Hohnstorf. Der Hohnstorfer Elbfischer Eckhard Panz fängt Wollhandkrabben – für Chinesen sind die Tiere ein Leckerbissen.

Alteingesessener trifft Neubürger: Die Elbe bietet vielen ein Zuhause, und manchmal wird das Neue sogar zur Lebensgrundlage für das Ältere. Beim Elbfischer Eckhard Panz in Hohnstorf bei Lauenburg ist das der Fall. Ohne Globalisierung hätte er vielleicht schon längst aufgehört. Aber im Wasser krabbeln nun mal eben diese Wollhandkrabben, und an Land stehen die Kunden. Asiaten, für die die Krabbe eine Delikatesse ist. Immer mehr Krabben, immer mehr Kunden: Es läuft bei Panz. „Etwa 40 Kilogramm pro Tag fange ich derzeit“, sagt der 50-Jährige.

Die Chinesische Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) ist erst seit etwa 1920 in Deutschland heimisch. Sie lebt mittlerweile in allen Flüssen, die in die Nordsee münden. In der Elbe ist sie der Wasserbewohner mit der am schnellsten wachsenden Population. Panz ist deshalb vom klassischen Elbfischer, der Aale und Zander aus dem Strom zieht, zum Krabbenfischer geworden. „Rund die Hälfte meines Fangs sind Wollhandkrabben“, sagt er.

In China kaum noch frei lebende Krabben

Auf dem Speiseplan der Deutschen steht das Schalentier nicht – noch nicht. In China hingegen wird es sehr gern verspeist. Dort ist es allerdings rar geworden, denn die Flüsse sind zu stark verschmutzt. Mittlerweile wird die Krabbe in Aquakulturen gezüchtet, um die Nachfrage erfüllen zu können. Asiaten bekommen also aus Norddeutschland das, was in ihrer Heimat ein teures Vergnügen geworden ist: in freier Wildbahn aufgewachsene Wollhandkrabben.

Fischer Panz bekommt aus ganz Deutschland Bestellungen. Wer kaufen will, muss nach Hohnstorf reisen. Einen Krabbenversand unterhält Panz nicht. „Viel zu aufwendig“, sagt der Fischer. „Wenn da ein Paket kaputt geht, sind die Krabben weg.“ Ohnehin legen die Käufer Wert darauf, lebende Tiere zu erwerben. Also fahren sie nach Hohnstorf und laden ein. „Neulich kam einer mit einem Porsche Carrera. Der hat den Kofferraum vorn, da musste ich ihm die Tiere reinlegen“, sagt Panz. „,Das riecht doch‘, hab ich gesagt. Hat ihn nicht gestört.“ Panz machte ein Angebot. „Die nächsten Krabben bekommst du kostenfrei, aber du lässt mich mit deinem Carrera eine Runde durchs Dorf fahren.“ Er hatte keinen Erfolg. Die Unversehrtheit des Carrera-Lacks war dem Kunden denn doch wichtiger als eine Tüte Schalentiere.

Schon der Vater von Eckhard Panz hatte in der Elbe Wollhandkrabben gefangen – damals noch für einen einzigen Kunden. „Das war ein Chinese, der Havanna rauchte, in Hamburg ein Hotel hatte und mit einem Mercedes 500 vorfuhr“, sagt der Fischer.

Ende des Wachstums nicht zu erkennen

Aus dem Exotenfang ist mittlerweile der „Brotfisch“ der Familie Panz geworden, die seit drei Jahrhunderten in der Elbe ihre Netze auswirft. Die Wollhandkrabbbensaison beginnt normalerweise im Juli. In diesem Jahr waren die Tiere später dran. „Das ging erst im September richtig los und wird wohl in zwei oder drei Wochen wieder vorbei sein“, sagt der Fischer. Die Krabben wandern zu Millionen über den Elbgrund Richtung Mündung. Acht bis zwölf Kilo­meter legen sie pro Tag zurück. In Hohnstorf passieren sie die Jagdgründe des Fischers. Im Brackwasser der Elbmündung paaren sich dann die fünf oder sechs Jahre alten Männchen und Weibchen. Im Watt laichen sie. Die Muttertiere sterben, auch die Männchen kehren nicht mehr in die Flüsse zurück.

Elbfischer Eckhard Panz fängt täglich
40 Kilogramm Krabben
Elbfischer Eckhard Panz fängt täglich 40 Kilogramm Krabben © Christoph Brix

In der chinesischen Küche sind die Tiere begehrte Delikatessen – sowohl wegen des Geschmacks als auch wegen des hohen Nährwerts. „Ein Teller Krabben ist so viel wert wie ein ganzes Bankett“, heißt es bei den Chinesen. Die Traditionelle Chinesische Medizin schreibt den Krabben besondere Fähigkeiten zu. Der Verzehr soll gegen Rheumatismus helfen und Hüftschmerzen lindern. Eine beliebte Zubereitungsart ist das Dämpfen der Tiere. Das aus dem Panzer und den Zangen gelöste Fleisch wird danach beispielsweise in Sojasauce getunkt.

Die Europäische Union würde es wahrscheinlich gut finden, wenn wir Europäer mit den Krabben das täten, was die Chinesen tun: sie essen. Denn die Wollhandkrabbe steht auf der EU-Liste der „unerwünschten Spezies“. Nennenswerte Folge hat das erst einmal nicht, großflächige Strafaktionen sind nicht geplant. Wahr bleibt: Die Wollhandkrabbe ist hier nicht gern gesehen.

Dennoch ist ein Ende des Wachstums nicht zu erkennen. Probleme hatte das Schalentier nur in den 1960er-Jahren, als die Verschmutzung der Elbe die Bestände reduzierte. Mittlerweile ist das Elbwasser viel sauberer. Die Krabbe, die sich hauptsächlich von Pflanzen, Insektenlarven und Muscheln ernährt, hat sich eingelebt. Nicht nur in der Elbe, sondern auch in der Weser und der Ems. Der Einwanderer, so scheint es, hat es geschafft.