Langeoog/Westerland. Für 120 Millionen Euro werden die Strände der Nord- und Ostfriesischen Inseln erhöht, um sie vor drohenden Stürmen zu schützen.

Mit Hochdruck rüsten sich die Ost- und Nordfriesischen Inseln gegen die drohenden Herbststürme. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Nach Abendblatt-Informationen sollen die Sandvorspülungen auf Sylt und Langeoog deshalb bis Oktober abgeschlossen sein. Spätestens dann wächst die Gefahr, dass der „Blanke Hans“ mit erheblicher Wucht an der Substanz der Inseln nagt und den Küstenschutz praktisch unmöglich macht.

Die größte Maßnahme in Niedersachsen läuft derzeit auf der knapp 20 Quadratkilometer kleinen ostfriesischen Insel Langeoog. Auf einer Länge von zwei Kilometern werden insgesamt 600.000 Kubikmeter Sand aufgefüllt. Das ist ungefähr so viel wie 120 Fußballfelder – und das einen Meter hoch. Der Strand wird auf einer Breite von 200 Metern vergrößert und zum Teil um mehr als zwei Meter erhöht.

Langeoog ist die größte Maßnahme

Zwei Saugbagger einer dänischen Firma pumpen den Sand aus einem großen Riff an der Ostseite des Seegatts Accumer Ee und spülen ihn auf die lediglich durch Schutzdünen gesicherte Inselseite. Ohne diese Aufspülung könnten schwere Sturmfluten Dünenabbrüche verursachen und die Trinkwasserversorgung für Langeoog gefährden, warnen Experten. Weitere Maßnahmen gibt es unter anderem am Jadebusen, an Weser und Elbe.

„Insgesamt stehen für die Ostfriesischen Inseln in diesem Jahr rund zehn Millionen Euro zur Verfügung. Langeoog ist mit sechs Millionen Euro die größte und teuerste Maßnahme“, sagte Herma Heyken, Sprecherin des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, dem Abendblatt. Dass der Küstenschutz sich rechnet, hat eine Schadenspotenzial-Analyse ergeben: Danach schützen die Deiche an der niedersächsischen Küste Werte in einer Höhe von rund 129 Milliarden Euro. 60 Millionen Euro pro Jahr für den Küstenschutz seien also „gut angelegtes Geld“, meint Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne).

Anstieg des Meeresspiegels bedroht die Inseln

Auch Schleswig-Holstein investiert in diesem Jahr 60 Millionen Euro in den Küstenschutz an Nord- und Ostsee. Bis voraussichtlich Mitte Oktober sollen die Sandvorspülungen auf Sylt abgeschlossen sein, sagte Hendrik Brunckhorst, Sprecher des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, dem Abendblatt. Weitere Maßnahmen sind die Deichverstärkungen am Dagebüller Koog (Nord), auf Nordstrand, der nördlichen Meldorfer Bucht und auf der Seestermüher Marsch. Allein der Dagebüller Deich wird um 30 Zentimeter auf eine Höhe von fast acht Metern über den Meeresspiegel gebracht. Zudem erhält das Bauwerk eine breitere Deichkrone. Sie dient dann als Ausbaureserve.

Die Nordseeinsel Sylt ist das größte Sorgenkind. Jährlich verliert sie im Durchschnitt rund eine Million Kubikmeter Land. Westwinde und Meeresbrandung tragen in diesem Zeitraum bis zu vier Meter von der Westseite ab. Die Sandaufspülungen kosten in diesem Jahr rund 9,3 Millionen Euro und konzentrieren sich auf den Strand (700.000 Kubikmeter), den Vorstrand Westerland (260.000 Kubikmeter) und den Vorstrand Hörnum (400.000 Kubikmeter).

Sandaufspülungen sind erfolgreiche Methode

Um Sylt vor dem „Blanken Hans“ zu schützen, kommt jedes Jahr ein Spülschiff zum Einsatz. Das entnimmt aus einem acht Kilometer vor der Küste liegenden Gebiet den dort reichlich vorhandenen Sand. Der Bagger saugt aus einer Tiefe von bis zu 30 Metern ein Wasser-Sand-Gemisch an Bord. Nach gut einer Stunde ist der Laderaum gefüllt. Danach schippert das Spülschiff in Richtung Küste und pumpt seine Fracht an den Sylter Strand.

Seit dem ersten Test im Jahr 1972 sind Sandaufspülungen eine erfolgreiche Methode, um den Landverlust der 100 Quadratkilometer großen Insel auszugleichen. Wie die Kieler Wissenschaftler Achim Daschkeit und Horst Sterr nachgewiesen haben, sind die Küstenschutzmaßnahmen eine Investition in die Zukunft. Sie stellten fest, dass kurzfristig „keine besorgniserregende Gefährdung“ für Sylt im Blick auf Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten bestehe.

Ein Schiff saugt Sand vor der Küste
ein und spült ihn an Land auf
Ein Schiff saugt Sand vor der Küste ein und spült ihn an Land auf © dpa

Auch in ökologischer Hinsicht seien keine gravierenden negativen Folgen zu erwarten, heißt es in einer Studie der beiden Kieler Geografen. Am Beispiel dieser Insel konnte vielmehr gezeigt werden, dass bei einer erwarteten Erhöhung des Meeresspiegels um rund 50 Zentimeter bis zum Jahr 2050 und einer Zunahme der Sturmintensität um zehn Prozent bereits mäßige Steigerungen der Sandmengen ausreichen.

Prognosen des Hamburger Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hy­drographie (BSH) rechnen jedoch längst mit einem noch höheren Anstieg des Meeresspiegels. Derzeit planen Bund und Länder mit einer Zunahme von knapp einem Meter bis zum Jahr 2100. Doch das sei viel zu wenig, warnen BSH-Wissenschaftler. Sie schließen einen Anstieg von bis zu 1,70 Metern nicht mehr aus und halten die heutigen Maßnahmen zur Sicherung der Küsten daher nur bis zum Jahr 2050 für ausreichend.