Neumünster. Landesparteitag der Grünen debattierte über den Koalitionsvertrag. Fundamentalkritik von der Vorsitzenden des Kreisverbands Lübeck.

Ökonomie und Ökologie wollen sie in Schleswig-Holstein vereinen, immer und immer wieder hat der CDU-Ministerpräsidentenkandidat Daniel Günther dies im Laufe der „Jamaika“-Koalitionsverhandlungen gesagt. Günthers „ö. und ö. Regierung“ sollte am Montagabend einen weiteren Schritt in Richtung Realität machen. Der Landesparteitag der Grünen debattierte über den Koalitionsvertrag.

Die Frage war: Empfiehlt er den rund 2400 Mitgliedern, für die Annahme des Koalitionsvertrags zu stimmen? Die sind zu einem Mitgliederentscheid aufgerufen, der diesen Namen zu Recht trägt. Denn er soll tatsächlich auch die Entscheidung über „Jamaika“ bringen. Sagen die Mitglieder mehrheitlich Nein, wird es nichts mit der ersten Koalition aus CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein. Bis zum Redaktionsschluss war die Abstimmung über die Empfehlung nicht beendet.

Grüne Jugend hat Widerstand aufgegeben

Zuvor hatten viele Redner den Vertrag gelobt, zugleich aber auch ihre Sorge geäußert, dass die Grünen in dieser Regierungskoalition ins Hintertreffen geraten könnten, weil den Partnern nicht zu trauen sei. „Wir müssen aufhören, die CDU zu romantisieren“, sagte Johannes Steen vom Kreisverband Kiel, „deren Fundament ist erzkonservativ.“ Der Landtagsabgeordnete Rasmus Andresen kritisierte das Verhalten der FDP bei den Verhandlungen. „Es sind immer wieder Texte von der FDP an die Presse durchgestochen worden“, sagte er.

Die anfänglich sehr kritische Grüne Jugend hat ihren Widerstand gegen die Koalition aufgegeben. Sprecherin Denise Loop sagte: „In dem Koalitionsvertrag sind viele progressive Themen zu finden. Wir sind erstaunt, was mit CDU und FDP in einem Koalitionsvertrag möglich geworden ist.“ Dennoch heiße es nun, aufmerksam zu sein: „Wenn das Bündnis zustande kommt, werden wir bei der Umsetzung genau hinschauen.“

Fundamentalkritik kam von Stephanie Göhler, Vorsitzende des Kreisverbands Lübeck. „Ich bin entsetzt, grüne Positionen sind über den Haufen geworfen worden“, sagte sie. Besonders erbost hatte sie die Vertragspassage zur Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung. Dort heißt es, dass man die Möglichkeiten der Querung nutzen wolle. „Da wird eine ganze Region zerstückelt“, sagte Göhler, „das schreibt euch mal hinter die Ohren. In welcher Partei bin ich eigentlich?“

Göhler blieb mit ihrer Position ziemlich allein. Beifall bekam sie nicht. Monika Heinold, die die Verhandlungen auf grüner Seite geführt hatte, hielt in der mehrere Stunden währenden Aussprache dagegen. „Die Frage ist doch, ob Politik in Schleswig-Holstein in Zukunft ohne uns oder mit uns gestaltet wird“, sagte sie. „Wenn es nicht geht, weil der Koalitionsvertrag nicht eingehalten wird, haben wir immer die Möglichkeit zu sagen, wir machen es nicht.“ Robert Habeck fasste die Stimmung in einem Satz zusammen: „Sind wir ängstlich oder haben wir Mumm und Mut?“

Warum es zu Verhandlungen gekommen ist

Zu Beginn des Parteitags hatte die Landesvorsitzende Ruth Kastner daran erinnert, wie es zu „Jamaika“ gekommen ist. „Das Ergebnis der Landtagswahl vom 7. Mai hat uns vor eine schwierige Aufgabe gestellt“, sagte sie. „Die Mehrheit für die Küstenkoalition war weg. Das war bitter.“ Weil andere Parteien andere Koalitionen ausschlossen, sei nur „Jamaika“ übrig geblieben. „Wir haben bei den Koalitionsverhandlungen Abwehrschlachten geführt, um das zu erhalten, was wir in der Küstenkoalition auf den Weg gebracht haben“, so Kastner. Das sei gelungen, der Koalitionsvertrag habe eine grüne Handschrift. „Wir wollen das Grünste für unser Land“, rief Kastner.

Vor Kastner hatte Lukas Beckmann gesprochen, der Mitbegründer der Grünen und langjährige Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion. Mehr Urgestein geht nicht. Beckmann lobte den schleswig-holsteinischen Landesverband in den höchsten Tönen. „Von hier geht ein kulturpolitischer Impuls aus, der sich auf die Bundespartei auswirkt“, sagte er. Er fand es richtig, dass sich die Grünen auf das Wagnis „Jamaika“ einlassen wollen – und er fand, dass klug verhandelt worden ist. „Man muss auf rote Linien verzichten“, sagte Beckmann, „denn auf der anderen Seite der roten Linie wird ohne uns weitergearbeitet.“

Mitgliederentscheid hat begonnen

Der Mitgliederentscheid hat Montag begonnen. Bis zum 26. Juni um 8 Uhr können die 2400 Grünen abstimmen. Am selben Tag wird das Ergebnis veröffentlicht. Erst dann wissen wir, ob die drei ungleichen Partner CDU, Grüne und FDP ein Regierungsbündnis bilden. Und ob Robert Habeck und Monika Heinold Minister bleiben.

„Tauche aus dem Tunnel auf“, schrieb Robert Habeck vor ein paar Tagen auf seiner Facebook-Seite. „Irre, wie wir alle von der Außenwelt isoliert waren. Seit Tagen nicht mehr im Ministerium gewesen, die Nachrichten verpennt.“ Das Ergebnis des Mitgliederentscheids wird er bestimmt nicht verpennen.