Buxtehude. Der Fraktionschef der Grünen im Buxtehuder Stadtrat kündigt seine Kandidatur gegen Katja Oldenburg-Schmidt an.

Nein, als eine Art Überraschungskandidat muss er diesmal nicht ins Rennen gehen. Nicht so wie 2014, als SPD und Grüne gegen die heute amtierende und parteilose Buxtehuder Bürgermeisterin Katja Oldenburg-Schmidt erst keinen Gegenkandidaten finden konnten und Grünen-Fraktionschef Michael Lemke wenige Wochen vor der Bürgermeister-Wahl überraschend dann doch selbst dazu antrat. „Aus der Not heraus“, wie er heute sagt. Respektable 40,4 Prozent bekam er seinerzeit, doch die damalige Erste Stadträtin in der Verwaltung gewann mit Unterstützung der CDU die meisten Stimmen.

Neuauflage des Duells um den Chefposten im Rathaus

Zur Neuauflage dieses Duells um den Chefposten im Buxtehuder Rathaus im Herbst nächsten Jahres hat er sich nun mehr Zeit vorgenommen: Über eine Notiz in einer internen Infoschrift kündigten die Grünen eine Kandidatur Lemkes vor wenigen Tagen mehr oder weniger öffentlich an. „Ja, ich habe eine riesengroße Lust dazu“, sagt er, wenn man nachfragt, ob das denn so stimme.

Grüne sind stärker geworden

Dass er einen zweiten Anlauf wagen will – das wird in politisch interessierten Kreisen der Stadt allerdings schon lange geraunt. Zumal die Stimmung für die Grünen in der Stadt gerade gut scheint. Bei den EU-Wahlen wurden sie hier im vergangenen Jahr mit 27,3 Prozent sogar stärkste Kraft. Und auch Lemke beflügelte solche Vermutungen mit gelegentlichen Spitzen gegen die Amtsinhaberin immer mal wieder selbst. „Gestalten ist wichtiger als verwalten“, kommentierte er beispielsweise im Abendblatt die Entscheidung der beiden großen Ratsfraktion von SPD und CDU, als die sich bereits vor einigen Monaten für eine zweite Amtszeit von Oldenburg-Schmidt ausgesprochen und dies mit ihrer „hohen Kompetenz und Verwaltungserfahrung“ begründet hatten.

Abteilungsleiter bei der Reederei NSB

Wobei man die Betonung Lemkes auf das Wort „Gestalten“ im Gegensatz zum „Verwalten“ durchaus als Eigenwerbung verstehen kann. Der Grünen-Politiker kommt eben nicht aus der öffentlichen Verwaltung wie Oldenburg-Schmidt, sondern ist Abteilungsleiter bei der Buxtehuder Reederei NSB. Also ein Kandidat aus der freien Wirtschaft, dem kaufmännisches Denken und Entscheiden nicht fremd ist – was Lemke dann auch für Bürger wählbar macht, die nicht gerade zum klassischen grünen Wählerpotenzial gehören. Und dass der 1968 in Buxtehude geborene Lemke Ökonomie und Ökologie eher als Tandem denn als Gegensatz sieht, wird deutlich, wenn man von ihm etwas mehr zu seinen Zielen wissen will.

Monheim im Rheinland als Vorbild

Klar, der Umbau Buxtehudes zu einer Fahrradstadt, wie er ihn anstrebe – das ist urgrüne Politik. Ebenso der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Bezahlbares Wohnen wolle er voranbringen – auch das ein Thema, das bei einem Grünen-Politiker nicht wirklich überrascht. Und natürlich spricht er gerne von Nachhaltigkeit als Basis vieler Entscheidungen: ein Wort aus dem Zeitgeist-Vokabular, das auch von der Buxtehuder Bürgermeisterin immer wieder gern zitiert wird. Spannender aber wird es, wenn Lemke von seinen Vorbildern erzählt und dabei die Stadt Monheim nennt. Von „mutigen Entscheidungen“ des Bürgermeisters, spricht er dann. Von einigen radikal neuen Wegen, die in der Stadt im Rheinland eingeschlagen wurden, um sie „zukunftsfähig“ zu machen.

Mit einer Einwohnerzahl von rund 40.000 Bürgern ist Monheim da tatsächlich mit Buxtehude vergleichbar. 2009 wurde dort der damals erst 27-jährige Daniel Zimmermann zum Bürgermeister gewählt und 2014 mit 94,56 Prozent im Amt bestätigt. Der Mitbegründer der kommunalen Jugendpartei PETO machte vor allem Schlagzeilen, weil er die Gewerbesteuern der Stadt radikal senkte. Zahlreiche Unternehmen siedelten sich in der Folge an, die Stadt steigerte ihre Einnahmen und wurde bald schuldenfrei. Zimmermann konnte so die Beitragsfreiheit aller Kitas sowie einen freien öffentlichen Nahverkehr politisch durchsetzen.

Ein Kind der Region

Das brachte ihn aber auch Kritik ein, vor allem von Nachstädten, die diesen Wettbewerb um Betriebe als unsolidarisch brandmarkten. Lemke, sieht das anders. Man müsse Monheim nicht 1 zu 1 kopieren, sagt er, aber ein „gesunder Wettbewerb schadet auch nicht.“ Da ist der Grüne dann ganz Mann der Wirtschaft. Aber er ist es eben nicht nur, ihn prägte genauso die typische grüne Sozialisation der 80er Jahre: Als jüngster von vier Brüdern wuchs Lemke in Goldbeck bei Buxtehude auf. Im Sommer ging‘s an den Baggersee, im Verein spielte er Fußball und Handball.

„Ich war ein richtiges Dorfkind“, sagt er. Der Vater war Niederlassungsleiter einer Hamburger Spedition und eine Weile sogar Bürgermeister in Beckdorf. Allerdings für die CDU. Und das gab Stoff für viele Diskussionen am Tisch der Familie, „Da haben wir uns manchmal richtig gezofft, ich war aber auch ein Klugscheißer“, sagt Lemke und lächelt dabei versunken. Gorleben, Demos gegen Atomkraft oder Dünnsäureverklappung, Engagement bei den Umweltschützern vom Bund – das waren eben in dieser Zeit seine Stationen, die ihn zum Grünen machten.

Nach dem Abitur und dem Wehrdienst in Buxtehude ging Lemke nach Süddeutschland, um dort Industriekaufmann zu werden. Hier lernte der spätere Vater von zwei Töchtern seine Frau kennen und zog bald wieder in den Norden, wo er in Hamburg ein „tolles Angebot“ bei einem Anlagenbauer bekam und später die Karriereleiter in anderen Jobs weiter aufstieg.

Scheitert Lemke, gibt er die politische Arbeit auf

Seit 2006 ist er nun parallel aber auch schon im Buxtehuder Stadtrat aktiv. Die Bürgermeister-Wahl 2021 wäre dann für ihn nach 15 Jahren eine Art politischer Höhepunkt mit „Alles-Oder-Nichts“-Option: Schafft er es dann nicht, will er auch für den Rat nicht mehr kandidieren und seine kommunalpolitische Arbeit in Buxtehude beenden, kündigte er gleichzeitig mit seinem Willen zur Kandidatur an. Schafft er es aber im Herbst 2021 auf den Chefsessel im Rathaus – dann will er auf jeden Fall auch noch eine zweite Amtszeit anstreben.