Kiel. Schwarz-Grüne Regierung: Bürgerbegehren werden in Schleswig-Holstein schwieriger, Planungen und Umsetzung sollen schneller werden.

Schleswig-Holstein fährt die Bürgerbeteiligung , also die direkte Demokratie, deutlich zurück. Das zuständige Innenministerium hat Änderungen beim Kommunalrecht ausgearbeitet mit dem Ziel, Bauplanungen deutlich zu beschleunigen, schnellere Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen und Verfahrensverschleppungen zu verhindern. Für die CDU-Fraktion kündigte deren Vorsitzender Tobias Koch an, den entsprechenden Gesetzentwurf gemeinsam mit den Grünen im November in den Landtag einzubringen.

Schleswig-Holstein: Schwarz-Grün streicht Generalklausel

Eine noch weitergehende Vereinbarung, auf die sich Grüne und CDU ursprünglich in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt hatten, wird aber wieder einkassiert: Schwarz-Grün streicht die sogenannte Generalklausel. Die hätte es ihr erlaubt, Bürgerbegehren, die sich gegen die Grundinteressen des Landes richten, komplett zu verbieten, also beispielsweise Begehren gegen Infrastruktur- oder Klimaprojekte. „Da sind wir noch einmal in uns gegangen“, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) am Freitag.

Während die Generalklausel nicht nur Opposition und Verbänden, sondern am Ende selbst den Regierungspartnern zu weit ging, wollen diese mit Beschränkungen bei Bürgerbegehren vor allem den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigen und Investitionen erleichtern. Deshalb werden Begehren verboten, wenn der Beschluss im Gemeinderat mit breiter Mehrheit getragen wird. Ein Beispiel: Sagt der Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit Ja zur Ansiedlung eines Windparks, darf es dagegen kein Bürgerbegehren mehr geben. Damit, so Sütterlin-Waack, schaffe man Rechtsfrieden und stärke die kommunale Selbstverwaltung.

Schleswig-Holstein: Bürgerbegehren werden eingeschränkt

Die nächste Einschränkung: Bürgerbegehren müssen schneller eingereicht werden. Das Beispiel dazu: Ein Unternehmen will sich ansiedeln. Der Gemeinderat sagt Ja. Das Unternehmen steigt dann in die konkrete Planung und Umsetzung ein. Bislang kann die fortgeschrittene, teure Planung noch viele Monate später von den Bürgern gestoppt werden. Künftig muss spätestens drei Monate nach Beschluss der lokalen Politiker das Bürgerbegehren auf dem Weg sein, sonst hat der Investor Rechtssicherheit.

Was das Land zudem verhindern will, ist, dass ein Bürgerbegehren auf das nächste folgt – alle zum gleichen Thema; dass es beispielsweise im ersten Bürgerbegehren erst ein Ja zu einem Solarpark gibt, um es im nächsten Begehren schon wieder auszuhebeln. Um das zu verhindern, führt das Land eine „Sperrfrist für Wiederholungsbegehren“ ein. Das heißt, dass frühestens drei Jahre nach einem Entscheid der Bürger das nächste Begehren zum selben Thema gestartet werden darf. Und in dieser Zeit dürfte der Investor längst Fakten geschaffen haben.

FDP wirft Regierung "Demokratieabbau" vor

Für die FDP kritisierte Oliver Kumbartzky den Regierungsplan scharf: „Statt des versprochenen Bürokratieabbaus liefert Schwarz-Grün Demokratieabbau.“ Die geplanten Änderungen seien ein schmutziger Deal zwischen CDU und Grünen zulasten der Bürger und kleinen Fraktionen. Immerhin habe die Koalition auf Druck der Opposition einen zentralen Teil ihres Koalitionsvertrages zurückgenommen – die Generalklausel. „Anscheinend fühlten sich einige Vertreter der Koalition selbst nicht ganz wohl mit den geplanten Änderungen.“

CDU-Fraktionschef Koch verspricht sich von den Neuregelungen einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung von Planungsverfahren. „Unser Ziel, Schleswig-Holstein zum ersten klimaneutralen Industrieland zu machen, werden wir nur dann erreichen, wenn wir den Hemmschuh unvorstellbar langer Planungsverfahren beseitigen.“

Grüne will schneller in Planung und Umsetzung werden

Die SPD treibt das auf die Zinne: „Dass die CDU weiterhin den Unfug verbreitet, dass kommunale Bürgerbegehren und nicht etwa die eigene Politik den mangelnden Ausbau der Windenergie oder den Stillstand bei der A20 zu verantworten haben, soll die Menschen bewusst hinter die Fichte führen.“ Das sagte deren Abgeordneter Kai Dolgner.

Für die Grünen überwiegen die Vorteile der Kommunalrechtsänderung: „Wir müssen unbedingt schneller bei Planung und Umsetzung von Vorhaben werden, um vor allem die Unabhängigkeit von Gas und Öl so schnell wie möglich zu erreichen“, teilte die Fraktion mit.

Höhere Mindestgröße der Fraktionen sorgt für Ärger

Protest regt sich in der Opposition vor allem gegen den Plan, die Mindestgröße für Fraktionen in größeren Gemeindevertretungen und Kreistagen hochzusetzen, um eine Zersplitterung in Grüppchen zu verhindern. Künftig sollen Kommunen mit Gemeindevertretungen von 31 oder mehr Mitgliedern (in der Regel sind das Orte mit mehr als 25.000 Einwohnern) selbst entscheiden dürfen, ob Fraktionsstatus schon ab zwei oder erst ab drei Menschen besteht.

Was nach Haarspalterei klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Kommunalpolitik soll so einfacher, schneller und planbarer werden. Ein Beispiel ist die Bürgerschaft von Lübeck, in der aktuell zehn Fraktionen miteinander ringen. „Gerade in Städten mit mehreren Kleinstfraktionen dauern – ausgelöst durch eine Vielzahl zu behandelnder Anträge und Wortbeiträge – Sitzungen oft bis in die späten Abendstunden.“ Das belaste die ehrenamtlichen Mandatsträger erheblich, sagte die Innenministerin.

Buchholz spricht von "Anschlag auf die Demokratie"

Die Änderung betrifft kleinere Parteien ungleich stärker als CDU, Grüne oder SPD. Und so hatte der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz schon im September vor den Plänen gewarnt und vor allem die Grünen als ehemalige Kämpfer gegen die Fünf-Prozent-Hürde angegriffen: „Hier findet etwas statt, was ein echter Anschlag auf die Demokratie in unseren Kommunalparlamenten ist. Hier findet Demokratieabbau statt“, sagte Buchholz.