Norderstedt. Die Delegation vom Dach der Welt baut im Himalaya ein Hospital für Tiere auf und holte sich Rat bei den Norderstedter Veterinären.

In diesem Fall bot sich den Medizinern und ihren Mitarbeitern ein ungewöhnliches Bild: In rote Roben gekleidet besuchte eine Delegation vom Dach der Welt eines der größten privaten Tierhospitale Deutschlands. S. E. Thuksey Rinpoche, Meister der buddhistischen Drukpa-Lehre, ließ sich in der Norderstedter Tierklinik Magunna zeigen und erläutern, wie eine moderne Behandlungsstation ausgestattet sein sollte und geführt wird. Der hochrangige Gast managt im indischen Ladakh ein Heim für Tiere in Not, das „Live To Rescue“-Projekt, das jetzt auch eine Klinik erhalten soll.

Im Gespräch mit dem Leiter der Klinik, Professor Rafael Nickel, erzählte der buddhistische Drukpa-Meister davon, dass Tiere im Himalaya wenig zählten, bei Weitem nicht das Mitgefühl und die Wertschätzung bekämen wie in Deutschland. Die Menschen im dünn besiedelten und unwirtlichen Gebiet mit 3000 Meter hohen Tälern und mehreren Siebentausendern seien arm und hätten genug damit zu tun, ihr eigenes Leben zu organisieren.

Viele herrenlose Hunde lebten auf den Straßen. Sie würden von Autos angefahren, erlitten Wirbelsäulenbrüche, die unmittelbar chirurgische Eingriffe erfordern. Glieder müssten amputiert werden. Tierärzte reisten von weit her an – manchmal komme die Hilfe zu spät. Dies erleben zu müssen, ist für Thuksey Rinpoche schwer. Am liebsten würde er selbst am Operationstisch stehen, damit die Tiere schnell wieder auf die Beine kommen.

Professor Rafael Nickel führte Drukpa-Meister S. E. Thuksey Rinpoche durch die Praxisräume und erklärte dem Gast die modernen Diagnose und Behandlungsgeräte
Professor Rafael Nickel führte Drukpa-Meister S. E. Thuksey Rinpoche durch die Praxisräume und erklärte dem Gast die modernen Diagnose und Behandlungsgeräte © Agnes Forsthuber | Agnes Forsthuber

„Alle Religionen sprechen von Liebe, Mitgefühl, Frieden und Harmonie – doch viele Menschen handeln nicht danach“, sagte er. „Wir versuchen der Bevölkerung im Himalaya ein Beispiel zu geben, auch Tiere brauchen Mitgefühl, und das bedeutet, entsprechend zu handeln.“ Es gehe beim Projekt „Live To Rescue“, das Teil des weltweiten humanitären Netzwerks „Live To Love“ ist, nicht nur darum, verletzte oder erkrankte Tiere angemessen medizinisch zu versorgen. Die Bevölkerung müsse aufgeklärt werden, die Tiere müssten geimpft und sterilisiert, Straßenhunde vermittelt und deren massenhafte Tötung verhindert werden.

Der Kontakt zwischen den Norderstedter Veterinären und dem ranghohen Vertreter der buddhistischen Lehre kam über private Beziehungen zustande. S. E. Thuksey Rinpoche, Stellvertreter des 12. Gyalwang Drukpa, war aus der Bergwelt ganz im Norden Indiens nach Hamburg gereist, um im Drukpa-Zentrum die Anhänger seiner Lehre in einer bestimmten Meditationspraxis zu unterweisen. Den Besuch wollte Rinpoche nutzen, um sein Wissen über moderne Tiermedizin zu erweitern und die schon bestehende Aufnahmestation in Ladakh entsprechend auszustatten. Und da fiel aus seinem Umfeld der Name Magunna – die Mitarbeiter der renommierten und größten Tierklinik im Norden zeigten sich offen für den Besuch des Mannes aus dem Himalaya.

Mediziner sind fast rund um die Uhr im Einsatz

Die Präsidentin von „Live to Love“ Germany“, Gianna Wabner, begleitete die Delegation. Gastgeber Rafael Nickel führte die Besucher durch die gesamte Klinik. Die zeigten sich beeindruckt von der professionellen Ausstattung mit Computertomograph, Magnetresonanztomograph, Röntgen-Lasergeräten und endoskopischen Verfahren. Die Ärzte und die insgesamt rund 90 Mitarbeiter sind fast rund um die Uhr im Einsatz, um Kleintiere zu versorgen. In den Räumen werden angehende Tierärzte aus- und weitergebildet.

„Das ist eine sehr beeindruckende Persönlichkeit“, sagte Nickel. Ihm gefiel auch, dass der Gast aus den Bergen dem Tierwohl in seiner Heimat einen größeren Stellenwert einräumen, verletzte Hunde von der Straße holen und behandeln will. Mehr als 200 Vierbeiner würden in der dortigen Klinik versorgt – selbst für das Team einer der größten deutschen Tierkliniken eine unvorstellbare Zahl. „Das wäre hier undenkbar“, sagt Nickel.

Weltweit mehr als vier Millionen Anhänger

Der Drukpa-Orden ist eine der Schulen des tibetischen Buddhismus. Er blickt auf ein über 800-jähriges Erbe zurück und hat sich zu einer der wichtigsten buddhistischen Schulen des gesamten Himalaya-Gebietes entwickelt.

Es gibt Zentren in vielen europäischen Ländern, in Nord- und Südamerika sowie im asiatischen Raum. Das europäische Zentrum liegt in Plouray/Frankreich. Weltweit zählen mehr als vier Millionen Menschen zu den Anhängern.

Zentrales Anliegen des Drukpa-Ordens ist die praktische Anwendung der buddhistischen Lehre im täglichen Leben. Die weltweite Initiative „Live to Love“ widmet sich humanitären Projekten.

Schwerpunkte sind: Bildung, Umwelt- und Tierschutz, die weltweite Gleichstellung der Frauen, medizinische Hilfe und akute Kriseninterventionen, Erhalt von Kulturerbe.

www.drukpa-hamburg.org

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Der Drukpa-Meister lud die Mediziner aus Norderstedt nach Ladakh ein. Er betonte, wie sehr er den Rat und die Ausbildung von Experten brauche. Vielleicht entsteht schon bald eine Brücke der Hilfsbereitschaft von Norderstedt zum Himalaya: Denn in der Klinik gibt es einige Tierärzte, die Projekte in fernen Ländern unterstützen möchten. „Unsere Ärzte beteiligen sich immer wieder an internationalen Tierschutzprojekten“, sagte Nickel. Eine Kollegin habe schon Interesse bekundet, beim Aufbau der Klinik auf dem Dach der Welt helfen zu wollen.

Rinpoche hat seinen Aufenthalt in Hamburg inzwischen beendet. Den Schülern des Wilhelm-Gymnasiums brachte er nahe, sich nach den jeweiligen Möglichkeiten und Interessen für die Gesellschaft und den Erhalt der Erde einzusetzen. Beim Besuch des Kinderhospizes Sternenbrücke ging es um Vergänglichkeit, den Wert des Lebens und die Familie als starkes Band – in der asiatischen Kultur sei es im Unterschied zur westlichen Kultur selbstverständlich, dass die Familie Angehörigen in Notlagen zur Seite stehe.