben.“ Zugleich drückt er Claudia Kalisch, die noch nicht auf der Party aufgetaucht ist, und Julia Verlinden, die diesmal das Direktmandat für den Wahlkreis holen will, die Daumen.

Vier Bürgermeisterämter in der Region sind noch offen

  • Die Politik in der Region wird grüner und weiblicher

  • Gegen 18 Uhr brandet erster Jubel und Applaus auf: Der grüne Balken bei der Bundestagswahl wandert auf 15 Prozent. „Das ist nicht ganz eine Verdopplung unseres Ergebnisses bei der letzten Wahl, aber es ist ein Riesenerfolg“, ruft Julia Verlinden von der Bühne aus. Sie sitzt seit 2013 für die Grünen im Bundestag. Eine halbe Stunde später wird es erneut laut: Claudia Kalisch steht bei knapp 63 Prozent und hat sich damit in der Stichwahl zum Oberbürgermeisteramt deutlich an die Spitze gesetzt. Heiko Meyer hat bisher 37 Prozent geholt.

    Claudia Kalisch steht für Wandel im Lüneburger Rathaus

    Claudia Kalisch ist seit 2016 Bürgermeisterin der Samtgemeinde Amelinghausen, dort stand sie diesmal nicht mehr zur Wahl. Künftig will die 49-Jährige den Wandel im deutlich größeren Lüneburger Rathaus gestalten. Ökologie, Ökonomie und Soziales zu verbinden, das sei ihr übergreifendes Ziel, sagt die Diplom-Umweltwissenschaftlerin, die auch einen Master of Business Administration gemacht hat.

    Die Grüne will sie sich dafür einsetzen, dass der Klimaschutz als zentraler Gedanke in alle Entscheidungsprozessen einbezogen wird. So will sie erreichen, dass die Hansestadt innerhalb von zehn Jahren klimaneutral wird. Dazu beitragen soll auch die Wende zur Fahrradstadt. Vor ihrer Zeit als Samtgemeindebürgermeisterin war Claudia Kalisch, die verheiratet ist und zwei Kinder hat, unter anderem am Centre for Sustainability Management der Leuphana Universität tätig. Zudem baute sie den regionalen Öko-Energiedienstleister Lünestrom auf.

    Heiko Meyer will Bürger stärker in Entscheidungsprozesse

    Oberbürgermeisterwahl Lüneburg 2021: Claudia Kalisch (Grüne) und Heiko Meyer (parteilos) treten in der Stichwahl gegeneinander an.
    Oberbürgermeisterwahl Lüneburg 2021: Claudia Kalisch (Grüne) und Heiko Meyer (parteilos) treten in der Stichwahl gegeneinander an. © Lena Thiele/Funke

    Ihr Kontrahent Heiko Meyer tritt ohne die Unterstützung einer Partei an. Der selbstständige Unternehmer und Vorsitzende des Vereins Lüneburg City Management (LCM) hat jedoch viele Unterstützer in der Stadt und ist gut vernetzt. Der 52-Jährige ist gelernter Elektroinstallateur und Kältetechniker, leitet eine Firma für Gastronomieeinrichtungen und führt ein Café in der Hansestadt.

    Er will sich dafür einsetzen, die Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Das betrifft die Neuorganisation der Stadtverwaltung und eine transparente Bürgerinformation ebenso wie die Stadtplanung und die Digitalisierung aller Behördengänge. Auch die Gestaltung der Innenstadt ist für ihn eine zentrale Aufgabe, ebenso die regionale Wirtschaftsförderung. Heiko Meyer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

    Das sind in Lüneburg Kandidaten mit den besten Aussichten

    Auf der Bühne in Lüneburg: Direktkandidatin Julia Verlinden kandidiert erneut für den Bundestag.
    Auf der Bühne in Lüneburg: Direktkandidatin Julia Verlinden kandidiert erneut für den Bundestag. © Lena Thiele/HA

    Zeitgleich mit der Stichwahl geben die Lüneburger an diesem Sonntag ihre Stimmen für die Bundestagswahl ab. Mit ihrer Erststimme entscheiden sie, wer als Abgeordneter des Wahlkreises Lüchow-Dannenberg und Lüneburg in den Bundestag einzieht. Die Kandidaten mit den besten Aussichten sind Eckhard Pols (CDU), der den Wahlkreis seit 2009 im Bundestag vertritt, Jakob Blankenburg (SPD), Landesvorsitzender der Jusos in Niedersachsen, und Julia Verlinden (Grüne), die seit 2013 Bundestagsabgeordnete ist. Zudem kandidieren Edzard A. Schmidt-Jorzig (FDP), Thorben Peters (Linke), Armin-Paulus Hampel (AfD), Fronke Gerken (Liberal-Konservative Reformer), Tristan Großkopf (Internationalistisches Bündnis), Volker Heinecke (Freie Wähler) und Meike Hilbeck (Die Partei). Die Zweitstimme wird für die Landesliste einer Partei vergeben. Die Stimmen dort entscheiden über die anteilige Zusammensetzung des Bundestages.

    Bei der Bundestagswahl sind alle volljährigen Bürger wahlberechtigt, während bei der Oberbürgermeisterwahl auch die 16- und 17-Jährigen mit abstimmen dürfen. In den 66 Wahllokalen der Stadt sind rund 700 ehrenamtliche Wahlhelfer und Wahlhelferinnen tätig. Von 18 Uhr an wird erst die Bundestagswahl ausgezählt, dann die Stichwahl.

    Um 21.14 Uhr stand zudem fest: Jakob Blankenburg (SPD) wird den Wahlkreis in Zukunft im Bundestag vertreten. Er holte rund 28 Prozent der Erststimmen. Der 23 Jahre alte Pressereferent der SPD-Landtagsfraktion wird einer der jüngsten Abgeordneten im neuen Bundestag sein. Mit rund 25 Prozent der Stimmen landete die Grüne Julia Verlinden auf dem zweiten Platz. Der langjährige Inhaber des Direktmandats, Eckhard Pols (CDU), verliert dieses somit.

    Hier geht es zum Hamburg-Wahlblog