Travemünde. Das Tier hat sich einen der belebtesten Plätze an der Ostsee ausgesucht. Ein Nest mit bester Aussicht ...

Viele Leute schauen ziemlich verdutzt, wenn sie in Travemünde die Passagierfähre besteigen. Am Ponton, direkt neben der Gangway, die sich Dutzende Mal am Tag auf den Steg senkt, brütet eine Möwe.

Die Menschen schieben ihre Kinderwagen rumpelnd an dem Nest vorbei, sie zücken Kameras und bestaunen den kleinen Nistplatz, den sich der Vogel auf einem Holzpfahl gebaut hat. Die Silbermöwe lässt sich von dem ganzen Trubel nicht stören. Still sitzt sie auf ihren Eiern und schaut auf die Trave, wo dann und wann ein großes Schiff die Sonne verdunkelt.

"Jeder Vogel ist anders"

"Möwen können zehn bis zwanzig Jahre alt werden und sammeln Wissen an", sagt Krzysztof Wesolowski vom NABU in Hamburg zu der Wahl der Brutstätte. Wenn sie gute Erfahrungen mit Menschen gemacht hätten, suchten sie deren Nähe. "Jeder Vogel ist anders", sagt der Biologe, mancher reagiere scheu, mancher weniger vorsichtig. Die Menschen könnten dabei durchaus als Schutz vor Feinden empfunden werden. Auch am Eidersperrwerk bei Tönning brüteten Vögel, in diesem Fall die sonst scheuen Küstenseeschwalben, "zum Streicheln" nah.

Möwen sind Nesthocker

Etwas heikel kann es werden, wenn die Kleinen auf dem Trave-Anleger schlüpfen. Denn Möwen sind Nesthocker. Sie müssen ruhig sitzen bleiben, wenn die Eltern auf Futtersuche sind. Gefahr drohe aus der Luft, sogar von anderen Möwen. Zur Sicherheit überwacht mindestens ein Elternteil die Kleinen ständig.

Falls ein Jungvogel aus dem Nest fällt, ist er sofort in der Lage, zu schwimmen. Dann müssten die Eltern allerdings umziehen und einen anderen Standort für die Kinderstube finden, sagt Wesolowski.

Möwen im Hafen

In der freien Natur brüten Silbermöwen oft an felsigen Steilküsten, aber auch in Sanddünen, auf Kiesbänken und Salzwiesen. In Travemünde wurden ihre Nester aber auch schon öfter in belebten Ecken gesichtet, sagen die Mitarbeiter der Ostseestation, die einheimische Tiere erforschen. Demnach brüten Möwen auch im Passathafen oft in unmittelbarer Nähe der Segler in den Dalben. Sobald die Jungtiere dann schlüpfen und das Nest verlassen (indem sie einfach ins Wasser hüpfen) wird es manchmal ziemlich laut auf den Stegen, falls ein Spaziergänger den Jungtieren zu nahe kommt...