Hamburg. IG-Metall-Umfrage: In vielen Unternehmen der Branche gibt es Zukunftssorgen. Betriebsräte erwarten weniger Aufträge.

Senvion hat zwei seiner Produktionswerke in Norddeutschland bereits geschlossen, ein drittes folgt noch dieses Jahr; Nordex verhandelt gerade mit den Betriebsräten über einen Arbeitsplatzabbau in der Rostocker Produktion; die Siemens-Gamesa-Tochter Adwen will in Bremerhaven keine Turbinen mehr fertigen. Viele große Unternehmen der Windkraftbranche sind in der Auftragsflaute und reduzieren deshalb ihr Personal. Allein in diesem Jahr werden mindestens 1400 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut.

Das ist das Ergebnis der alljährlichen Umfrage bei Betriebsräten von Windindustrie-Unternehmen im Auftrag der IG Metall im Bezirk Küste. „Die Situation in der Windindustrie spitzt sich zu – schneller und deutlicher, als wir es befürchtet hatten“, sagt Meinhard Geiken, der Bezirksleiter der Gewerkschaft, zur aktuellen Befragung. „War vor einem Jahr von Entlassungen und Standortschließungen noch keine Rede, sind davon jetzt zahlreiche Unternehmen betroffen.“

Betriebsräte erwarten weniger Aufträge

An der Umfrage beteiligten sich Arbeitnehmervertreter von bundesweit 38 zumeist großen Betrieben der Branche mit zusammen mehr als 24.000 Beschäftigten. Die Mehrzahl der Unternehmen hat ihren Sitz in Norddeutschland und erzielt mindestens mehr als 50 Prozent des Umsatzes oder sogar sämtliche Erlöse in der Windindustrie. Und vor allem deren Betriebsräte blicken mit Sorge um ihre Kollegen in die Zukunft.

Knapp jeder vierte Betriebsrat erwartet, dass es in seinem Unternehmen in den nächsten fünf Monaten zu einem Abbau von Arbeitsplätzen kommen wird. Als besonders groß wird diese Gefahr in Firmen eingeschätzt, die ausschließlich in der Windkraftbranche tätig sind. Eine ganze Reihe von Arbeitnehmervertretern weiß bereits jetzt sehr genau, dass die Zahl der Mitarbeiter in der Firma bis zum Jahresende sinkt. Um insgesamt 1422 Stellen, ergab die Umfrage. Das sind 20 Prozent der Beschäftigten in den von Jobabbau betroffenen Firmen.

Ausschreibungsmodell der Bundesregierung

Eine deutliche Besserung der Lage erwarten die Betriebsräte nicht. Mehr als jeder dritte ist überzeugt, dass der Auftragseingang bei den derzeit noch meist gut ausgelasteten Unternehmen in den kommenden zwei Jahren abnehmen wird. Und die meisten Befragten, die an eine negative Entwicklung des Marktes glauben, machen dafür politische Entscheidungen verantwortlich.

IG-Metall-Bezirksleiter
Meinhard Geiken:
„Die Situation
spitzt sich zu“
IG-Metall-Bezirksleiter Meinhard Geiken: „Die Situation spitzt sich zu“ © dpa

Gegen den Widerstand der norddeutschen Länder hat die Bundesregierung den Neubau von Windenergieanlagen gebremst und ein Ausschreibungsmodell geschaffen, nach dem die günstigsten Anbieter zum Zuge kommen. Zwar sank durch die Ausschreibungen der Preis für Strom aus Windenergie, zugleich kamen viele kleine Bewerber zum Zuge, die sehr lange Zeit zur Umsetzung ihres Projekts haben. Folge für die Branche: In den nächsten Jahren werden in Deutschland sehr viel weniger Windräder gebaut.