Stade. Eine neue Studie empfiehlt den Bau von Aquakulturen an der Unterelbe. Nutzen ließen sich Industriewärme und Nähe der Absatzgebiete.

Fischfarmen kennt man vom Mittelmeer oder dem asiatischen Pazifikraum, wo vor allem Meeresfrüchte produziert werden. In Norddeutschland ist diese Art der Fischzucht dagegen relativ selten. Und im Zusammenhang mit der Region links und rechts der Unterelbe würden einem wohl auch eher vertraute Bilder von Krabbenkuttern einfallen als von fest installierten Aquakulturen, in denen exotische Varianten der Krabbe wie Garnelen gezüchtet werden. Doch das könnte sich bald ändern. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine Studie, die von der länderübergreifenden Institution „Metropolregion Hamburg“ in Auftrag gegeben wurde.

Die bei der Hamburger Wirtschaftsbehörde angesiedelte Institution ist eine gemeinsame Einrichtung der norddeutschen Bundesländer zur Förderung von Infrastruktur, Wirtschaft und Tourismus in der Region. Im Blick sind dabei vor allem die Städte und Gemeinden entlang der Unterelbe. „Wir sehen hier viele Chancen“, sagt Metropolregion-Sprecher Swen Wacker. Und das in zweifacher Hinsicht: Zum einen gebe es dort in Elbnähe Trinkwasser in riesiger Menge. Und zum anderen böten die Industriestandorte am Fluss wie in Stade und Brunsbüttel überschüssige Wärme aus der industriellen Produktion. „Und beides könnte man für die Fischzucht nutzen“, so Wacker.

Deshalb hatten die Regionalplaner die Gesellschaft für Marine Aquakultur in Büsum mit einer umfangreichen Machbarkeitsstudie beauftragt. In Stad­e wurde sie nun Ende der Woche vorgestellt und mit Fachleuten sowie ersten möglichen Investoren besprochen.

Die Autoren der Studie untersuchten dabei exemplarisch das Industrieareal an der Schwingemündung bei Stader Sand – aber auch den Industriepark in Brunsbüttel. Die Frage dabei: Lassen sich dort pazifische Weißbeingarnelen und auch Zander produzieren?

Das Ergebnis der Studie überrascht, zumal pazifische Meerestiere nicht gerade zur heimischen Fauna der Unterelbe gehören. Rund 16,7 Millionen Euro müsste man laut Studie in eine solche Fischfarm bei Stade investieren und könnte dann mit einer jährlichen Profitabilität von 1,4 Millionen Euro rechnen. 500 Tonnen Zander und etwa 30 Tonnen Garnelen würde ein solcher Betrieb jährlich liefern .

Wegen der Nähe zu den Hauptabsatzgebieten könnten sie als Frischware an den Markt gehen

Gerade Garnelen benötigen konstant warmes Wasser, das mit der Abwärme ohne große Energiekosten geliefert werden könnte, heißt es in der Studie. Aus Sicht der Autoren sei dies eine durchaus „nachhaltige“ Lebensmittelproduktion. „Die Unterelberegion liegt im Herzen des deutschen Fischkonsums“, sagt der Leiter der Studie, Dr. Stefan Meier. Und nachhaltig erzeugte Fische und Krustentiere, die hier produziert würden, verdienten dann auch das Prädikat regional. Sie könnten wegen der Nähe zu den Hauptabsatzgebieten als Frischware an den Markt gehen, nicht als Tiefkühlprodukt wie es bei Garnelen sonst fast ausschließlich üblich sei. Meier. „Das ist ein ungemeiner Wettbewerbsvorteil vor Importware aus Übersee, den es jetzt auszubauen gilt.“

Den Blick lenken die Aquakultur-Experten aber nicht nur auf die wirtschaftlichen Vorteile von solchen Fischfarmen an der Elbe. Auch angesichts der immer knapper werdenden Wildfischbestände und ihrer Über­fischung sei eine „gesteigerte Selbstversorgung erstrebenswert“. So würden in Deutschland zwar viel Fisch und Meeresfrüchte konsumiert, aber weniger als 20 Prozent der Produkte stammten aus dem Inland.

Bisher sind Aquakulturen oder Fischfarmen eben noch ein relativ kleiner Wirtschaftszweig, oft in Verbindung mit klassischen Fischteichen. Noch sehr seltener seien moderne, geschlossene Kreislaufanlagen, wie sie den Autoren für die Unterelbe vorschweben. Das dort benutzte Wasser wird dabei zuvor aufbereitet und liefert so die Garantie für eine besonders hy­gienische Produktion. Und gerade Garnelen und Zander seien für solche Kreislaufanlagen gut in dieser Kombination geeignet – zumal sie auch besonders nachgefragt seien. Das Risiko von übertragbaren Krankheiten zwischen beiden Arten sei eben relativ gering. heißt es in der Studie. So ließe sich mit dem wärmeren und salzigeren „Garnelen-Abwasser“ das Wasser für die Zander strecken – was wiederum Kosten spare.

Die pazifische Weißbeingarnele, die nun bald von der Elbe kommen soll, lebt sonst im östlichen Pazifik, vor allem an den Küsten von Mexiko bis Ecuador. In Aquakultur werde sie bereits seit den 1960er-Jahren gehalten, meist in Erdteichen. Für die Produktion an der Elbe würde man Setzlinge aus den USA von einem Gewicht von nur 0,01 Gramm verwenden. Sie bekämen energiereiches Trockenfutter und würden in 28 Grad warmem Wasser innerhalb von sechs Monaten auf ihre „Marktgröße“ von bis zu 30 Gramm heranwachsen. Getötet werden sie dann in einem Elektrobad.

Zander hingegen würden in 24 Grad warmem Wasser gehalten, weil sie bei kälterer Umgebung die Futteraufnahme und damit das Wachstum reduzieren würden. Innerhalb von zehn Monaten könnte dann der Studie zufolge unter solchen Bedingungen in der Aquakultur aus einem zehn Gramm schweren Setzling ein bis zu einem Kilogramm schwerer Speisefisch werden – der ebenfalls im Elektrobad sein Lebensende findet.