Burg/Fehmarn. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident bekam die heftige Ablehnung gegen einen Nationalpark Ostsee deutlich zu spüren.
Für den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten und laut Umfragen beliebten CDU-Politiker Daniel Günther war der Termin auf Fehmarn alles andere als ein Heimspiel: Ein Meer aus Transparenten („Daniel, verrate uns nicht“), Buhrufe ohne Unterlass, Krach von Nebelhörnern, Trillerpfeifen und Sirenen – eine ganz neue Allianz von Bauern, Surfern, Fischern und Vermietern hatte sich in Burg beim Besuch von Daniel Günther gefunden, geeint in der Ablehnung der Nationalpark-Ostsee-Pläne. Den wünscht sich Günthers grüner Koalitionspartner, die CDU ist noch nicht entschieden.
Begleitet von nur drei Sicherheitsleuten, die sich im Hintergrund hielten, suchte Günther (in Jeans und Poloshirt) den Kontakt zu den Menschen, stellte sich im Gedränge den Kritikern, auch wenn kaum etwas zu verstehen war im Getöse des Protests. Im Kino gleich nebenan lief der Film passend zum Auftritt Günthers: „Mission Impossible“, die unmögliche Mission.
Nationalpark Ostsee: Grüne wollen Küste zum Naturschutzgebiet machen
Worum geht der Protest? Der Ostsee geht es miserabel. Dass sehen auch die (meisten) Menschen auf Fehmarn so. Die Frage ist nur: Was tun, um den Zustand wieder zu verbessern? Günthers Koalitionspartner würde am liebsten größere Teile der schleswig-holsteinischen Ostseeküste zum Nationalpark mit strengen Naturschutzregeln erklären.
Seit dem Frühjahr läuft ein vom Umweltministerium gestarteter, ergebnisoffener „Konsultationsprozess“. Würde der Plan umgesetzt wie grob skizziert, Fehmarn würde „umzingelt“ von einem Nationalpark. Lediglich die Tunnelein- und -ausfahrten der neuen Beltquerung blieben ausgespart. Und so ist auf der Insel der Widerstand gegen die Nationalpark-Pläne besonders groß.
Er verstehe diese Sorgen der Menschen „total“, sagte Günther nach einem Treffen mit Kommunalpolitikern. Er versprach den Fehmarnern einen „absolut ergebnisoffenen Prozess“ ohne Vorfestlegungen. „Was soll ich noch mehr machen als Ministerpräsident?“, fragte der Kabinettschef. Nationalpark-Gegner dürften die folgende Günther-Aussage eher hoffnungsvoll interpretieren: Am Ende des laufenden Prozesses werde es einen Vorschlag geben, „für den die Menschen Verständnis haben und der breit getragen wird“.
Nationalpark Ostsee: Fehmarner sind von Plänen nicht begeistert
Was Daniel Günther erwarten würde, hatte Landwirt Carsten Marquardt aus Avendorf schon mal vorab mit Trecker und Pflug klargemacht: „Daniel, wir wollen deinen Nationalpark nicht!“ lautete die Botschaft in meterhohen Buchstaben, gepflügt in den Boden an der Ostsee. „Die Grünen sind der Juniorpartner, Daniel Günther ist der Boss. Er muss die Pläne von Umweltminister Tobias Goldschmidt stoppen“, fordert der 40 Jahre alte Landwirt.
Wie die meisten hier, nimmt Marquardt den Grünen in der Landesregierung nicht ab, ein „ergebnisoffenes Konsultationsverfahren“ gestartet zu haben, wie es Goldschmidt immer wieder betont. Wasser auf die Mühlen der Nationalpark-Kritiker ist dabei eine Stellenausschreibung des Umweltministeriums. Gesucht wird ein Werkstudent für die „Begleitung der Einrichtung eines Nationalparks Ostsee“. Während das Land betont, die Stelle sei geschaffen worden, um das ergebnisoffene Verfahren zu managen, ist für die Insulaner klar: Das Umweltministerium schafft Fakten.
Nationalpark Ostsee: Große Sorge um den Tourismus
Marquardt und seine Mitstreiter befürchten, dass mit einem Nationalpark der Tourismus auf der Urlaubsinsel massiv leiden werde, der Wassersport stark eingeschränkt, das Fischen verboten würde. Während sich der CDU-Landesvorsitzende Daniel Günther ein abschließendes Urteil über Nationalpark-Pläne noch immer offenhält, ist die Union vor Ort entschieden: „Die CDU Fehmarn spricht sich gegen den geplanten Nationalpark Ostsee aus“, heißt es auf der Homepage der Partei.
Die Fraktion hatte sich die Ideen des grünen Umweltministers Tobias Goldschmidt beim Auftakttermin des Konsultationsprozesses angehört, schließlich gehe es der Ostsee „in Teilen nicht sonderlich gut“. Aber ohne wissenschaftliche Erhebungen, Vergleiche oder Erfahrungen könne man ein solches Verfahren „nicht einfach beschließen und der Meinung sein, das wird sicher schon etwas bringen“, heißt es im Internetauftritt der örtlichen CDU.
Nationalpark Ostsee könnte 160.000 Hektar groß werden
Goldschmidt hat für diese Konsultationstermine vor Ort eine „Potenzialkulisse“ entwickeln lassen. Die Schaubilder zeigen einen möglichen Nationalpark Ostsee von rund 160.000 Hektar entlang der Küste. Demnach könnte er von der Flensburger Förde bis südlich von Kappeln reichen, dann könnte es weitergehen in der südlichen Eckernförder Bucht.
Als weitaus größte zusammenhängende Potenzialfläche gilt die östliche Kieler Bucht um Fehmarn herum bis etwa Kellenhusen. Ausgenommen von allen Planungen ist von Anfang an der touristische Hotspot Lübecker Bucht – wegen des erwarteten Widerstands. Das regt die Menschen auf Fehmarn auf. „Ist das der Grundsatz der Gleichberechtigung? Funktioniert so eine Gleichstellung aller Gebiete?“, empört sich die Fehmarner CDU.
Fehmarner CDU ist gegen Nationalpark an der Ostsee
Nicht nur die örtliche CDU – viele Menschen auf Fehmarn befürchten, dass es bei einem zusammenhängenden und weitausgedehnten Schutzgebiet um die Insel „ein Leichtes sei, die Nutzung für den Wassersport und die strandnahen Aktivitäten mit Lärmemissionen zu untersagen“. Das Fazit von Günthers Partei vor Ort: „Fehmarn ist Wassersport … Surfer, Kiter, Angler und SUP-Paddler gehören zum Erscheinungsbild unserer Insel und das schon seit vielen Jahren. Wir werden uns dafür einsetzen, dass dieser Zustand möglichst lang erhalten bleibt, damit Fehmarn eine lebenswerte und lebendig aktive Insel bleiben kann!“
Bei der Kommunalwahl im Mai lag die Freie Wählervereinigung Fehmarn (Motto: Nur der Insel verpflichtet) weit vorn. Erst zehn Prozentpunkte dahinter folgte die CDU, zusammen kamen die beiden entschiedenen Nationalpark-Gegner auf fast 60 Prozent der abgegebenen Stimmen. Auf Antrag von FWV und CDU hat sich die Stadtvertretung auch klar gegen die grünen Pläne positioniert.
Was die Freien Wähler massiv stört: Es gebe bereits viele erfolgreiche Naturschutz-Projekte auf der Insel. Von daher „empfinden wir die bisherige Planung zum einen als respektlos gegenüber den Einwohnern und zum anderen als absolut unverhältnismäßig und nicht nachvollziehbar. Jetzt noch von einem Nationalpark umzingelt zu werden, dessen Hauptaufgabe es ist mindestens 51 Prozent Nullnutzungszonen zu schaffen, kann bei den Bürgerinnen und Bürgern Fehmarns sicher nicht auf Akzeptanz treffen.“
Gegner des Projekts haben Allianz geformt
Tourismusverbände, Kommunalpolitiker, Surfer, Angler und Landwirte von Flensburg bis Lübeck eint die Ablehnung des grünen Lieblingsprojekts. Ihr Protest reißt nicht ab. Nach dem lautstarken Auftritt auf Fehmarn am Donnerstag, soll es am Sonnabend eine Sternfahrt in der Geltinger Bucht geben. Auf der Seite der Nationalpark-Gegner findet sich darüber hinaus die Landes-FDP. So fordert Parteichef Oliver Kumbartzky: „Die Landesregierung muss endlich die Reißleine ziehen und ihre symbolpolitischen Nationalparkpläne versenken.“
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Aus Sicht der Initiative „Freie Ostsee“ verändert ein Nationalpark den schlechten Gesamtzustand der Ostsee nicht. Stattdessen schließe er die Menschen in einem überwiegenden Teil aus der Natur aus. „Wir hoffen, dass die CDU aus dem starken Widerstand entlang der kompletten Ostseeküste einen Handlungsauftrag ableitet. Statt in ein bürokratisches Prestigeprojekt sollte in einen echten und wirksamen Ostseeschutz investiert werden, der zusätzlich den Küstenbewohnerinnen und Küstenbewohnern eine Teilhabe ermöglicht“, sagt Initiativensprecher Björn Brüggemann. Die Gruppierung verschiedener Wassersportler entstand aus einer Petition gegen Sportverbote heraus.
Nationalpark Ostsee: Günther selbst ist nicht von den Plänen überzeugt
Vorangetrieben und unterstützt werden die Nationalpark-Pläne hingegen von Grünen und Naturschutzverbänden. CDU-Landeschef Daniel Günther ist – genau wie Oppositionschef Thomas Losse-Müller von der SPD – noch nicht so sicher, was er von den Plänen halten soll. Klar ist für beide aber: Ein „Weiter so“ dürfe es angesichts der Wasserqualität nicht geben.
„Nichtstun ist keine Option. Wir müssen den Zustand der Ostsee verbessern“, sagt Günther. Der grüne Umweltminister Tobias Goldschmidt formuliert es noch drastischer. Er nennt die Ostsee ein „geschundenes Meer mit Todeszonen, in denen kein Fisch mehr leben kann“.
In wenigen Tagen will das Kieler Umweltministerium das Konsultationsverfahren wieder aufnehmen. Am 1. November ist dann ein sogenannter Verzahnungsworkshop geplant, in den die Ergebnisse der bisherigen Gespräche mit Seglern, Touristikern, Gemeinden, Fischern oder Landwirten einfließen werden. Noch vor Weihnachten will Goldschmidt die Landesregierung über das Projekt Nationalpark Ostsee entscheiden lassen. Diesen Zeitplan nennt man auf Fehmarn „eine Zumutung an die Glaubwürdigkeit der Aussage zur ergebnisoffenen Konsultation!“.