Hamburg/Kiel. Heimatbund will Altona-Kieler Chaussee, Schleswig-Holsteins erste von Ingenieuren geplante Überlandstraße, wieder zur Allee machen.

Rund vier Jahre soll der Ausbau der A 7 zwischen Hamburg und Kiel dauern, Ende 2018 wird alles fertig sein. Die Speditionen freuen sich schon darauf. Ob sich die Fuhrunternehmer vor 185 Jahren ebenfalls freuten, als die Altona-Kieler Chaussee nach gut dreijähriger Bauzeit eröffnet wurde, ist nicht überliefert. Klar ist: Die erste von Ingenieuren geplante und besonders befestigte Überlandstraße in Schleswig-Holstein verkürzte die Reisezeit zwischen Hamburg und Kiel von 24 auf rasante zehn Stunden. Die A 7 des 19. Jahrhunderts war 1832 fertig.

Die Chaussee ist in großen Teilen auch heute noch in Benutzung, sie ist zum Beispiel identisch mit der B 4 zwischen Hamburg-Eidelstedt und Bad Bramstedt. Der Schleswig-Holsteinische Heimatbund hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Elemente dieses historischen Verkehrswegs zu schützen und neu erlebbar zu machen. Im Landtag in Kiel läuft dazu gerade eine Ausstellung.

Meilenstein auf dem Weg in die Moderne

Die 92 Kilometer lange Straße war ein Meilenstein auf dem Weg in die Moderne. Der dänische König Friedrich VI. hatte sie in Auftrag gegeben. Vermutlich diente sie auch der Absicherung seiner Macht. Das dänische Altona war dank der Chaussee auch für Soldaten viel schneller zu erreichen. Außerdem wurde der Warentransport beschleunigt.

Zuvor hatten sich Reisende auf zumeist unbefestigten Wegen von Dorf zu Dorf kämpfen müssen. Damit war nun Schluss. Akribisch wurde die Chaussee geplant. Vier Aktenordner liegen im Landesarchiv in Schleswig. Die Schotterstraße wurde mit Chausseewärter- und mit Geldeinnehmerhäuschen ausgestattet. Zwölf Vollmeilen- und zwölf Halbmeilensteine wurden aufgestellt. Die Dänen maßen Distanzen damals in Meilen. Die Strecke zwischen Altona und Kiel war 12,25 Meilen lang.

Alleecharakter weitgehend verloren gegangen

In Altona nahm die nagelneue Chaussee am Gählerspark ihren Anfang. Den Park gibt es heute nicht mehr, aber die Gählerstraße, die etwa in Höhe des Schwimmbads in die Holstenstraße führt. Etwas südlich davon lag der Park. Die Chaussee führte über die heutige Holstenstraße und die Kieler Straße bis Eidelstedt, dort geht es auf der Holsteiner Chaussee nahezu schnurgerade stadtauswärts.

In Schleswig-Holstein verbindet die Straße, die wie mit dem Lineal gezogen wurde, als heutige B 4 Bönningstedt, Quickborn und Bad Bramstedt.

Ein Pferdeomnibus von Altona nach Eidelstedt: Diese Postkarte entstand Anfang
des 20. Jahrhunderts
Ein Pferdeomnibus von Altona nach Eidelstedt: Diese Postkarte entstand Anfang des 20. Jahrhunderts © Heimatverein Bönningstedt

Der Alleecharakter ist allerdings weitgehend verloren gegangen. Im Zuge von Straßenverbreiterungen und anderen Maßnahmen sind die charakteristischen Bäume, die im Sommer Schatten spendeten, gefällt worden. „Diesen Charakter wollen wir wieder herstellen“, sagt Heinrich Kautsky, der sich beim Heimatbund um die Chaussee kümmert und zusammen mit anderen Autoren ein Buch über sie geschrieben hat.

„In den vergangenen neun Jahren haben wir 1200 Alleebäume gepflanzt, zum Beispiel in Quickborn“, sagt er. „Wir werden es nicht überall schaffen, den Alleecharakter wieder herzustellen. In eng bebauten städtischen Bereichen ist es schwierig, außerhalb wird es einfacher.“ Wegen des hohen Tempos der Fahrzeuge müssten dort aber auch Leitplanken aufgestellt werden.

Mautumgehung auch damals schon bekannt

Das war früher nicht nötig. Anderes aber schon. Reisende mussten Bargeld dabei haben, denn die Chaussee war, wie man heute sagen würde, mautpflichtig. Ein Reiter bezahlte einen Schilling. Sogar für „Rindvieh, Esel und Schweine“ musste gelöhnt werden. 14 Geldeinnehmerhäuschen und ebenso viele Häuschen für Wärter säumten die Straße. Die Wärter hatten die Fahrbahn in Schuss zu halten, die Einnehmer mussten abkassieren.

„Baumgeld“ hieß das damals, denn erst nach Zahlung hob sich der die Straße versperrende Schlagbaum. Die Mautumgehung war auch damals schon bekannt. So beklagte ein Chausseeinspektor im Jahr 1836: „Es ist eine traurige Erfahrung, dass der Ertrag der Hebestellen, durch die Benutzung mancher Nebenwege zur Umgehung derselben, sehr geschmälert wird.“

In Schnelsen viel geschmälert

In Schnelsen wurde viel geschmälert. Im Bericht des Inspektors heißt es: „So führt von der Burgwedeler Brücke ein Nebenweg (Schleswiger Damm) über die Dörfer Schnelsen und Niendorf nach dem Dammthor vor Hamburg, von dem ein Theil zur Umgehung der Hebestelle (Holsteiner Chaussee gegenüber der Einmündung von der Peter-Timm-Straße) benutzt werden kann. Wird nun auf diesem Wege ein Fuhrmann angehalten, so gibt er vor, nach dem Dammthor zu wollen, und fährt, wenn er von dem Wärter verfolgt wird, nothgedrungen auch wirklich dorthin.“

Bis 1963 tat die Chaussee ihren Dienst. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie gepflastert, um den Autoverkehr auszuhalten. Vor dem Zweiten Weltkrieg klagten Anwohner, man komme gar nicht mehr über die Straße – so dicht sei der Verkehr. 1963 entstand die A 7, und die Chaussee fiel in einen Dornröschenschlaf. Aus dem sie jetzt erwacht, denn wer zwischen Bad Bramstedt und Hamburg die A-7-Baustelle umfahren will, der landet nicht selten auf der B 4 – und ahnt nicht, dass er die A 7 des 19. Jahrhunderts unter sich hat.

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