Hamburg. Bei Eisbär können täglich mehr als zwei Millionen Portionen hergestellt werden. Alle großen Ketten werden mit Handelsmarken versorgt.
Das Eis hat die Form eines Vierecks, wenn es sich aus dem gekühlten Stahlrohr schiebt. Im Bruchteil einer Sekunde trennt ein Draht eine Portion Vanilleeis ab, die auf eine Waffel fällt. Die neue Produktionsstraße des Familienunternehmens Eisbär Eis in Apensen bei Buxtehude erinnert an die eine Seite einer dreispurigen Autobahn. Drei flache Eisportionen liegen auf dem Förderband nebeneinander, bevor drei Waffeln von oben auf das Eis fallen. Aber nur zur Hälfte ist das Sandwich-Eis von den Waffeln bedeckt, bevor es in einen Kältetunnel fährt und dort stark heruntergekühlt wird. Erst danach wird die noch freie Eisseite an einer anderen Maschine mit einer kakaohaltigen Fettglasur überzogen.
Fertig ist eines der beliebtesten Produkte für einen großen Lebensmitteldiscounter. Danach wird es noch verpackt und dann auf einem Förderband in die erste Etage gefahren, wo das Eis in Kartons gestapelt wird. „Die Anlage schafft 27.000 Eisportionen in der Stunde“, sagt Martin Ruehs, Geschäftsführer der Eisbär Eis GmbH. Zehn Millionen Euro wurden in die neue Anlage und eine Halle investiert. Solche Taktzahlen und moderne Technologien braucht es, wenn man die vielen Supermärkte in Deutschland und Europa mit Handelsmarken beliefern will.
Zwölf Millionen Euro in Kühlhaus investiert
Über die Namen seiner Kunden spricht Ruehs zwar nicht konkret, sagt aber: „Es gibt keine Kühltruhe in deutschen Supermärkten, in der nicht mindestens ein Produkt von uns liegt.“ Täglich können mehr als zwei Millionen Eisportionen produziert und ausgeliefert werden. Dabei geht es um große Handelsketten wie Rewe, Edeka, Lidl, Aldi oder Penny. Auch die Produktion ist verräterisch: Wenn die Gelatelli-Packung vom Produktionsband läuft – wie bei dem Sandwich-Eis mit Kakaoüberzug – dann weiß der informierte Verbraucher, dass sie später in der Kühltruhe bei Lidl liegen wird.
Noch ist Platz auf dem sechs Hektar großen Firmengelände in Apensen für eine weitere Expansion. „Aber wir wachsen stets nur aus eigener Kraft“, sagt Ruehs. „Übernahmen gehören nicht zu unserer Firmenphilosophie.“ Im Moment wächst zunächst einmal das Schwesterwerk in Ribnitz-Damgarten. Hier entsteht ein neues Kühlhaus mit 12.000 Palettenplätzen. Investitionsvolumen: zwölf Millionen Euro. Die Lagerbestände sollen ausgeweitet werden, um für ein heißes Frühjahr wie 2018 besser gerüstet zu sein. „Denn aufgrund der außergewöhnlich vielen warmen Tage erzielten die Eishersteller allein in den ersten vier Monaten 2018 Umsatzzuwächse im Handel von bis zu 15 Prozent“, sagt Solveig Schneider vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie. „Der wärmste Mai hat die Branche überrollt“, weiß auch Ruehs. In Apensen hätte man deutlich mehr Eis liefern können als man produziert und im Lager verfügbar hatte.
Anstieg des Verbrauchs erwartet
Im vergangenen Jahr aß jeder Deutsche im Schnitt 7,9 Liter Eis. Darin sind die Packungen aus dem Einzelhandel ebenso enthalten wie das im Café gekaufte Eis. Für 2018 rechnet Ruehs mit einem leichten Anstieg des Verbrauchs. Über einen längeren Zeitraum gesehen, stagniert der Eisverzehr der Deutschen allerdings bei knapp acht Litern im Jahr. 2,1 Milliarden Euro wurden 2017 mit Eis in Deutschland umgesetzt – ein Plus von immerhin zwei Prozent.
„Der Trend geht auch bei den Handelsmarken zu kleineren Packungen anstatt einer großen Packung mit bis zu einem Liter Inhalt“, sagt die Geschäftsführende Gesellschafterin Isabel Schuldt, die Eisbär Eis zusammen mit Ruehs leitet. Das liege auch an der zunehmenden Zahl der Single-Haushalte. Die Lebensmittelketten bauen ihr Eissortiment immer weiter aus – etwa mit Nischenprodukten wie veganem Eis. „Statt Kuhmilch verwenden wir dann Mandelmilch“, sagt Schuldt. Stärker als früher wird Eis auch mit anderen Zutaten kombiniert, mit Süßigkeiten, Soßen oder Nüssen. Dazu gehört etwa Eis zwischen zwei gebackenen Keksen. Die Produktion ist sehr anspruchsvoll, weil die Kekse nicht so perfekt geformt sind wie die Waffeln. Nur Eisbär Eis und noch ein anderer Markenhersteller könnten dieses komplizierte Produkt bisher fertigen, erzählt Schuldt.
150 Millionen Euro erwirtschaftet
Sehr erfolgreich konnte Eisbär Eis auch seine Variation Double im Handel platzieren. „Wir entwickeln die neuen Produkte immer zusammen mit unseren Kunden“, sagt Schuldt. Selbst wenn das Eis ähnlich ist, unterscheidet es sich doch in der Rezeptur. Double ist ein Stieleis, das im Aussehen an Magnum von Unilever erinnert. Die Neuentwicklung aus dem Haus Eisbär gibt es derzeit unter der Lidl-Dachmarke Gelatelli in den vier Sorten Kokos, Karamell, Himbeere und Erdnuss. „Das Besondere ist der dreifache Überzug des Stieleises mit Schokolade und eine spezielle Geschmacksrichtung wie Karamell oder Himbeere“, sagt Schuldt. Dank einer eigenen Entwicklungsabteilung werden in Apensen ständig neue Artikel kreiert und Trends aufgegriffen. So gibt es die klassischen Eistüten auch in einer Minivariante als kleinen Snack für zwischendurch. „Innovationen sind ein wichtiger Taktgeber, um unsere Position weiter auszubauen“, sagt Schuldt.
Seit 2013 konnte das Unternehmen den Umsatz jährlich um fünf Prozent steigern. Im vergangenen Jahr erwirtschafteten 600 Mitarbeiter in Apensen und Ribnitz-Damgarten 150 Millionen Euro. An solche Dimensionen war nicht zu denken, als 1955 zwei Brüder in einem Kellerraum in Neukloster, einem Ortsteil von Buxtehude, die Firma gegründet hatten. Einer davon war Schuldts Großvater, der Gaststätten und Schwimmbäder mit seinem Eis belieferte. Damals stellten die Arbeiter das Eis noch per Hand her und verpackten es. Heute hat die eigene Marke Eisbär in der Firma nur noch einen Umsatzanteil von drei Prozent. Geschäftsführer Martin Ruehs heiratete die Tochter des zweiten Gründers. Der studierte Betriebswirt arbeitete kurz beim Otto-Versand, bevor er vor 28 Jahren bei Eisbär Eis anfing. Der große Aufstieg der Firma begann schließlich, als der Einzelhandel Anfang der 80er-Jahre eigene Eismarken im Sortiment haben wollte.
„Das sind schon große Fußstapfen“
Isabel Schuldt stieg nach einer Banklehre und einem Management-Studium schon 2002 bei Eisbär ein. Vor zwei Jahren übernahm sie dann die Geschäftsführung von ihrem Vater Helmut Klehn. „Das sind schon große Fußstapfen“, sagt sie. „Aber mein Vater hat schnell losgelassen.“ Entscheidend sei es, das Familienunternehmen stets weiterzuentwickeln. Während sich ihr Vater mehr um die Technik kümmerte, liegt ihr vor allem die Mitarbeiterführung am Herzen. Denn sie weiß: „Der Engpass für weiteres Wachstum sind heute nicht Maschinen, sondern qualifizierte Beschäftigte.“ Selbst Arbeiter für die Produktion zu finden ist schwer. Doch die werden benötigt. Denn bei Eisbär laufen die Bänder das ganze Jahr über im Drei-Schicht-Betrieb mindestens fünf Tage in der Woche. Schon im vierten Quartal wird die Produktion für Saison 2019 beginnen. Ruehs: „Ein Winterloch gibt es bei uns nicht mehr.“