Neu Wulmstorf/Buxtehude. In Neu Wulmstorf und Buxtehude gewinnen Favoriten bei Bürgermeisterwahl überraschend deutlich. Worauf sie gesetzt haben.

Es waren gerade einmal etwa 40 Minuten nach Schließung der Wahllokale vergangen, als die Spannung im Neu Wulmstorfer Dorfkrug bereits wich und viele Genossen spürbar aufatmeten. Die SPD hatte zur Wahlparty geladen und es erschien klar, dass sie mit dem langjährigen SPD-Ratsfraktionschef Tobias Handtke, 45, im Rennen um den Bürgermeisterposten in Neu Wulmstorf wohl den Favoriten aufgestellt hatte.

„Tobi“, wie viele im Ort ihn nennen, hatte bei seinem Wahlkampf guten Zuspruch erfahren. Doch wie deutlich er gewinnen würde, zeigte sich überraschend früh: Um 18.40 Uhr wies die große Bildschirm-Leinwand im Dorfkrug bei 16 von 27 ausgezählten Wahllokalen einen satten Vorsprung von mehr als 70 Prozent für den vierfachen Familienvater aus. Und an diesem Stimmenverhältnis änderte sich nicht mehr viel. Es zeigte sich zudem, dass im Handtke-Schwung auch die SPD im Rat wieder stärkste Kraft werden würde.

Mit leicht feuchten Augen bedankte sich Handtke bei Team

Eine Stunde später verschaffte sich die sichtbar gelöste SPD-Ortsvereinsvorsitzende Petra Andersen im freudigen Stimmengewirr des Abends dann Gehör: „Wir erheben unser Glas und trinken auf unseren neuen Bürgermeister.“ Mit leicht feuchten Augen bedankte sich Handtke bei seinem Team, küsste seine Frau und musste selbst als gewohnter Redner eine Weile um Fassung ringen. Jetzt war klar, dass er mit 73,24 Prozent der Stimmen bei dieser Bürgermeisterwahl überdeutlich gewonnen hatte.

Sein Mitbewerber um dieses Amt, der Elstorfer Thomas Wilde, 56, hatte nach vorläufigem Wahlergebnis 26,76 Prozent erreicht. Aber Wilde zeigte sich als guter Verlierer. Nur wenig später, nachdem das Ergebnis feststand, kam er mit zwei CDU-Ratskollegen von der CDU-Wahlparty im Restaurant „Kartoffelkeller“ zu Fuß zum Dorfkrug, um zu gratulieren. Es sei ein fairer Wahlkampf gewesen, sagte Wilde und wünschte Handtke viel Erfolg bei seiner neuen Aufgabe, die angesichts der angespannten Haushaltslage nicht gerade einfach werden würde.

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Während der gelernte Einzelhandelskaufmann Handtke nun zum 1. November seinen neuen Job als hauptamtlicher Bürgermeister der 22.000-Einwohner großen Gemeinde antreten will, wird Wilde in seinem Beruf als Headhunter bei einer Personalberatung weitermachen – was dort offensichtlich mit Wohlgefallen aufgenommen wird. Zum Abschied in das Wahl-Wochenende habe ihm sein Chef jedenfalls eine „ehrenvolle Niederlage“ gewünscht, sagte Wilde, der das Wahlergebnis dann offenkundig recht sportlich nahm.

„Einer von uns, ein ganz normaler Alltagsbewältiger“

Aber gegen die Sympathiewerte von Handtke in der Gemeinde kam er eben nicht an. Handtke gilt als „Kümmerer“ und er hatte einen gut organisierten Wahlkampf absolviert. 14 Touren zu speziellen Themenbereichen hatte die SPD quer durch die Gemeinde unternommen, dazu interessante Neu Wulmstorfer besucht und über viele Arten von Medien darüber berichtet.

„Die Themen vor Ort, das hat die Leute vor allem interessiert“, resümiert er selbst. Als jemand, der mit Familie hier aufgewachsen ist, hier wohnt, Schulen und Kitas kennt und wie soviel andere auch mit dem Pendeln zum Job nach Hamburg zu kämpfen hat, dürfte er auch so etwas wie ein typischer Neu Wulmstorfer sein. „Einer von uns, ein ganz normaler Alltagsbewältiger“ – so hatte seine Partei ihn nach seiner Nominierung beschrieben und damit offensichtlich den Nerv getroffen.

In Buxtehude überraschte das deutliche Ergebnis ebenfalls

Damit drängt sich eine Parallele zu einem ebenfalls überraschend deutlichen Ergebnis bei der Bürgermeisterwahl im benachbarten Buxtehude auf: Nach sieben Jahren an der Spitze des Rathauses trat dort die parteilose und 1959 geborene Juristin Katja-Oldenburg-Schmidt zur Wiederwahl an: Unterstützt wurde sie dabei von einem breiten Parteienbündnis von CDU, SPD, FDP und Freien Wählern.

Siegerlächeln: Buxtehudes Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und ihr Mann Günter Schmidt freuen sich über die für sie guten Zahlen.
Siegerlächeln: Buxtehudes Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt und ihr Mann Günter Schmidt freuen sich über die für sie guten Zahlen. © AT | Axel Tiedemann

Sie gilt als ausgewiesene Verwaltungsexpertin und schnitt ihren Wahlkampf ganz auf lokale Themen zu – eben genau wie ihr künftiger Kollege in Neu Wulmstorf. Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Ausbau der Schulstandorte und schließlich der Neubau der Halle-Nord für Bundesliga-Handball und Schulsport waren Dinge, auf die sie verweisen konnte. Ebenso wie die Entwicklung von Neubaugebieten, wo nach Hamburger Beispiel auch preiswerter Wohnraum angeboten werden soll.

Herausforderer war neben einem Kandidaten der Linken sowie einem der Satirepartei Die Partei in der Estestadt nun vor allem Grünen-Fraktionschef Michael Lemke, 52, der eben auch das urgrüne Thema Klimaschutz mit in den Wahlkampf ganz nach vorn brachte. Lemke rechnete sich gute Chancen aus, zumal sich die Grünen in Umfragen lange auf einen Höhenflug befanden. Bereits 2014 hatte der gelernte Industriekaufmann und Reederei-Manager mit 40,4 Prozent einen Achtungserfolg bei der damaligen Bürgermeisterwahl gegen Oldenburg-Schmidt errungen – obwohl er sich seinerzeit erst sehr kurz vorher für eine Kandidatur entschieden hatte. Diesmal müsste es klappen, dachte er, startete bereits im November und ging dabei volles Risiko.

Sollte er nicht gewinnen, würde er sich komplett aus der Buxtehuder Kommunalpolitik zurückziehen, kündigte er bereits vor Monaten an. Ein harter Entschluss für einen durch und durch politischen Menschen, immerhin seit 2011 ist der Vater zweier erwachsener Töchter Fraktionschef im Rat.

Grünen-Kandidat kündigt Rückzug aus Kommunalpolitik an

Nicht immer aber bedeutet hohes Risiko auch einen hohen Sieg. Obwohl seine Partei im Stadtrat zulegte, erreichte Lemke diesmal nur 24,21 Prozent der Stimmen. Oldenburg-Schmidt aber bekam sehr deutliche 66,11 Prozent und überraschte viele, die fest mit einer Stichwahl zwischen Lemke und ihr gerechnet hatten. Woran lag’s? Die Nacht über dürfte Lemke darüber gegrübelt haben. Vielleicht, so sagt er am Tag danach, habe er sich von dem Lüneburger „Grünen-Hype“ zu sehr blenden lassen.

„Buxtehude ist einfach noch nicht so weit wie Lüneburg und viel konservativer“, vermutet er. Man habe in der Stadt lieber das Bewährte gewählt und nicht „die Veränderung, die wir brauchen“, glaubt Lemke, der seine Ankündigung mit dem Ausstieg aus der Politik nun wahr machen will. Jedenfalls aus der Kommunalpolitik.