Kiel. Finanziert das Land Schleswig-Holstein seine Krankenhäuser auskömmlich? Erneuter Schlagabtausch im Landtag.
Die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein stehen unter großem Druck. Seit Jahren schon ist das System unterfinanziert. Ein Teil der Kliniken befindet sich längst in einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Lage. So drastisch formulierten es am Donnerstag Politiker nicht nur der Opposition im schleswig-holsteinischen Landtag.
Schon vor der jetzt anlaufenden großen, bundesweiten Krankenhausreform gibt es in Schleswig-Holstein einen Investitionsbedarf in die Kliniken von 628 Millionen Euro.
Landesregierung in SH will 110 Millionen Euro in Kliniken investieren
Die schwarz-grüne Mehrheit will in den kommenden zehn Jahren weitere 110 Millionen Euro in die Kliniken investieren. Genauso viel müssen dann Kreise und Städte bei Bauvorhaben drauflegen. Gestartet wird dieses Jahr aber erst einmal mit zwei Millionen Euro zusätzlichen Investitionen. Das genügt der Opposition bei Weitem nicht, sie greift wegen „dieser Finanzierungslücke“ die schwarz-grüne Landesregierung scharf an. „Was Sie tun, reicht nicht“, sagt der ehemalige Gesundheitsminister Heiner Garg von der FDP.
Aus Sicht von Garg geht es „um nicht weniger als die Sicherung einer guten Versorgung in der Stadt und auf dem Land“. Krankenhäuser bräuchten vor allem Planungssicherheit.
Kliniken in SH: Grüne fordern Lösung des Finanzierungsproblems
Rundum zufrieden mit ihrer Landesregierung scheint auch die grüne Abgeordnete Eka von Kalben nicht zu sein. Sie war es, die von der jahrelangen Unterfinanzierung der Kliniken sprach – obwohl die Grünen seit elf Jahren in Schleswig-Holstein mitregieren. Sie sieht aktuell Schwarz-Grün in der Verantwortung, für die nötigen Investitionen zu sorgen. „Dafür werde ich kämpfen“, kündigte von Kalben an. „Ich erwarte von dieser Regierung eine Lösung des Finanzierungsproblems“, sagte die grüne Politikerin, deren Parteifreundin Monika Heinold die Finanzministerin des Landes ist.
Für die Opposition verlangt Birte Pauls (SPD) eine detaillierte Bedarfsanalyse von der Landesregierung. Pauls fordert eine Schleswig-Holstein-Karte, in der eingezeichnet werde, in welcher Klinik welche Fachrichtung vorgehalten und wo was gestrichen werde. Die SPD-Politikerin warnt davor, die Klinikkonzerne entscheiden zu lassen, an welchem Standort welche Fachrichtung angeboten werde. „Eine Planung muss die Bevölkerungsentwicklung in den Blick nehmen. Das ist bei einer älter werdenden Bevölkerung wichtig aber auch bei den ansteigenden Geburtenzahlen. Pauls fordert eine „Grund- und Regelversorgung samt Notfallversorgung und Geburtshilfe in erreichbarer Nähe“ der Menschen in Schleswig-Holstein.
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"Risiken für die Versorgungssicherheit in Schleswig-Holstein"
Hintergrund ist die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angeschobene Strukturreform der Krankenhäuser. Um deren Folgen sorgt sich auch Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken. Die CDU-Politikerin sieht „erhebliche Risiken für die Versorgungssicherheit in Schleswig-Holstein“. Das sagte die Ministerin dieser Tage im Sozialausschuss. Konkret könne die Umsetzung der Reform ganze Kliniken betreffen und „ausbluten lassen“, wie es Asklepios befürchtet. Zudem droht rund ein Drittel der Geburtsstationen in schleswig-holsteinischen Krankenhäusern gestrichen zu werden. Experten in den Krankenkassen rechnen bundesweit 100 Milliarden Euro Investitionsbedarf in den Umbau der Kliniken, sollten Lauterbachs Pläne konkret werden.
Eigentlich übernehmen Bundesländer und Kommunen die Investitionen in Bau, Umbau und Sanierung von Kliniken zu gleichen Teilen. Nur: Die (zusätzlichen) Kosten für die Lauterbach-Reform würden Länder, Kreise und Städte überfordern. Und so sehen alle Parteien im Kieler Landtag den Bund in der Pflicht, die Folgen seiner Reform auch zu finanzieren.
Laut Gesundheitsministerin von der Decken litten die Kliniken schon länger unter einem überholten Finanzierungssystem für die Betriebskosten, dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel sowie den zunehmenden Qualitätsanforderungen und Dokumentationspflichten. Sozusagen on top seien unerwartet neue Herausforderungen gekommen, die die Lage im Gesundheitswesen weiter verschärften: die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, die Inflation, sagte von der Decken.
Mehr als eine Milliarde Euro bereitgestellt und es braucht noch mehr
Um die Lage der Krankenhäuser zu verbessern, seien zahlreiche Maßnahmen erforderlich, sagte die Ministerin. So stelle das Land für kleinere Baumaßnahmen der Krankenhäuser in diesem Jahr 44,7 Millionen Euro zur Verfügung, sagte die CDU-Politikerin. Für größere Baumaßnahmen greife man auf das sogenannte Zweckvermögen oder das „Impuls-Programm“ zurück. „Aus dem Impuls-Programm sind seit 2016 über eine Milliarde Euro zusätzlich bereitgestellt worden.“ Das Land und die Kommunen hätten also in den vergangenen Jahren erheblich in die Krankenhäuser investiert. Allerdings, räumte von der Decken ein, sei der Investitionsbedarf weiter gestiegen. „Wie die Vorgängerregierungen, werden wir daher zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen.“
Während SPD-Gesundheitsexpertin Birte Pauls die von Schwarz-Grün für 2023 zugesagten zusätzlichen Investitionen von zwei Millionen Euro für viel zu gering hält („Ich habe zuerst gedacht, da hat jemand eine Null vergessen“), hat der SSW ein grundsätzliches Problem ausgemacht: So hält die Partei der dänischen Minderheit die Privatisierung der Gesundheitsversorgung für komplett falsch. „Hier geht es um eine Daseinsvorsorge und nicht um Profit oder eine Ware. Und deshalb müssen wir die Kliniken zurückführen in öffentliche Hände“, sagte Jette Waldinger-Thiering vom SSW.