Hamburg/Mienenbüttel. Staatsanwaltschaft und Polizei durchsuchen Räume der Hamburger Firma. Es geht auch um möglicherweise gefälschte Studien.
Razzia bei der stark umstrittenen Hamburger Firma LPT: Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Montagvormittag die Räume des Tierversuchslabors in Mienenbüttel im Kreis Harburg sowie weitere Standorte des Unternehmens in Hamburg und Schleswig-Holstein durchsucht.
Anlass sind von Tierschützern vorgebrachte Indizien, dass die Firma Tiere bei Studien zur Wirksamkeit von Arzneimitteln gequält haben soll. Jedoch kommen offenbar auch weitere Vergehen in Betracht. "Wir prüfen die Vorgänge von A bis Z und schränken die Ermittlungen auf keine Weise ein", sagte ein Sprecher der federführenden Staatsanwaltschaft in Stade dem Abendblatt.
Verbotene Tierversuche? LPT müsste Gewinne zurückzahlen
Ein größeres Aufgebot von Polizeibeamten rückte am Montag gegen zehn Uhr gleichzeitig an den Objekten an. Dabei wurden mögliche Beweismittel beschlagnahmt. "Gesucht wurden Unterlagen und Präparate, welche die Haltung und Tötung verschiedener Tiere betreffen", so die Staatsanwaltschaft. Zudem hatten es die Ermittler auch auf Rechnungen und Belege für Arzneistudien abgesehen.
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Wenn die Firma LPT auf verbotene Weise Tierversuche durchgeführt habe, könnte sie zur Rückzahlung der damit erzielten Gewinne gezwungen werden. Eine telefonische und schriftliche Bitte des Abendblattes um Stellungnahme ließ das Unternehmen bislang unbeantwortet.
"Tieren erhebliche und länger anhaltende Schmerzen zugefügt"
Der richterliche Durchsuchungsbeschluss stützte sich demnach auf Strafanzeigen des Vereins "Soko Tierschutz", des Landkreises Harburg und des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Bereits vor der Razzia war bekannt geworden, dass die Ermittler mögliche Straftaten prüfen.
LPT betreibt drei Labore, an denen Versuche mit Affen und Hunden durchgeführt werden – eines davon in Mienenbüttel. Dort hatte der Verein "Soko Tierschutz" einen Aktivisten als Mitarbeiter eingeschleust, der unter anderem blutende Hunde und schreiende Affen in der Einrichtung filmte. Die Aufnahmen lösten eine Welle des Protests aus.
Die Staatsanwaltschaft sieht inzwischen einen begründeten Anfangsverdacht, "dass Wirbeltieren am Standort in Mienenbüttel außerhalb der im Rahmen des Versuchs zulässigen Grenzen erhebliche und länger anhaltende Schmerzen zugefügt oder sie außerhalb eines laufenden Versuches und damit ohne tragfähigen Grund getötet worden sind". Dies wird nach dem Tierschutzgesetz mit einer Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Ob sich die Ermittlungen bereits gegen einzelne Personen aus dem Unternehmen richten, ist bislang nicht bekannt.
Auch Vorwürfe auf Fälschung von Studien
Neben der möglichen Tierquälerei waren nach einem Bericht des ARD-Magazins "Fakt" zuletzt auch Vorwürfe öffentlich geworden, nach der LPT möglicherweise Medikamentenstudien an Ratten gefälscht haben könnte. In dem Beitrag behauptet etwa eine ehemalige Mitarbeiterin des Laborhauptstandorts in Neugraben, sie sei dazu „angehalten worden“, Ergebnisse zur Wirkung von Arzneien „zu verbessern“, wenn diese nicht den Erwartungen der Kunden entsprachen. Ähnlich äußert sich eine weitere ehemalige Mitarbeiterin, die zudem behauptet: „Es wurde den Auftraggebern nicht mitgeteilt, dass da gepfuscht worden ist.“
Demo gegen das LPT-Versuchslabor:
Tausende Teilnehmer bei Demo gegen LPT-Versuchslabor
Als Reaktion hatte die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Strafanzeige gegen die Firma „wegen des Verdachts auf Betrug und aller in Betracht kommenden Delikte“ erstattet. „Die Ereignisse werfen Fragen hinsichtlich der Zuverlässigkeit von LPT auf“, teilte die Behörde mit. Von der Klärung der Vorwürfe werde die Genehmigung weiterer Tierversuchsanträge der Firma abhängen.
15.000 Menschen hatten gegen Tierversuche protestiert
Die gesundheits- und tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg, Christiane Blömeke, erstattete daraufhin ebenfalls Strafanzeige gegen den LPT-Geschäftsführer Jost Leuschner. Es gebe Hinweise auf „ungeheuerliche Missstände“, so Blömeke. Sollten sich diese bewahrheiten, stelle das sämtliche Studien des Betreibers infrage.
„In diesem Zusammenhang ist auch zu befürchten, dass Wirkstoffe auf den Markt gekommen sind, obwohl sie negative Ergebnisse im Tierversuch zeigten“, sagte Blömeke. Es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass billigend in Kauf genommen wurde, Menschen zu schaden“. Ob bei der Razzia auch hierfür nach Belegen gesucht wurde, kommentierte der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Stade nicht.
Zuletzt waren 15.000 Menschen in Hamburg auf die Straße gegangen, um angesichts der Bilder aus Mienenbüttel für ein Ende von Tierversuchen zu protestieren. Tausende Menschen hielten Pappschilder in die Höhe, mit Aufschriften wie: „Wenn Tiere sprechen könnten, würde die Menschheit weinen“ – und mit Appellen wie diesem: „Lasst uns die Tiere aus der Folterkammer holen.“
Labor in Mienenbüttel soll 2020 schließen
Eine Gruppe skandierte: „Schande, Schande, Mörderbande.“ An einer ersten Kundgebung nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatten im Oktober bereits 7000 Menschen teilgenommen. Auch der rot-grüne Senat in Hamburg geriet wegen des Tierversuchlabors am UKE in die Kritik.
Das LPT-Labor in Mienenbüttel soll im Jahr 2020 geschlossen werden. Nach einem Bericht des NDR beabsichtigt LPT aber, zuvor noch eine große Studie für den Pharmakonzern Merck an dem Standort abzuschließen. Der Verein "Soko Tierschutz" hatte Skepsis daran geäußert, dass die Ankündigung umgesetzt werde. "Wir werden nicht innehalten, bis alle drei Labore dichtgemacht werden“, sagte der Vereinsgründer Friedrich Mülln.