Bruchhausen-Vilsen. Männerdomäne Dampflok? Insa Drechsler-Konukiewitz tritt den Gegenbeweis an. Unterwegs mit einer Lokführerin aus Leidenschaft.
„Ruhig, alte Dame, ruhig!“ Mit schwarzer Kappe auf dem Kopf steht Insa Drechsler-Konukiewitz an zwei großen Hebeln im Führerhaus einer historischen Dampflok. Gerade hat die rund 120 Jahre alte Schmalspurbahn im Landkreis Diepholz Halt in Heiligenberg gemacht. Beim Anfahren „schleudern“ die Räder, wie Drechsler-Konukiewitz sagt.
Von den nassen Herbstblättern und der feuchten Luft hat sich ein Schmierfilm auf den Schienen gebildet, die Räder der Museumsbahn drehen durch. „Ich glaube, ich brauche ein bisschen Sand“, sagt sie zu ihrem Heizer. Er lässt aus einem Kasten in der Lok Sand auf die Schienen fallen und die Fahrt geht weiter. „Dampflokfahren ist viel Gefühlsarbeit“, sagt die 50-Jährige.
Deutsche Lokführerinnen verbünden sich
Die Bremerin ist eine von sehr wenigen weiblichen Dampflockfüherinnen in Deutschland. Drechsler-Konukiewitz kennt zwei weitere, sie selbst arbeitet ehrenamtlich bei der Museumseisenbahn in Bruchhausen-Vilsen.
Dazu kommt bundesweit eine handvoll Heizerinnen, die dafür zuständig sind, dass während der Fahrt genügend Kohle in den Kessel geschaufelt wird. Für die acht Kilometer lange Strecke von Bruchhausen-Vilsen nach Asendorf und wieder zurück werden fünf Zentner Kohle verfeuert, um genügend Dampf für den Antrieb zu erzeugen.
In diesem Jahr haben sich Frauen aus ganz Deutschland, die in der von Männern dominierten Domäne agieren, das erste Mal getroffen. „Es war so schön, sich auszutauschen. Ich arbeite gerne mit Männern zusammen, aber mit Frauen unterhält man sich anders“, sagt Drechsler-Konukiewitz.
Der Verband Deutscher Museums- und Touristikbahnen geht von rund 150 Dampflokomotiven aus, die aktuell oder demnächst wieder aktiv fahren. „Das Hobby Museumsbahn wird maßgeblich von Männern betrieben“, sagt Vorstand Frauke Lehmann. Aber das Interesse bei Frauen steige langsam.
Lokführerin: „Ich war selber überrascht von mir“
Als Insa Drechsler-Konukiewitz mit 15 Jahren zum ersten Mal das Zischen einer historischen Dampflok hörte, war das der Beginn einer großen Leidenschaft. „Ich war so fasziniert“, sagt sie. „Ich war selber überrascht von mir.“
Sie kam fortan jedes Wochenende von Bremen nach Bruchhausen-Vilsen, wo in den Sommermonaten und im Advent an den Wochenenden die Museumszüge fahren. Sie legte überall mit Hand an: Hähne fetten, Kessel schleifen, Lager einstellen, Teile von Kohlenstaub reinigen. „Da wird man schnell dreckig“, sagt sie. Auch an diesem Tag im Führerhaus der Dampflok sind ihre Hände schwarz. „Zweimal gut abgewaschen, dann ist das wieder weg“, sagt sie lachend.
Kein Klavierunterricht wegen schmutziger Hände
Stück für Stück arbeitete sie sich in ihrer Freizeit über die Heizerausbildung weiter nach oben, machte mit 26 Jahren ihre Lokführerprüfung. „Ich kann mich für Dinge begeistern, und dann stehen einem auch Dinge offen“, sagt sie. Zögerlich dürfe man dabei nicht sein. „Man muss sich auch was zutrauen. Das sind historische Maschinen, bei denen man mit wenig Aufwand viel kaputt machen kann.“
Beruflich aber wollte sie einen andern Weg gehen. „Es war schnell klar, dass ich Lehrerin werden will“, sagt sie. Sie studierte Geografie und Musik, letzteres ist eine weitere Leidenschaft von ihr. Als Jugendliche war ihr allerdings schnell klar, dass sie den Klavierunterricht nicht montags haben durfte – da waren ihre Hände von der groben Arbeit am Wochenende an der Lok noch nicht bereit für den filigranen Tastendruck.
Drechsler-Konukiewitz bildet Eisenbahner aus
Inzwischen ist die Mutter von zwei Kindern seit fünf Jahren in Bremen Lehrerin an einer Berufsschule: Sie bildet Eisenbahner aus. „Ich gehe darin total auf. Ich kann dabei meine Leidenschaften Eisenbahn und Pädagogik verbinden.“
Auch auf der Museumseisenbahn bildet sie aus – ehrenamtlich in ihrer Freizeit: Einmal im Jahr bietet der Deutsche Eisenbahn-Verein einen Wochenendkurs an. Vor allem Männer belegen die Workshops.
Nicht nur die gucken manchmal irritiert, wenn sie eine Frau auf der Dampflok sehen, auch von männlichen Fahrgästen muss sie schon mal einen Spruch anhören. „Wie kommen Sie als Frau zur Museumseisenbahn?“ Auf diese Frage hat Drechsler-Konukiewitz eine einfache Antwort: „Mit dem Auto.“
Gemeinsame Leidenschaft mit Mann und Sohn
Mit ihrem Ende 2012 verstorbenen Mann, dem ehemaligen Vorstandschef der Bremer Straßenbahn AG Georg Drechsler, teilte sie ihr Hobby. „Er war ein leidenschaftlicher Straßen- und Eisenbahner“, sagt sie. Inzwischen zeigt auch ihr elfjähriger Sohn Interesse an der Arbeit rund um die Museumsbahn.
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Auch Touristen lieben die Fahrten, besonders im Advent, wenn der Nebel mystisch die Szenerie ummantelt wie in einem historischen Film. „Das hat auch was von Idylle, hier ist es nicht grell und laut und bunt, hier leuchten Petroleumlampen in den Waggons.“
Laut allerdings wird es auch hier: Immer wieder betätigt Drechsler-Konukiewitz die Dampfpfeife, um Autofahrer an Kreuzungen auf ihre Vorfahrt aufmerksam zu machen oder die Abfahrt aus dem Bahnhof einzuläuten. Für Drechsler-Konukiewitz ist das der Sound ihrer Leidenschaft.