Hösseringen. In unserer Sommerserie stellen die Regionalausgaben des Abendblatts Tagestouren vor. Heute geht die Reise in den Heideort Hösseringen.

Dieses Backhaus ist der Beweis: Hexen kann man tatsächlich in einen Ofen schieben – wenn man sich denn in einer Märchenwelt befindet. Das Backhaus ist real, es stammt aus dem Landkreis Celle, wurde 1792 erbaut und steht jetzt im Museumsdorf Hösseringen. Die Geschichte von Hänsel und Gretel ist sicher nicht real, und dennoch lassen sich beide Welten wunderbar miteinander verknüpfen, findet Museumspädagogin Franziska Riedmiller. Eine Woche lang steht das Freilichtmuseum daher im Zeichen der Märchen – für Kinder und Erwachsene.

Wer sich auf dem Weg in das Museumsdorf in der Nähe von Suderburg im Landkreis Uelzen fragt, warum das Freilichtmuseum mitten in einem Wald anstelle nahe einer Ortschaft geplant wurde, für den sei folgende Erklärung vorweggestellt: In diesem Wald, Schooten heißt er, haben zwischen 1532 und 1652 die ersten Landtage stattgefunden. Auf diesen Landtagen verhandelten die Landstände mit dem Landesherrn über Steuern und Gesetze. Landstände bestanden aus Vertretern von Geistlichkeit, Adel und Städten. Seit 1902 gibt es einen Gedenkstein. Die Historie erklärt auch die Adresse des Museums: „Landtagsplatz 2“.

30 Gebäude und ein Teich bilden mittlerweile ein Dorf

Exakt 30 Gebäude und ein Teich bilden dort mittlerweile ein Dorf. „Alle Häuser sind Originale aus der Lüneburger Heide, die hier wiederaufgebaut wurden“, erzählt Björn Thomann, Vize-Direktor des Museums. Manche dieser Gebäude bilden eben eine passgenaue Kulisse dafür, sich in die Märchen der Gebrüder Grimm zu fantasieren.

Zum Beispiel die Torscheune von 1798, ursprünglich auf Hof Nr. 4 in Thielitz beheimatet und 1983 in Hösseringen wiedererrichtet: einst Scheune, Schafstall und Speicher, jetzt Bürogebäude des Museums. Wenn Björn Thomann aus dem Fenster über seinem Schreibtisch einfach mal ein dickes weißes Daunenkissen lugen lässt, „dann sieht das hier aus wie bei Frau Holle“, sagt der Historiker. Wenn seine Kollegin Franziska Riedmiller eine Holzfigur anmalt und sie dazustellt, ist die Assoziation perfekt.

Acht Grimmsche Märchen sind auf dem Gelände zu entdecken

Insgesamt acht Grimmsche Märchen finden kleine und große Besucher, wenn sie mit wachen Augen über das Gelände spazieren. Bei der Schmiede geht es um „Der Teufel und der Schmied“, im Kötnerhaus um „Rotkäppchen“, im Backhaus – natürlich – um „Hänsel und Gretel“ und beim Schweinestall um „Hans im Glück“.

Der Stall, gebaut 1835 auf dem Hof Peters in Graulingen bei Suderburg, ist ein typischer Stall für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seit 1984 steht der Stall im Museumsdorf, und genau rechtzeitig zur publikumsstarken Märchenwoche bekommt der Schweinestall neue Bewohner: Am Montag ziehen Bunte Bentheimer Ferkel ein, eine Züchtung des 19. Jahrhunderts.

Postkartenmotiv des Museumsdorfes: der Brümmerhof, ein niederdeutsches Hallenhaus von 1644 aus Moide.
Postkartenmotiv des Museumsdorfes: der Brümmerhof, ein niederdeutsches Hallenhaus von 1644 aus Moide. © Carolin George | Carolin George

In der blauen Scheune, wo die vielen Spinnräder stehen, geht es um „Dornröschen“. Blau als Anstrich für landwirtschaftliche Gebäude war ab Mitte des 19. Jahrhunderts en vogue. „Zunächst war die Farbe Blau sehr teuer“, erklärt Historiker Thomann. „Als sie sich dann chemisch herstellen ließ, wurde sie regelrecht zur Modefarbe.“

Mitmachaktionen für Kinder, aber auch speziell für Erwachsene

An allen Stationen stehen Infotafeln – neben den üblichen über die Geschichte der Gebäude kommen in dieser besonderen Woche weitere dazu: mit Zusammenfassungen des Inhalts der Märchen sowie mit Informationen zu Hintergründen und möglichem Wahrheitsgehalt der Geschichten respektive ihrer Entstehung. Ein umfangreiches Programm ergänzt die Stationen – viele Mitmachaktionen für Kinder, aber auch Angebote speziell für Erwachsene. „Das war uns sehr wichtig. Oft werden Märchen ausschließlich für Kinder aufbereitet. Wir möchten aber auch Erwachsenen etwas bieten“, sagt Museumspädagogin Riedmiller. Beim Märchenspaziergang über das Museumsgelände werden nicht die dargestellten Geschichten erzählt, sondern andere, internationale Märchen.

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Auf dem Gelände kann man auch übernachten: in diesem weißen Würfel neben dem Backhaus.
Auf dem Gelände kann man auch übernachten: in diesem weißen Würfel neben dem Backhaus. © Carolin George | Carolin George

Der Ausflug nach Hösseringen muss dabei nicht an den Grenzen des Museumsgeländes Halt machen: Durch das nahe Waldgebiet Schooten führt ein gut drei Kilometer langer Waldgeschichtspfad, illustriert mit Cartoons von Marunde. Der Hardausee nördlich von Hösseringen als nördlichste und vermutlich kleinste Talsperre Deutschlands bietet nicht nur einen weißen Sandstrand zum Baden, sondern auch einen Hundestrand und einen Tretbootverleih.

Weitere lohnende Ziele in Hösseringen und Umgebung

Außerdem ist er Teil des 52 Kilometer langen Wassererlebnispfades Hardautal, der auch in kleinen Rundwegen erwandert werden kann. In Hösseringen mag nicht nur der Aussichtsturm einen Besuch wert sein, sondern auch die Alte Schule: In dem Gasthaus gibt es Herzhaftes und Torten sowie einen 5000 Quadratmeter großen Garten, der laut Eigentümern zwar nicht unkrautfrei ist, dafür aber herrlich verwildert und umso sympathischer – vielleicht sogar ein bisschen märchenhaft.

Info: Märchenwoche vom 3. bis 8. August in Hösseringen

  • Hösseringen ist ein Ortsteil der Gemeinde Suderburg (Kreis Uelzen) und liegt etwa eine Autofahrstunde von Lüneburg entfernt. Bis Uelzen sind es etwa 30 Minuten. Die Märchenwoche im Museumsdorf Hösseringen läuft von Dienstag bis Sonntag, 3. bis 8. August. Am 3. und 8. August werden jeweils von 14 bis 16 Uhr Themenführungen angeboten, am 3. August von 13 bis 15 Uhr eine Mitmachaktion „Märchenwesen“, am 4. August können Kinder von 10 bis 14 Uhr an einem Schmiedekursus teilnehmen. Am 5. August gibt es von 13 bis 16 Uhr die Mitmachaktion „Handspindel“, am 6. August von 13 bis 16 Uhr die Mitmachaktion „Hänsel und Gretel“, am 7. August beginnt um 17.30 Uhr ein Märchenabend für Erwachsene und am 8. August um 14 Uhr ein Märchenspaziergang mit einer Erzählerin und Musik.
  • Infos und Anmeldung für die Aktionen unter 05826/17 74 oder auf der Internetseite unter www.museumsdorf-hoesseringen.de. Wer hier übernachten möchte, kann dies ebenfalls tun: in einem Schlafwürfel namens „Sleeperoo Cube“. Auf dem Museumsgelände beginnt außerdem ein Heide-Entdeckerpfad, der an 19 Stationen von der Nutzung und Pflege der Heide zur Zeit der Heidebauernkultur erzählt. Während der Öffnungszeiten können E-Bikes geladen werden.
  • Das Museumsdorf ist vom Ilmenau-Radweg aus zu erreichen. Am Wochenende gibt es Kaffee und Kuchen aus einem Salonwagen auf dem Museumsgelände, außerdem stehen viele Picknickplätze bereit. In Hösseringen bietet das Rasthuus Alte Schule einen herzhaften Mittagstisch und Torten an sowie einen Tante-Emma-Laden.