Kiel. Schleswig-Holstein stellt seinen Coronaplan vor. Doch Ideen für die wichtigste Branche des Landes fehlen noch.

„Unser Weg aus der Krise“ – ein ganz großes Versprechen klang aus der Überschrift, die Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) seiner Regierungserklärung gegeben hatte. Dem Landtag wollte er am Freitag schildern, wie das mit Bodenschätzen und industriellen Schwergewichten nicht eben gesegnete Bundesland die Folgen des Coronavirus überwinden kann.

Klar, dass es dabei auch um Tourismus gehen würde. Die Boombranche der vergangenen Jahre, vielleicht der wichtigste Wirtschaftsmotor des Landes zwischen den Meeren, liegt darnieder. Das Ostergeschäft – weg, vorbei, im Schlund der Coronaschutzmaßnahmen verschwunden. Das Sommergeschäft – in höchster Gefahr. In der Tourismusbranche macht sich langsam, aber sicher Nervosität breit. Daniel Günther, konnte da nicht wirklich beruhigen ­– das war am Freitag, nachdem er seinen Mundschutz abgelegt hatte und ans Rednerpult getreten war, schnell klar.

Coronakrise: Tourismusbranche besonders stark betroffen

Die Tourismusbranche sei besonders stark von der Coronakrise betroffen, sagte der Ministerpräsident. „Diese Branche hat Totalausfälle hinnehmen müssen.“ Es werde deshalb schrittweise Erleichterungen geben, erst für Zweitwohnungsbesitzer, dann für Hotels und Ferienwohnungen, dann für Tagestouristen. Aber: „Einen genauen Zeitpunkt können wir momentan noch nicht festlegen.“ Bis auf Weiteres gelte: „Urlaubs- und Freizeitreisen nach Schleswig-Holstein sind derzeit nicht gestattet.“ Der wichtigste Umsatzbringer, der Übernachtungstourismus, spielte in Günthers Aufzählung keine Rolle.

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In der Tourismusbranche regt sich mittlerweile Widerstand gegen diese Abschottungspolitik. Moritz Luft, Geschäftsführer von Sylt Marketing, sagt: „Bei uns drückt jeder Tag, wir sind vom Tourismus abhängig“. Die Betriebe müssten „schnellstmöglich und maximal sinnvoll“ wieder öffnen können. Ähnliches ist aus den anderen Badeorten an Ost- und Nordsee zu hören.

Unterschiedliche Ansichten innerhalb der Regierungskoalition

Auch der Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) kam im Landtag zumindest den Restaurants zu Hilfe. „Abstandsregelungen können auch in unserer so gebeutelten Gastronomie einhalten werden“, sagte er. Lars Harms, Fraktionschef des SSW, forderte: „Insbesondere Touristiker und die Gas­tro­nomie brauchen jetzt klare Ansagen, unter welchen Umständen welche Lockerungen wann denkbar sind.“ Diese klare Ansage blieb Günther am Freitag schuldig.

Auch innerhalb der Regierungskoalition gibt es beim Thema Öffnung unterschiedliche Ansichten. Die FDP würde eher früher als später die Tourismusbranche wieder ankurbeln. Fraktionschef Christopher Vogt sagte im Landtag: „Wir brauchen eine Perspektive für die Gastronomie.“ Über die Forderung der Sylter, die Insel zu öffnen, müsse man „zeitnah sprechen“.

Leichtathletik soll wieder erlaubt werden

Die Regierungskoalition aus CDU, Grünen und FDP hatte am Donnerstag beschlossen, einige Coronamaßnahmen zu lockern. Veranstaltungen mit bis zu 1000 Teilnehmern sollen ab dem 4. Mai wieder erlaubt werden, wenn die Distanzregeln eingehalten werden können. Freizeitsport wie Segeln, Reiten und Leichtathletik ist wieder erlaubt. Einzelhandelsgeschäfte, sofern sie nicht mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben, können ab Montag wieder öffnen. Im Landtag gab es größtenteils Lob für diese Entscheidungen.

Keine Rolle spielten bei der Debatte die aktuellen Coronazahlen. Dabei hätten sie durchaus Anlass zur Zuversicht gegeben. Laut Robert-Koch-Institut waren von der 2349 Infizierten in Schleswig-Holstein rund 1600 wieder genesen. Unter dem Strich sind also derzeit 749 Menschen ansteckend, das entspricht in etwa der Zahl vom 25. März. Der zunächst rasche Anstieg der Fallzahlen scheint in einen raschen Abstieg umzuschlagen. Am Donnerstag gab es 55 Neuinfizierte, aber rund 100 Gesundete. Die Reproduktionsziffer dürfte damit auch in Schleswig-Holstein deutlich unter 1 liegen.

Von Überlastung in Krankenhäusern nichts zu spüren

In den Krankenhäusern des Bundeslandes ist von einer Überlastung deshalb nichts zu spüren. Laut Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) ist derzeit die Hälfte der Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit nicht belegt. Neben anderen Patienten werden derzeit 137 Coronapatienten in den Kliniken behandelt, davon liegen 42 auf einer Intensivstation. Die Krankenhäuser haben nun offenbar darum gebeten, eine Maßnahme aus den Anfangstagen der Infektion zurückzunehmen. Die Kliniken waren damals angewiesen worden, nicht lebensnotwendige Operationen zu verschieben. Ab Montag sollen solche Eingriffe wieder vorgenommen werden können, sagte Garg nun.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel können helfen – aber umgekehrt auch zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

Kliniken werden wieder geöffnet, könnte man sagen. An der Küste müssen sie darauf noch warten. Manche greifen deshalb nun zu psychologischen Tricks. Joachim Nitz, listiger Tourismuschef in Timmendorfer Strand/Niendorf, will am kommenden Montag wenigstens die Tourismusinfo wieder öffnen. Nitz weiß auch, dass es vorerst keine Touristen gibt. Aber egal. Irgendeiner muss ja einen Anfang machen, muss an der Küste ein Signal setzen. Nitz’ Signal heißt: Ihr könnt kommen. Genauer gesagt: Ihr könntet kommen.