Berlin. Dem neuen Grünenchef ist das freiwillige Ökosiegel der Bundesregierung zu wenig. Der Fleischkonsum sei zu hoch und zu billig.
Der neue Grünen-Chef in Berlin und Noch-Minister in Schleswig-Holstein, Robert Habeck will die höchste Tierhaltungsstufe zum Standard für Öko-Fleich machen. Das sagte er heute im Interview mit der der Nachrichtenagentur Reuters. Er sieht die Pläne der CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner zur Einführung eines "Tierwohlsiegels" kritisch, weil es auf Freiwilligkeit setzt statt verbindliche Vorgaben zu machen. Der Fleischkonsum der Bürger sei grundsätzlich zu hoch.
Käufer von Schnitzel und Wurst müssen aus Habecks Sicht tiefer in die Tasche greifen, wenn das Fleisch den besten Tierschutzstandards entspricht. Grundsätzlich bestimme zwar der Markt den Preis, sagte Habeck. "Bei der höchsten Haltungsstufe für die Tiere müsste es aber etwa den drei- bis vierfachen geben", sagte er mit Blick auf die Preise für Fleisch aus konventioneller Haltung. Bei tiergerechter Haltung gehe es etwa um Außenauslauf und Beschäftigungsmöglichkeiten. "Das ist natürlich nicht umsonst", sagte Habeck.
Artgerechte Haltung verbindlich vorschreiben?
Im Lebensmittelhandel spielt Fleisch von Tieren, die artgerechter gehalten werden, eine immer größere Rolle. Verschiedene Produzenten von Hühnerfleisch oder einige Lebensmittelketten zeichnen die Produkte mit entsprechenden Hinweisen aus. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) hat ein staatliches Tierwohllabel angekündigt, das drei Stufen umfassen und freiwillig sein soll.
"Wir Grüne wollen eine verbindliche Haltungskennzeichnung. Julia Klöckner will ein freiwilliges Label", sagte Habeck. "Unsere Sorge ist, dass damit kein wirksamer Hebel geschaffen wird, die Tierhaltung umzustellen und die Landwirte zudem für eine bessere Haltung fair zu entlohnen." Allerdings will der Grünen-Chef Klöckners Vorstellungen nicht vorschnell eine Abfuhr erteilen: "Wir werden schauen, wie es genau ausgestaltet wird und dann entscheiden." Es dürfe kein "Placebo-Siegel" geben.
Öko-Landwirtschaft soll höchste Labelstufe werden
"Wir wollen Verbindlichkeit für alle tierischen Produkte", erklärte Habeck. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Tierschutz Luxus sei. Die höchste Stufe eines Siegels solle der ökologischen Landwirtschaft entsprechen. Zudem müssten EU-Milliarden, mit denen der Agrarbereich subventioniert werde, umgeschichtet werden.
Aus Habecks Sicht werden grundsätzlich zu viele tierische Produkte konsumiert. "Der Sonntagsbraten ist zum Jedentagsbraten geworden. Lebensmittel sind buchstäblich kaum noch etwas wert." Die Einführung eines fleischlosen Tages in der Woche, den einige Grüne zeitweise gefordert hatten, lehnt er ab: "Worüber wir gerade sprechen, ist das Gegenteil vom Veggie-Day." Es gehe um einen klaren staatlichen Rahmen, nicht um Erziehung zur Verhaltensänderung. "Wir reden über eine bessere Politik, nicht über bessere Menschen."
Der Philosoph Habeck isst keine Tiere
Habeck, der Ende August sein Amt als Agrarminister in Schleswig-Holstein abgeben wird, ist selbst Vegetarier. "Ich habe mir das Fleischessen im Amt des Landwirtschaftsministers abgewöhnt." Trotz seines Philosophiestudiums habe er keine Antwort auf die einfache Frage gefunden: "Warum essen wir eigentlich Tiere?" Zwar gebe es auf die Frage Antworten. "Aber für mich waren keine wirklich guten mehr darunter, wenn man sich klar macht, dass man es mit sensiblen, intelligenten Lebewesen zu tun hat."