Lüneburg/Hamburg. Streit um das Grundwasser in der Nordheide geht vor Gericht: Hamburger wollen mehr Rechte, Umweltschützer wollen das verhindern.

Das Grundwasser aus der Nordheide ist wegen seiner hohen Qualität äußerst begehrt. Sechs Klagen zur Belieferung von Wasser aus der Heide nach Hamburg verhandelt das Verwaltungsgericht Lüneburg seit Mittwoch. Der Prozess in der Ritterakademie beschäftigt sich mit der Frage, ob die Hansestadt zu viel Grundwasser bekommt. Der Streit um die ökologischen Folgen schwelt seit Jahren. Die Hamburger Wasserwerke wenden sich in dem Verfahren gegen die 2019 für 30 Jahre erteilte sogenannte gehobene Erlaubnis im Landkreis Harburg und möchten eine Bewilligung erreichen, die schwieriger zu widerrufen ist.

Etwa zwölf bis 13 Prozent des Hamburger Bedarfs werden aus der Heide gedeckt, versorgt wird vor allem der Westen der Hansestadt mit den Stadtteilen Altona und St. Pauli. 24 Prozent kommen aus Schleswig-Holstein, wie ein Sprecher von Hamburg Wasser bestätigte. „Wir wünschen uns die Bewilligung wegen des Versorgungsauftrags, den wir haben“, sagte der Sprecher.

Prozess: Hamburg will mehr Wasser aus der Heide – Umweltschützer klagen

Bis 2004 durfte Hamburg jährlich bis zu 27 Millionen Kubikmeter Wasser in der Heide fördern. Danach gab es nur einen vorläufigen Zwischenbescheid als Grundlage. Der neue Antrag beläuft sich auf eine maximale Jahresmenge von 18,4 Millionen Kubikmetern. Der Kreis Harburg genehmigte eine durchschnittliche jährliche Wasserentnahme von 16,1 Millionen Kubikmetern. Höhere jährliche Wassermengen sind bis maximal 18,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr möglich. Diese müssten dann jedoch durch niedrigere Mengen in anderen Jahren ausgeglichen werden.

Die fünf weiteren Klagen – darunter vom Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen (LBU) – richten sich gegen die umfangreiche Erlaubnis. Eigentümer landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Flächen gehören ebenso zu dem Kreis und argumentieren, dass Bäche und Flüsschen in der Heide austrocknen könnten.

Droht der Heide die Austrocknung? So viel Wasser bekommt Hamburg aus Niedersachsen

Wegen des Klimawandels mit trockenen Sommern ist es aber schwierig zu ermitteln, wie stark und ob überhaupt die Brunnen zur Förderung des Wassers den Effekt beschleunigen. Trockenschäden gebe es überall in Niedersachsen, führte auch der Richter Thomas Pump in der zum Gerichtssaal umfunktionierten Ritterakademie an. Für den Prozess mit vielen Verfahrensbeteiligten sind drei Tage angesetzt.

Weil Hamburg wächst, rechnet Hamburg Wasser in Zukunft mit einem höheren Bedarf – schon jetzt können nur zwei Drittel des Bedarfs auf dem Gebiet der Hansestadt gefördert werden.

Hamburg Wasser wehrt sich gegen "gehobene Erlaubnis"

Das Unternehmen will deswegen eine „Bewilligung“ – die höchste Form des Wasserrechts. Der Landkreis Harburg hat aber eine „gehobene Erlaubnis“ erteilt. Das Problem aus Sicht des Hamburger Wasserversorgers: Die Genehmigungsbehörde kann die Erlaubnis jederzeit einschränken beziehungsweise ohne Entschädigung widerrufen. Die „gehobene Erlaubnis“ berge damit große Unsicherheiten für die Versorgungssicherheit der Hamburger.

Die bis zu 18,4 Millionen Kubikmeter, die Hamburg Wasser jährlich fördern möchte, entsprächen dem Bedarf, den ein externer Gutachter – vom Instituts für sozialökologische Forschung (ISOE) aus Frankfurt – prognostiziert habe, so das Unternehmen. Für den Betrieb sei zudem Investitionssicherheit erforderlich, hieß es. Denn die Anlagen müssten in den kommenden Jahrzehnten für viele Millionen Euro modernisiert werden.

Grundwasser ist bereits seit Monaten Streitthema

Der Streit um das Heidewasser geht mit der Klage in die nächste Runde. Die Verantwortlichen bei Hamburg Wasser sind überzeugt: Das Urteil hat Signalwirkung weit über Hamburg hinaus. Schließlich gehe es bei der Trinkwasserversorgung um die öffentliche Daseinsvorsorge.

Das Thema Wasser hat in den vergangenen Monaten in Lüneburg ohnehin für viel Unruhe gesorgt. Immer wieder protestierten Bürgerinitiativen gegen einen dritten Brunnen des Getränkekonzerns Coca-Cola zur Förderung von Grundwasser aus tiefen Gesteinsschichten. Nach umfangreichen Testbohrungen im Frühjahr werden nun die Ergebnisse evaluiert. Der Landkreis ist für die Genehmigung zuständig. Coca-Cola unterhält mit seinem Tochterunternehmen Apollinaris in Lüneburg bereits zwei Brunnen für das Abfüllen von Mineralwasser.