Norderstedt. Die Stadt könnte autonome Busse im Neubaugebiet Grüne Heyde testen. Streit um Einsatz von Standard- oder Klein-Fahrzeugen.
Schon bald könnten sogenannte autonome Busse durch Norderstedt fahren. Die Verwaltung informiert sich zurzeit in anderen Städten und Gemeinden, wie der Betrieb mit den selbstfahrenden Fahrzeugen funktioniert – ein Thema mit hoher Bedeutung, denn: Sowohl OB Christina Roeder als auch Verkehrsdezernent Thomas Bosse sehen sich an, was die Betreiber zu bieten haben. „Autonomes Fahren wird ein Baustein des Verkehrs der Zukunft in Norderstedt sein“, sagt Rathaussprecher Bernd-Olaf Struppek.
Informieren können sich die Norderstedter auch im Kreis Segeberg: Wahlstedt zählt zu den Pionieren: Mit Beginn des nächsten Jahres wird es in der Stadt einen der ersten Busse in Deutschland auf digitalen Schienen geben (wir berichteten). In Norderstedt eigne sich die Grüne Heyde ideal als Testgelände, sagten Vertreter der Stadtverwaltung, als die Politiker im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr über die Mobilität im Neubaugebiet diskutierten.
Möglichst autofrei
Möglichst autofrei soll es im künftigen Wohnquartier zugehen, mit dem Norderstedt ein bundesweites Musterprojekt für nachhaltiges Bauen und Wohnen auflegen will. 1300 Menschen sollen in der Grünen Heyde auf der Fläche zwischen Mühlenweg, Harckesheyde, Schulweg und dem Gewerbegebiet an der Oststraße leben. Und sich möglichst auf dem Fahrrad, zu Fuß oder eben in Bussen bewegen. Das funktioniert aber nur mit einem attraktiven Busnetz, darüber sind sich Politik und Verwaltung einig.
Das Neubaugebiet eigne sich ideal, um einen kleinen Elektro-Bus, der nicht mehr von einem Fahrer gesteuert wird, sondern seine Signale per WLAN empfängt, zu testen, sagten die Vertreter der Verwaltung. Das kabellose Internet sei in Norderstedt so gut ausgebaut wie in kaum einer anderen deutschen Stadt, sodass der Austausch von Steuer- und Bremsbefehlen gewährleistet sei. Um möglichen Ängsten der Fahrgäste vor Unfällen, wie sie sich beim autonomen Fahren in den USA mehrfach ereignet haben, vorzubeugen, werde aber in jedem Fall eine Überwachungskraft mitfahren. Zudem seien die Selbstfahrer sehr langsam unterwegs, der Prototyp im bayerischen Bad Birnbach bringt es im Durchschnitt auf drei bis vier Kilometern in der Stunde.
Kleine Busse kosten mehr als normale Linienbusse
Ein solcher Bus könne als Zubringer dienen, um die Bewohner der Grünen Heyde zu den Busstationen außerhalb des Wohngebietes zu bringen. Ob sie dort in große Standardbusse oder kleine Elektro-Busse umsteigen, ist offen. Allerdings favorisieren die Politiker mit deutlicher Mehrheit die Kleinbus-Variante, was bei der FDP heftige Kritik hervorruft: Die Stadt verschwende Geld, das dringend für andere Vorhaben gebraucht werde. „Einmalig 600.000 Euro investieren und dann 140.000 Euro pro Jahr oder laufende Kosten von jährlich 530.000 Euro mit steigender Tendenz – für uns ist die Antwort klar, nämlich Variante 1“, sagt Tobias Mährlein, der für die Liberalen im Fachausschuss mitarbeitet.
Die Verwaltung rechnete vor: Um die Standardbusse fahren zu lassen, müsste der Mühlenweg ausgebaut werden, was 600.00 Euro kosten würde. Hinzu kämen jährliche Ausgaben von 140.000 Euro für die zusätzliche neue Strecke. Werden Kleinbusse eingesetzt, entfallen die Ausbaukosten. Der Betrieb koste die Stadt aber etwa 530.000 Euro jährlich – in Spitzenzeiten müssten mehrere Kleinbusse eingesetzt werden, um die Bewohner zu transportieren. Das bedeute mehr Fahrer, höhere Personal- und Servicekosten.
In zehn Jahren belaufen sich die Mehrkosten auf fast vier Millionen Euro. „Dieses Geld sollten wir lieber für andere Projekte wie den Ausbau von flexiblen Kita-Einrichtungen, die Digitalisierung nicht nur in unseren Schulen, längst überfällige Straßensanierungen und die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ausgeben und nicht für ideologisches Wunschdenken“, sagt Mährlein.
Mit seiner Kritik steht er allerdings allein da. Alle anderen Parteien haben sich trotz der Mehrkosten für Kleinbusse ausgesprochen. „Mit den Kleinbussen können wir auch die Strandkorbsiedlung problemlos an den öffentlichen Nahverkehr anbinden“, sagt CDU-Stadtvertreter Peter Holle. Busse fahren bisher nicht durch das Quartier nördlich des Mühlenweges, das die Form eines Strandkorbs hat.
Nicolai Steinhau-Kühl (SPD) weist auf die große Flexibilität der Mini-Busse hin. „Die könnten wir auch im Neubaugebiet Siebeneichen am Glashütter Damm einsetzen, auch dort können große Busse nicht fahren, und wir können die Straße nicht ausbauen.“ Auch für das geplante neue Wohngebiet am Harkshörner Weg wären die Kleinbusse eine Lösung. Ähnlich argumentierten auch Grüne, Die Linke und WiN.