Kreis Harburg. Für die Zukunft braucht es ein Konzept. Was die Politik jetzt beschließen will und worum es im Streit vor Gericht mit Hamburg geht.

Noch gibt es genug Wasser im Landkreis Harburg. Denn die norddeutsche Tiefebene zählt zu den Gebieten mit dem höchsten Grundwasserbeständen bundesweit. Doch was wird in der Zukunft? Der Landkreis Harburg und Hamburg Wasser streiten bereits ums Wasser – sogar vor Gericht. Zudem sind die Preise für Trinkwasser Anfang des Jahres nach mehreren Jahren wieder gestiegen. Wasser wird zum Thema.

Rein rechnerisch wirkt die Lage entspannt. Nur im Dürrejahr 2018 rückte die Förderung mit gut 41 Millionen Kubikmeter zuletzt eng an die Höchstmenge von 42,8 Millionen Kubikmeter heran. Dagegen brauchten 2019 und 2020 jeweils rund fünf Millionen der 43,9 beziehungsweise 43,8 Millionen zugelassenen Kubikmetern nicht genutzt werden. Zudem blieb für jedes Jahr noch eine Reserve von 15,4 Millionen Kubikmetern. Doch Kreisrat Josef Nießen sieht darin keinen Grund zur Entwarnung. „Auch im Kreis Harburg sinkt der Wasserspiegel im Boden ab“, weiß Nießen, der in der Verwaltung das Thema Wasser verantwortet.

Startschuss für ein Konzept im Kreistag Ende Juni

Zeit für ein Wasserbewirtschaftungskonzept: Darin sind sich Verwaltung und Politik einig. Der Startschuss soll im Kreistag am 30. Juni fallen. Der Grundsatzbeschluss gilt dabei als sicher, weil die Entscheidung schon im Umweltausschuss Ende April einstimmig ausfiel.

Vorgesehen ist eine Beteiligung von Politik, Wissen- und Landwirtschaft, Gewerbe, Verbänden und Umweltinitiativen, die mitreden sollen. Der Gewässerkundliche Landesdienst, der das Messstellennetz betreibt, soll ebenfalls vertreten sein. Der Kreis, bei dem die Federführung für das Konzept liegt, lässt neben der Wasser- auch die Untere Naturschutzbehörde sowie die Stabsstellen Klimaschutz und Kreisentwicklung in die Beratungen einscheren. Zudem einen Runden Tisch zu installieren, halten Nießen und Gunnar Peter, der Abteilungsleiter Boden/Luft/Wasser, vor diesem Hintergrund nicht für notwendig.

Wasserangebot und Nachfrage über die Jahrzehnte abfragen

Vereinfacht gesagt: Es geht in dem Konzept darum, Angebot und Nachfrage ab 2030 bis 2070 zu berechnen und auf den Bedarf der tendenziell weiter wachsenden Bevölkerung in der Region und der Landwirtschaft abzustimmen. Das Vorgehen ist darauf ausgerichtet, vor allem die Folgen von Wasserentnahmen auf die Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete im Landkreis zu betrachten. Schließlich umfassen diese Gebiete mehr als 44.000 Hektar und damit mehr als 35 Prozent der gesamten Fläche des Kreises Harburg.

Zudem sollen Vorschläge wie beispielsweise von den Liberal-Konservativen Reformer (LKR) geprüft werden. Sie fordern ergänzend zum Grundwasser aufbereitetes Elbwasser für die Beregnung von Feldern zu verwenden. Eine weitere Idee: Aufbereiten von Abwasser.

Computermodell des Beregnungsverbandes wird verwendet

Als Rechengrundlage greift der Kreis auf das Computermodell zurück, das der Beregnungsverband Harburg entwickelt hat. Er hatte zuletzt eine jährliche Wassermenge von 12,5 Millionen Kubikmeter für die Felder gefordert (Abendblatt berichtete). Das entspricht Immerhin gut einem Viertel der derzeitig festgesetzten nutzbaren Wassermenge.

Für das Konzept sollen Fördermittel vom Land sowie vom Bund eingeworben werden. „Eine solches Programm hat es niedersachsenweit 2020 schon gegeben. Es soll fortgeschrieben werden“, sagt Kreisrat Nießen. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz arbeitet zudem an einem Erlass für Grundwasserbewirtschaftung, der 2023 greifen soll.

Preis für Trinkwasser ist zum Jahresbeginn gestiegen

Nachdem der Verbrauch von Trinkwasser 1990 bundesweit noch bei 149 Litern pro Kopf und Tag lag und bis 2017 auf 123 Liter sank, gab es 2020 eine Trendumkehr auf 129 Liter. Zwar erhöhte etwa der Wasserbeschaffungsverband Harburg zum Jahresbeginn die Preise von 95 Cent pro Kubikmeter (1000 Liter) auf 1,05 Euro. Für die Elbmarsch ergab sich ein Plus von 90 Cent auf 1,07 Euro. Doch solche Steigerungen dürften nach jahrelanger Konstanz kaum Auswirkungen auf den Verbrauch haben. Abwasser ist erheblich teurer.

Politisch umstritten bleibt weiter die Abgabe von Grundwasser aus der Lüneburger Heide an den Versorger Hamburg Wasser. Ende März 2019 hatten die Kreispolitiker zwar für eine gehobene Erlaubnis gestimmt. Doch die Menge von 16,1 Millionen Kubikmeter pro Jahr, die für 30 Jahre gilt, reicht Hamburg Wasser nicht. Zwar darf die Förderung in einzelnen Jahren auf bis zu 18,4 Millionen Kubikmeter steigen. Der Überschuss muss aber in späteren Jahren kompensiert werden. Die Hamburger klagen nun seit Anfang Mai 2019 vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg.

Hamburg Wasser ist nicht zufrieden und klagt

Der Hamburger Versorger moniert, dass es die neue Erlaubnis nicht die Rechtssicherheit einer festgeschriebenen Bewilligung biete. Zudem führt Hamburg Wasser an, dass mit der geplanten Reaktivierung der Brunnen von Schierhorn die Förderung wieder stärker über das Einzugsgebiet verteilt werde.

In den Jahren von 1974 bis 2004 hatte Hamburg Wasser aus drei Brunnengebieten mehr als 20 Millionen Kubikmeter fördern können. „Der Versorgungsauftrag ist von übergeordnetem öffentlichen Interesse“, schreibt Sprecher Ole Braukmann in einer Stellungnahme. „Weil wir nicht nur die Hamburger Verbraucher versorgen, sondern auch gut 320.000 Menschen, die täglich nach Hamburg kommen, um dort zu arbeiten und dadurch zum Wasserbedarf in Hamburg beitragen – viele davon aus den Landkreisen Harburg, Heidekreis und Lüneburg.“ Die beantragte Fördermenge sei beim Grundwasserdargebot, der Umweltverträglichkeit und des Trinkwasserbedarfs nachgewiesen und für eine wachsenden Stadt unverzichtbar.

Fünf Kläger wollen, dass weniger Wasser gepumpt wird

Das sieht der Landkreis anders. Zudem gibt es fünf weitere Kläger, zu denen auch die Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide (IGN) zählt. Sie alle wollen jedoch, dass nicht mehr, sondern weniger Grundwasser aus dem Erdreich gepumpt wird. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus. Allerdings gibt es derzeit Terminabsprachen, um am 5. und 6. Oktober über die Klagen zur gehobenen Erlaubnis zu verhandeln, wie das Gericht mitteilte. Zuständig ist die sechste Kammer, zu der neben dem Vorsitzenden Thomas Pump zwei weitere hauptamtliche und zwei ehrenamtliche Richter gehören.

Der Landkreis Harburg sieht seinen Beschluss nicht nur politisch, sondern auch wissenschaftlich durch externe Fachgutachter abgesichert. Kreisrat Nießen sagt: „Wir sind gut auf die mündliche Verhandlung vorbereitet.“