Hamburg. Senvion – früher Repower – schließt Fabriken in Deutschland, auch in der Hamburger Zentrale fallen Arbeitsplätze weg.

Die Anteilseigner des Hamburger Windkraftanlagen-Herstellers Senvion hatten sich den 16. März notiert. Am Donnerstag – knapp ein Jahr nach dem Börsengang (siehe Grafik) – will der Konzern, dessen früherer Name Repower in der Hansestadt noch sehr viel präsenter ist, seine Bilanz für das vergangene Jahr vorlegen.

Der Kurs des Unternehmens seit dem Börsengang vor einem Jahr
Der Kurs des Unternehmens seit dem Börsengang vor einem Jahr © HA

Den derzeit annähernd 5000 Beschäftigten wird hingegen eher der gestrige 13. März in Erinnerung bleiben, womöglich als „schwarzer Montag“. Drei Tage vor den Bilanzzahlen präsentierte Konzernchef Jürgen Geißinger sein „Zukunftsprogramm“ – und nannte die Zahl der Mitarbeiter, die Senvion dafür verlassen müssen.

780 Stellen weltweit sollen im Laufe dieses Jahres wegfallen, davon 730 in Deutschland. Auch die Konzernzentrale am Überseering in der City-Nord ist vom Personalabbau betroffen: 55 der derzeit 560 Stellen – knapp jede zehnte – sollen gestrichen werden, sagte Gei­ßinger. Mit dem Betriebsrat solle nun über sozialverträgliche Lösungen verhandelt werden. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgeschlossen.

Senvion-Mitarbeiter wurden Montagmorgen informiert

Am Montagmorgen wurden die Mitarbeiter in der Hamburger Zentrale und an den anderen deutschen Standorten über die Pläne informiert. Demnach wird ein Großteil der Produktionsstandorte in Deutschland geschlossen, die Fertigung bestimmter Anlagen entweder ganz aufgegeben oder in Senvion-Fabriken in Portugal und Polen ausgelagert.

Bernhard Band, der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, sagte dem Abendblatt: „Die Nachricht kam nicht ganz überraschend, diesen Umfang des geplanten Stellenabbaus hatten wir aber nicht erwartet. Wir werden in den nächsten Wochen versuchen, die Geschäftsführung zu überzeugen, dass ein Personalabbau in diesem Umfang dem Unternehmen nicht nützt.“ Die Gewerkschaft IG Metall kritisierte die Pläne scharf. „Ein Kahlschlag auf dem Rücken der Beschäftigten ist kein Zukunftskonzept. Massenentlassungen und die Schließung von nahezu allen Produktionsstandorten in Deutschland bringen das Unternehmen nicht voran“, sagte Meinhard Geiken, der Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Verlagerungen und Schließungen in Schleswig-Holstein

Im Werk Husum will Senvion die Produktion von Zwei-Megawatt-Anlagen komplett einstellen, weil es dafür kaum noch Aufträge gebe, so Geißinger. Die Flügelproduktion in Bremerhaven soll nach Portugal verlegt werden, die sogenannte Gondelfertigung aus dem brandenburgischen Trampe dafür nach Bremerhaven. Mitarbeiter weiterer Standorte in Schleswig-Holstein sollen in Schleswig konzentriert, das Notfallzentrum von Osterrönfeld nach Portugal umgesiedelt werden.

„Das ist eine betrübliche Nachricht“, sagte Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) zur Entscheidung über Husum. „Man muss hier über Beschäftigungsgesellschaften oder Ähnliches nachdenken.“ Vorstandschef Geißinger spricht von einem notwendigen Effizienzprogramm. „Bislang ist das Unternehmen permanent gewachsen. Da haben sich viele Funktionen angesammelt, teils sind Aufgaben mehrfach besetzt. Und insgesamt müssen wir schneller werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende, der seit Dezember 2015 im Amt ist, dem Abendblatt.

Senvion ist die weltweite Nummer vier der Windkraftbranche

Auf dem deutschen Markt, auf dem Senvion – die Nummer vier der Branche weltweit – traditionell stark ist, habe sich der Markt von 5,0 Gigawatt installierter Leistung im Jahr 2015 auf 2,8 Gigawatt 2016 fast halbiert. Zudem sei Senvion stark bei Anlagen für Starkwindstandorte, inzwischen machten jedoch Schwachwindanlagen 50 Prozent des Marktes aus.

Am Überseering spürt man den wachsenden Preisdruck, den der Konkurrent Nordex unlängst als einen Grund anführte, dass der Konzern seine Umsatz- und Gewinnprognose für dieses Jahr radikal kürzte. Senvion-Chef Geißinger: „Wir wollen wieder wachsen, und wir werden wieder wachsen, aber zunächst einmal müssen die Kosten reduziert werden.“ Der Stellenabbau sei unvermeidlich, um den Konzern mit seinen dann etwa 4100 Arbeitsplätzen zukunftsfähig zu halten.

Der Konzern soll mehr Umsatz in Übersee machen

Diese Zukunft sieht der Vorstandschef stärker als bisher im Ausland: Südamerika, Australien, Indien und die USA seien interessante Märkte, um die sich Senvion jahrelang nicht habe bemühen können, weil der frühere indische Eigentümer Suzlon andere Pläne hatte. Auch Schwachwind-Anlagen sollen künftig eine größere Rolle spielen.

Senvion werde mit einer Plattformstrategie arbeiten und habe Baukastensysteme für unterschiedliche Türme entwickelt. „In den nächsten 18 Monaten werden wir vier neue Anlagentypen auf den Markt bringen“, sagte Geißinger. Eine neue Offshore-Anlage mit mehr als zehn Megawatt Kapazität sei konzipiert und könne ab 2020 eingesetzt werden. Bislang ist eine 6,3-Megawatt-Anlage die größte im Katalog. Und auch der Zukauf von Anlagenelementen anderer Hersteller soll am Überseering kein Tabu mehr sein.

Senvion-Chef spricht von 2017 als „Übergangsjahr“

Für 2016 hatte Senvion einen Umsatz von mehr als 2,1 Milliarden Euro und mehr Gewinn angekündigt. „Das werden wir erreichen“, sagte Geißinger. Mehr dazu am Donnerstag. Eine Prognose für 2017 gibt es bisher nicht. Der CEO spricht von einem „Übergangsjahr“. 2018 und 2019 werde es wieder deutlich aufwärtsgehen. Zunächst steht eine wichtige Nachricht aus. Die Staatsanwaltschaft Würzburg ermittelt gegen Geißinger, es geht um Geschäfte während seiner Zeit als Chef beim Autozulieferer Schaeffler. Noch im März wollen die Ermittler entscheiden, wie es mit dem Verfahren weitergeht. Der Senvion-Chef: „Das Verfahren wird eingestellt.“