Kiel. An Nord- und Ostsee gibt es so viele Angebote wie lange nicht. Inflation und Krieg sorgen allerdings für eine “Mikado-Situation“.

„Landhaus unter Reet“ mit Nordseeblick für 1,3 Millionen Euro, ein Einfamilienhaus in Ostseenähe für 335.000 Euro bei Grömitz oder ein Ferienhaus an der Ostsee inmitten eines Ferienparks mit Dünenlandschaft auf dem Priwall für knapp unter einer Million Euro: Wer in diesen Tagen in Immobilienportalen nach Ferienhäusern und -wohnungen an Nord- und Ostsee zum Kauf schaut, erlebt eine Überraschung – nicht nur, was die hohen Preise angeht: Die schiere Zahl der Angebote erscheint so hoch wie lange nicht mehr. Tatsächlich werden in Schleswig-Holstein und in der Küstenregion derzeit vermehrt Immobilien zum Verkauf angeboten.

„Wir registrieren einen Anstieg bei den Immobilienangeboten für Wohnobjekte in Schleswig-Holstein“, sagt Thomas Müller von der Immobilienfirma Engel & Völkers­ auf Föhr und Amrum. Auch Jens Hillbrunner, Geschäftsführer von Engel & Völkers in Timmendorfer Strand, kann das für seine Region beobachten. Das Angebot sei in einigen Bereichen, etwa bei Neubauvorhaben, größer geworden.

Ferienhaus kaufen – der Aufwärtstrend ist vorbei

Zu beobachten sei außerdem, dass Wohnimmobilien teilweise länger auf dem Markt sind, da aktuell im Durchschnitt weniger Interessenten auf eine Immobilie kommen. Denn: Nach einem jahrelangen Aufwärtstrend spüre mittlerweile auch der Immobilienmarkt in Schleswig-Holstein die Auswirkungen der derzeitigen Lage. Grund sind die hohen Preise und eine große Unsicherheit aufgrund von Inflation und Ukraine-Krieg.

„Viele Käufer haben den Kauf vom eigenen Haus oder der eigenen Ferienimmobilie im Moment erst einmal aufgeschoben“, berichtet Immobilienmakler Johannes Möllerherm. „Zum einen, da die Zinskosten so stark gestiegen sind, dass sich viele eine so hohe Rate nicht mehr leisten können oder wollen. Zum anderen aufgrund der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Kosten für Heizung, Strom und Lebenshaltungskosten aufgrund der Inflation.“ Der Immobilienmarkt sei unheimlich „träge“.

"Mikado-Situation" am Immobilienmarkt

Die abwartende Haltung von Käufern führt im Moment dazu, dass das Immobilienangebot in einigen Märkten zunimmt, insbesondere im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren, und sich Angebote geradezu stauen. „Auf der Käuferseite besteht ein erhöhtes Interesse daran, die Angebotspreise zu verhandeln, während die Verkäufer aufgrund der hohen Inflation die Angebotspreise durchsetzen möchten. Wir befinden uns derzeit in einer ,Mikado-Situation‘, deren Ende offen ist“, so Müller.

Wie beim Mikado-Spiel sind beide Seiten momentan wenig bereit, sich zu bewegen und beim Preis aufeinander zuzugehen. Keine angenehme Situation für Immobilienmakler.

Verkäufer wollen Preise nicht senken – noch nicht

„Eigentümer, die Ihre Immobilie verkaufen wollen, wissen natürlich, was Bekannte oder Nachbarn in der Vergangenheit für ihre Immobilie erzielt haben, und sind eventuell schon seit mehreren Jahren auf einen bestimmten Preis oder eine bestimmte Wertvorstellung von der eigenen Immobilie psychologisch ,eingeschossen‘“, so Johannes Möllerherm.

Die Einsicht, dass dies nun nicht mehr erzielt werden könne, komme meist erst, nachdem man mehrere Monate erfolglos versucht habe, die Immobilie zu verkaufen. Hinzu komme, dass Eigentümer nicht unbedingt mit dem Preis heruntergehen müssen, da viele von ihnen keinen Zeitdruck hätten – insbesondere nicht bei Ferienimmobilien, da diese Zweitwohnungen sind.

Auch Eigentümer möchten mit dem Verkauf und Erlös der Immobilie ihr Leben verändern. „Die Preise werden erst stärker sinken, wenn auch Eigentümer diese Wünsche nicht weiter aufschieben und die Immobilie nun wirklich loswerden möchten.“

Das Traumhaus am Meer ist kein Schnäppchen

Zwischen 5000 und 8000 Euro pro Quadratmeter muss man zurzeit immer noch mindestens für eine Immobilie in den Küstenorten ausgeben, so Johannes Möllerherm. „Bei Ferienimmobilien kommt natürlich auch die Rendite der Ferienvermietung mit ins Spiel, welche die Preise hoch hält. Die Vermietungszahlen sind aktuell sehr gut, die Preise pro Übernachtung steigen.“

Wer also meint, beim Kauf des Traumhauses am Meer ein Schnäppchen machen zu können, wird enttäuscht. „Die Preise haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Die nochmaligen Steigerungen der Preise während der Pandemie waren exorbitant“, sagt Thomas Müller. Andererseits könnten Verkäufer nicht mehr unbedingt auf den angedachten Verkaufspreis pochen, meint Thomas Müller von Engel & Völkers. Ohne Preiszugeständnisse seien Häuser und Wohnungen derzeit nur schwerer zu verkaufen. „Verkäufer müssen von diesem sehr hohen Niveau im Einzelfall Preiskorrekturen zwischen fünf und 15 Prozent akzeptieren.“ Von einem „Platzen“ einer Blase könne aber keinesfalls die Rede sein.

Gerade in Schleswig-Holstein ist die Preisspanne groß. Sylt etwa müsse als Markt gesondert betrachtet werden, weil die Insel selbst im deutschlandweiten Vergleich mit die Spitze abbildet, sagt Zoran Vujovic, Leiter des Geschäftsfelds Kapitalanlagen (KAT) bei Grossmann & Berger. "Orte wie Sankt Peter-Ording oder Büsum sind derweil ebenfalls im oberen Preissegment angekommen. Wir beobachten außerdem, dass Schleswig-Holstein zunehmend in den Fokus von Kaufinteressenten aus Süddeutschland gerückt ist."

Ferienhaus: Zahl der Privatverkäufe nimmt drastisch ab

Das Angebot bleibe knapp, die Nachfrage weiterhin stark, und die Preise seien nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Thomas Müller sagte: „Kaufinteressenten erhalten jedoch über die größere Breite des Angebots eine bessere Möglichkeit, in den Markt einzutreten.“

Sein Kollege Wolfgang Ullrich, Geschäftsführer LBS Immobilien GmbH, stellt zudem fest, dass die Zahl der Privatverkäufe drastisch abgenommen habe und viele Objekte wieder in die Vermarktung durch Makler gegeben werden. „Allein­ dadurch tauchen in der Öffentlichkeit plötzlich mehr Objekte auf, da die Makler ihre Objekte natürlich bewerben.“