Jork. Neue Sorte Rockit erstmals geerntet. Sie ist kleiner, teurer – und für die Obstbauern potenziell eine gute Einnahmequelle.

Von der neuen Apfelsorte steht nur eine Baumreihe auf dem Versuchsfeld des Obstbauzentrums Jork im Alten Land. 60 Bäume mit besonders kleinen Äpfeln. Leuchtend rot in der Farbe, aber mit gut fünf Zentimetern Durchmesser deutlich kleiner als die Sorten, die nebenan wachsen. Die haben zwei bis drei Zentimeter mehr Durchmesser. In der zu Ende gehenden Erntesaison sind die Bonsai-Äpfel mit die letzten, die auf dem Versuchsfeld gepflückt werden. Die geringe Größe ist keine Folge einer verunglückten Züchtung. „Alles ist genau so richtig, ein sehr saftiger und knackiger Apfel“, sagt Joerg Hilbers, stellvertretender Leiter des Obstbauversuchsrings im Alten Land (OVR), der zum Obstbauzentrum gehört. Denn die Größe der Rockit-Äpfel, wie die neue Sorte heißt, ermöglicht neue Vermarktungskonzepte und Absatzwege, die den Apfelverzehr in Deutschland wieder ankurbeln sollen.

Neue Wege beim Apfelanbau sind für die noch 650 Betriebe an der Nieder­elbe notwendig, denn der Apfelkonsum in Deutschland sinkt. Der Pro-Kopf-Verbrauch ging innerhalb von rund einem Jahrzehnt von knapp 34 auf 24 Kilogramm im Jahr zurück. Auch Produkte wie Apfelmus oder Apfelsaft sind in dieser Menge schon eingerechnet. „Der Apfel konkurriert mit vielen anderen Obstsorten“, sagt Hilbers. Nicht nur aus dem Ausland. Sehr späte Sorten ermöglichen den Vertrieb von heimischen Erdbeeren bis in den Herbst. Kirschen und Heidelbeeren können in speziellen Plastiksäcken noch wochenlang nach der Ernte frisch gehalten werden. „Mit einer herkömmlichen neuen Apfelsorte kommen wir beim Handel nicht weiter“, weiß Hilbers. Der Platz in den Regalen der Supermärkte ist begrenzt.

„Rockit kann aber auch an Tankstellen, auf Flughäfen, in Bahnhofskiosken oder Autobahnraststätten angeboten werden“, sagt Stefan Moje, ­Geschäftsführer der Elbe-Obst Erzeugerorganisation. „So wollen wir Absatzmärkte erschließen, die es bisher für uns nicht gab.“ Der kleine Apfel ist keine Kilo-Ware. Rockit wird in durchsichtige Kunststoffröhren abgepackt, sogenannte Tubes. Drei bis sechs Äpfel können die unterschiedlich großen Boxen enthalten. So soll der Apfel zum Snackprodukt werden. „Denn dieses Marktsegment weist hohe Wachstumsraten auf“, sagt Moje. Außerdem sei das Kerngehäuse sehr klein und könne problemlos mitgegessen werden. „Auch ohne Kühlung bleiben die Äpfel in den Tubes lange knackig“, ergänzt Hilbers.

Erstmals wurde Ende 2015 der Bonsai-Apfel Rockit im Alten Land auch außerhalb des Versuchsfeldes in größerem Umfang angebaut. Die Region ist damit die erste in Deutschland. Das Interesse der Bauern war groß. „Wir mussten auslosen“, sagt Hilbers. 15 Obstbauern konnten je rund 2500 Rockit-Bäume auf ihren Flächen im vorigen Herbst anpflanzen. Einer von ihnen ist Claus Nodop. „Rockit ist eine Züchtung, die mich überzeugt“, sagt der Obstbauer. Natürlich sei das ein Nischenprodukt, „aber wir können damit auch einen höheren Erzeugerpreis erzielen.“ Nodop ist begeistert von den kleinen roten Früchten, die er in diesem Jahr erstmals ernten konnte, wenn auch nur in kleiner Menge. „Der Rockit hat eine extrem niedrige Schädlingsanfälligkeit“, sagt Nodop.

Rockit soll kein Massenprodukt werden

Im ersten Jahr fällt die Ernte noch gering aus. „Die Menge wird für 30.000 bis 50.000 Tubes ausreichen“, erwartet Hilbers. Die werden für Testverkäufe genutzt. „Der Handel ist sehr interessiert an dem neuen Produkt“, sagt Moje. Geplant sind Testverkäufe in Supermärkten, an Tankstellen und auf Messen. Erste Tests im Familienkreis der Bauern zeigen, dass die Miniäpfel besonders bei Kindern gut ankommen. „Der Apfel passt nun mal von seiner Größe her sehr gut in eine Kinderhand“, sagt Moje. Schon im nächsten Jahr rechnet Hilbers mit 700.000 Tubes aus dem Alten Land. Auch andere Anbauregionen in Deutschland wie am Bodensee werden den Bonsai-Apfel anbauen.

Aber der Rockit soll kein Massenprodukt wie der Elstar werden. Dafür sorgen schon die Lizenzierung und die speziellen Vermarktungswege. Das bringt für die Bauern zusätzliche Kosten mit sich. Sie müssen sich an den Aufwendungen für das Marketing beteiligen und eine Lizenzgebühr entrichten. Auch der Aufwand für Ernte und Verpackung ist höher. Wegen der Größe der Äpfel dauert die Ernte dreimal so lange wie für normale Äpfel. In die Verpackung müssen die kleinen Äpfel per Hand gefüllt werden. „Die Bauern gehen einige Risiken ein“, sagt Hilbers.

Denn wie die neue Apfelsorte bei den Verbrauchern ankommt, muss sich erst noch zeigen. Der erste Verkauf an Tankstellen in Belgien und Italien 2015 lief gut. Deutsche Verbraucher könnten sich über die zusätzliche Kunststoffverpackung aufregen, auch wenn sie Voraussetzung für das neue Vertriebskonzept ist, so eine Befürchtung. Für den Rockit müssen die Konsumenten auch tiefer in die Tasche greifen. Ein Verkaufspreis steht noch nicht endgültig fest. Die mögliche Preisspanne je nach Größe der Tubes liegt zwischen 2,49 und 2,99 Euro. Die Äpfel wären damit mehr als doppelt so teuer wie reguläre Kiloware im Supermarkt. Hilbers sieht das aber nicht als Problem und verweist auf abgepackte Rispentomaten im Supermarkt. Kaum einer achte auf den Kilopreis. Und der liegt nicht selten bei mehr als sieben Euro.

Rockit ist in Neuseeland und Asien ein Verkaufserfolg

Der Rockit wurde in Neuseeland gezüchtet. Die Firma Havelock North ­Fruit vermarktet den Apfel, der in Asien schon seit Jahren verkauft wird, weltweit. Die Bäume im Alten Land kommen aus einer Baumschule in Belgien. Für Deutschland hat das Deutsche Obstsorten Konsortium die Rechte am Rockit erworben. Zu ihren Mitgliedsgesellschaften gehört Elbe-Obst.

Bis zu sechs kleine Rockit-Äpfel
werden
in eine Plastikbox gefüllt
Bis zu sechs kleine Rockit-Äpfel werden in eine Plastikbox gefüllt © HA | Klaus Bodig

Rockit ist die fünfte Clubsorte, die im Alten Land angebaut wird. Club bedeutet künstlich verknapptes Angebot durch Lizenzen, besonderes Marketing und höhere Preise. Zu den Clubsorten im Alten Land gehören Red Prince, Kanzi, Junami, Rubens und jetzt auch Rockit. An der Niederelbe werden auf 9500 Hektar Äpfel angebaut. „Erst fünf Prozent davon entfallen auf Clubsorten“, sagt Hilbers. Für die Zukunft kann er sich vorstellen, dass die Obstbauern diese Fläche auf 15 Prozent ausweiten. „Mit Massenware kommen wir nicht weiter“, sagt Hilbers.

In Europa kommen zwölf Millionen Tonnen Äpfel im Jahr auf den Markt. Allein Polen steuert dazu vier Millionen Tonnen bei. „Als Massenproduzent können wir nicht bestehen“, sagt Hilbers. „Wir heben uns durch Qualität ab, und das natürlich nicht nur bei den Clubsorten.“ Aber auch mit neuen Sorten will das Alte Land auf sich aufmerksam machen. Im nächsten Jahr wird das ein rotfleischiger Apfel sein.