Westerland. Corona verlangt den Ferienzielen an Nord- und Ostsee viel ab. Start einer neuen Abendblatt-Reihe. Teil 1: Nikolas Häckel.

Seit fünf Jahren ist er Bürgermeister der Gemeinde Sylt. Vermutlich Deutschlands schönster Bürgermeisterjob, weshalb Nikolas Häckel damals auch nicht einfach so ins Rathaus hineinsurfen konnte. Mit der ehemaligen Fürther Landrätin Gabriele Pauli gab es schillernde Konkurrenz. Doch Häckel, in Westerland geboren, gewann: Punktsieg für den Einheimischen.

Seitdem ist der kinderlose 46-Jährige für Westerland, Tinnum, Keitum, Achsum, Munkmarsch und Rantum zuständig. Vor seiner Sylter Zeit leitete er das Bauamt der Gemeinde Kronshagen bei Kiel. Sein Hobby: Rettungssanitäter beim DRK-Rettungsdienst und der Wasserwacht. Im ersten Teil einer neuen Abendblatt-Serie beantwortet Nikolas Häckel Fragen zur Situation auf der Nordseeinsel.

Wie ist bei Ihnen im Ort aktuell die Lage?

Oh, ganz prima! Wir haben einen starken Sommer vor uns, mit den Corona-Regeln kommen Gäste und Sylter gut zurecht – es hat sich alles gut eingespielt, die Stimmung ist entspannt, aber achtsam. Wir alle mussten und müssen uns umstellen, aber das Leben muss auch in der Pandemie – bei aller gebotenen Vorsicht – weitergehen.

Natürlich gibt es auch immer wieder Verstöße gegen die Corona-Regeln – hier sind wir mit Ordnungsamt, Außendienst, Polizei und unseren Stadtlotsen aufmerksam und achten auf die Einhaltung – denn keiner will eine zweite Pandemiewelle und einen lokalen Lockdown. Stadtlotsen, so nennen wir den Sicherheitsdienst, den wir in diesem Jahr beauftragt haben, bieten nachts nicht nur Präsenz und Sicherheit, sondern sind vor allem auch beratend unterwegs.

Haben Sie zu viele oder zu wenige Badegäste?

Der Inlandstourismus ist sehr stark dieses Jahr. Die Empfindung des „zu viel“ oder „zu wenig“ ist gerade in Pandemiezeiten stark subjektiv geprägt und hängt von den jeweiligen persönlichen Bedürfnissen ab. Gerade nach der wochenlangen Abschottung unserer Insel empfinden wir natürlich das „viel“ ganz anders, aber die Pkw-Lawinen an Regentagen oder Abreise-Wochenenden zeigen schon, dass die Insel wirklich sehr gut ausgebucht ist. Die Gäste jetzt aber zu bitten, das Auto stehen zu lassen und unter Maske mit der Bahn anzureisen, ist nicht unser Ziel ­­– auch wenn der Pkw-Verkehr uns stark herausfordert.

Warum sollten wir auf Sylt Urlaub machen?

Sylt ist landschaftlich einfach großartig, die Insel bietet für Jung und Alt viel Abwechslung. Ruhig, turbulent, hyggelig, erlebnisreich, vielseitig – Sylt ist eine Insel für jedermann. Sylt hat tolle gepflegte Strände, hervorragende Gastronomie, wunderbare Strandrestaurants, Radwege quer über die Insel, bereichernde Informationsstätten über unsere einzigartige Natur. Dorfleben und eine pulsierende Stadt – ganz nah beieinander. Wer Sylt intensiv erlebt, wird „sychtig“.

Was sind die Highlights der Saison?

Jeder findet auf Sylt sein persönliches Highlight: ein tolles Abendessen, eine nachhaltige Begegnung, einen wundervollen Sonnenuntergang. Dieses Jahr verzichten wir zum Schutz unserer Gäste und Sylter auf größere Veranstaltungen. Es gibt aber viel Kleines zu erleben, das dennoch ganz groß ist: Lesungen, Kleinkunst, Vorträge, Wattwanderungen, Stadtführungen, Inselrundtouren und vieles mehr. Sylt ist dieses Jahr deutlich ruhiger, aber richtig lebendig. Die Vorbereitungen für 2021 laufen schon. Dann wird mit größeren Open-Air-Konzerten, Cups, Dorf- und Feuerwehrfesten und Ringreiten kräftig nachgeholt.

Wie lang ist der Strand?

40 Kilometer feiner, weißer Sandstrand mit ruhigen Ecken, Sportbereichen, Hundestränden, FKK-Bereichen, Strandsaunen und toller Gastronomie.

Was tun Sie, wenn er überfüllt sein sollte?

Es findet sich wirklich immer ein Plätzchen, an dem man sich wohlfühlt. Es sind immerhin 40 Kilometer.

Urlaub 2020 an Nordsee und Ostsee

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    Wo baden Sie selbst am liebsten?

    Auf Sylt.

    Nennen Sie die drei am häufigsten zu hörenden Vorurteile über Touristen.

    Wir Sylter sind von jeher gastfreundlich, „Vorurteile“ gegenüber unseren lieben Gästen haben wir nicht (mehr).

    Wo muss Ihr Ort besser werden, um mehr Touristen anzulocken?

    Es geht nicht immer nur um „mehr“ – es geht darum, generell besser zu werden, sich an den Bedürfnissen von Gästen und Syltern zu orientieren, ohne sich selbst aus den Augen zu verlieren. Herausforderungen sind die Staus an Regen- und Abreisetagen, herausfordernd ist unser Radwegekonzept mit einem tollen Westküstenradweg, herausfordernd ist unsere Innenstadtgestaltung. Wir möchten unseren Gästen ein tolles Sylt-Feeling bieten – uns geht es um eine gute, entspannte Stimmung im Einklang unserer begrenzten Ressourcen.

    Was wäre Ihr Ort ohne Touristen?

    Wie wir ja seit Mitte März erfahren haben: ein sehr, sehr ruhiger Ort. Ein Ort, der sich regeneriert. Ein Ort, an dem man allein sein kann, ohne einsam zu sein. Ein Ort, der aber auch Angst macht. Wie kann Sylt ohne Gäste überleben? Was macht diese Auszeit mit jedem Einzelnen? Wir dürfen nicht vergessen: Auf Sylt leben auch „normale Menschen“, die auf ihre tägliche Arbeit angewiesen sind. Und dann bedrückt so eine „Auszeit“ und macht Angst.

    Was wird sich in den kommenden Jahren in Ihrem Ort ändern?

    Wir werden unser Radwegenetz verbessern, erarbeiten gerade einen Innenstadtbebauungsplan. Der Bau eines Multiparks für Trendsportarten steht an, es geht aber auch um den Dauerwohnraum für Sylter. Auch über eine Verbesserung der Abreisesituation wird diskutiert.

    Welche wirtschaftlichen Folgen hat Corona­ für ihren Ort?

    Wie für die meisten Branchen hat die Pandemie auch für die Sylter Wirtschaft und die Kommunen extreme Folgen – der Gemeinde werden in den kommenden Jahren deutliche Steuereinnahmen und Gewinne ihrer Unternehmen fehlen. Ich hoffe aber sehr, dass der gute Sommer viele Insolvenzen vermeiden helfen wird.

    Aber Krisen stärken ja auch – ich denke schon, dass wir recht gut durch diese Pandemie kommen, wenn wir alle achtsam, verständnis- und rücksichtsvoll sind. Ich hoffe sehr, dass unser neues Gemeinschaftsgefühl noch lange anhält und nicht die „große Aufholjagd“ beginnt. Eine gute wirtschaftliche Basis ist wichtig, aber eben auch nicht alles.

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    Wann sind die Folgen überwunden?

    Ich kann da leider auch nicht in die Zukunft schauen – wirtschaftliche Folgen werden wir sicher zwei bis drei Jahre nach jeder Pandemie-Welle spüren.

    Wo machen Sie Urlaub – und wann?

    Ich bin gerade in Urlaub und mache als Rettungssanitäter ehrenamtlich Strandwache an der Kieler Förde bei der DRK-Wasserwacht – und das mache ich auch in meinem nächsten Urlaub im August. Im September gehe ich dann für eine Schweigewoche ins Kloster. Auf diese Zeit bin ich sehr gespannt. Auch die Bürgermeisterwahl 2021 bewegt mich natürlich.

    Die Wahl entscheidet nicht nur über meine berufliche Zukunft, sie ist auch ein anonymes Feedback und macht etwas mit mir. Im Kloster habe ich Zeit, mich mit mir, meiner inneren Haltung und meinen Lebenszielen in und mit der Gesellschaft zu befassen. Ich möchte authentisch durchs Leben gehen, meinem Umfeld und mir guttun, unprätentiös und natürlich. Wie auch ein Slogan unserer Insel sagt: „Natürlich Sylt“.