Tornesch. Tornescher Sportanlage verfügt über drei Plätze – und eine Krabbenpopulation. Die Art aus China verbreitet sich über Kanäle und Flüsse.

Es war gerade Halbzeit beim Spiel der Kreisliga-Fußballer des FC Union Tornesch II gegen den TuS Hasloh, als sich ein ungewöhnlicher Fan auf den Kunstrasen des Torneums vorwagte. Eine durchaus wehrhafte Chinesische Wollhandkrabbe enterte mit ihren acht haarigen Beinen die Seitenlinie und wurde prompt von der Hasloherin Monika Krüger entdeckt. Als sie näherkam, hob das Tier die Scheren in die Höhe – eine deutliche Drohgebärde. „Das war schon beeindruckend“, sagt Monika Krüger. Das Aussehen der Krabbe fand sie aber „eher gruselig“. So eine Kreatur sei ihr zuvor noch nie in freier Natur begegnet.

Dieses Gewässer ist ein Ziel der Wollhandkrabbe
Dieses Gewässer ist ein Ziel der Wollhandkrabbe © HA | Elvira Nickmann

Wahrscheinlich ist, dass das Tier aus dem Wassergraben, der direkt hinter den beiden Rückhaltebecken auf dem Gelände des Torneums verläuft, auf den Platz gelangt ist. Für die meisten Menschen sind die Krabben ein ungewöhnlicher bis verschreckender Anblick. Und doch ist ihr Auftreten in Tornesch gar nicht so überraschend, sagt Thomas Behrends, Nabu-Referent für Gewässerschutz. Die Chinesische Wollhandkrabbe, die ursprünglich aus Ostchina stammt, wurde in Deutschland bereits vor mehr als 100 Jahren nachgewiesen. 1912 entdeckte man sie in der Aller. Es wird vermutet, dass sie mit dem Ballastwasser von Handelsschiffen eingeschleppt wurde. Behrends weiß, dass die Jungtiere weit flussaufwärts wandern. „In Krückau und Pinnau sind immer welche“, sagt er. Und von dort ist es dann nicht mehr weit zum Torneum.

Die Tiere entwickeln sich im Salzwasser. Die aus dem Larvenstadium hervorgegangenen kleinen Krabben sind nur wenige Millimeter groß und starten ihre Wanderung erst nach eineinhalb bis zwei Jahren. Ein weibliches Exemplar kann bis zu 900.000 Eier legen. Daher gehöre die Art auch zu einer der invasivsten, sagt Behrends.

Krabben-Fakten

Die Chinesische Wollhandkrabbe hat sich in Deutschland explosionsartig vermehrt.

Zurückgedrängt wurde die Population bislang nur durch Gewässerverschmutzung.

Seitdem diese vielerorts zurückgegangen ist, wächst der Bestand der bis zu 30 Zentimeter breiten Wollhandkrabbe erneut.

Allein die Fischtreppe in Geesthacht überwinden täglich im Durchschnitt 4000 Tiere.

In China gilt die Krabbe als Delikatesse.

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„Nach über 100 Jahren hat die Wollhandkrabbe sich im Elbe-System verbreitet. Hier besetzt sie eine ökologische Nische.“ Es gebe keine signifikanten Hinweise, dass sie einheimische Arten verdränge, und bislang seien ihm keine von Wollhandkrabben verursachten ökologischen Schäden bekannt. Allerdings könnten die Krabben die Fangnetze von Fischern zerschneiden und hätten auch schnell gelernt, Anglern die Köder wegzufressen, ohne dass diese das bemerkten. Auch Martin Gretemeier, der Vorsitzende des Kreissportfischerverbands Pinneberg, hat „ab und zu eine an der Angel“, sagt er. Die Wollhandkrabben seien in allen größeren Gewässern im Kreis zu finden. Für gefährlich halte auch er sie aber nicht.

Rainer Lutz von der Stabsstelle Umwelt der Stadt Tornesch blickt auf eine Wollhandkrabbe am Rückhaltebecken Süd
Rainer Lutz von der Stabsstelle Umwelt der Stadt Tornesch blickt auf eine Wollhandkrabbe am Rückhaltebecken Süd © HA | Elvira Nickmann

Das Schalentier auf dem Sportplatz wanderte schließlich in Richtung des nördlichen Rückhaltebeckens, das von dichtem Schilf umgeben ist, und verschwand zwischen den Halmen. Das Spiel konnte so fortgesetzt werden. Trotzdem rief Krüger am Montag Rainer Lutz von der Stabsstelle Umweltschutz der Stadt Tornesch an. Schließlich spielen auch Kinder auf den Plätzen. Was, wenn eines auf der Suche nach einem Ball in der dichten Uferböschung auf eine Krabbe tritt? Lutz war erstaunt: eine Wollhandkrabbe? Bisher hatte er sie in diesem Gebiet für ausgerottet gehalten.

„Vor 20 Jahren hatten wir schon einmal welche“, gibt der Umwelt-Koordinator zu. „Die machten hier eine kleine Wanderung. Irgendwann sind sie aber wieder weg gewesen.“ Und jetzt sind sie offensichtlich zurückgekehrt.

Bei einer Begehung des Torneum-Geländes mit Rainer Lutz am Dienstag ist zuerst einmal kein Tier zu sehen. Am nördlichen Rückhaltebecken quaken nur die Frösche gegen den Lärm an, den ein paar Fußballkids auf dem Platz machen. Doch am südlichen Becken, dessen Ufer etwas weniger dicht bewachsen ist, liegt tatsächlich ein Exemplar am Ufer und scheint sich zu sonnen. Auch dieses streckt beim Näherkommen seine Scherenhände aus.

Umweltkoordinator Lutz, der sich danebengekniet hat, um die Krabbe näher in Augenschein zu nehmen, beeindruckt sie damit weniger. Allerdings findet auch er: „Die sieht schon martialisch aus, da müssen noch mehr sein.“ Sollte es Probleme in den technischen Anlagen des Platzes geben oder sogar Gefahr für Menschen bestehen, müsse die Stadt tätig werden, sagt er. Monika Krüger schlägt das Aufstellen von Warnschildern vor: „Damit man wenigstens weiß, was auf einen wartet.“