Kiel. Nach der blutigen Auseinandersetzung zwischen Bandidos und einem Hells Angel will das Land im Kampf gegen Rockerkriminalität nachlegen.

Mit einem eigenständigen Sachgebiet bei der Polizei richtet sich Schleswig-Holstein auf einen dauerhaften Kampf gegen Rockerkriminalität im Norden ein. Bisher gab es eine temporäre Sonderkommission. „Wir verfolgen weiter eine Null-Toleranz-Strategie, die ein niedrigschwelliges Einschreiten gegen kriminelle Rockergruppierungen vorsieht“, sagte Innenminister Stefan Studt (SPD). Trotz eines blutigen Zwischenfalls zwischen Bandidos und einem Hells Angel im Kreis Steinburg kürzlich könne derzeit aber nicht von einer neuen Eskalation der Gewalt unter rivalisierenden Rockerbanden gesprochen werden.

Bei dem jüngsten Vorfall in Dägeling (Kreis Steinburg) am vergangenen Montag wurde ein mutmaßlicher Hells-Angel-Rocker aus Hamburg mit einem Messer verletzt. Drei von vier Tatverdächtigen im Alter zwischen 24 und 34 Jahren, Mitglieder der Rockergruppe Bandidos, wurden noch am gleichen Abend in Elmshorn festgenommen.

Vor einigen Jahren hatte im Norden ein Rockerkrieg getobt

„Offene Auseinandersetzungen, wie es sie 2009/2010 gab, hat es in den letzten Jahren nicht gegeben“, sagte Studt. „Aufgrund eines einzelnen Vorfalles kann dieses Ergebnis nicht ignoriert werden.“ Die von einzelnen Gruppierungen ausgehenden Gefahren seien bekannt. Man werde jedoch nicht dulden, dass Rockergruppen die öffentliche Sicherheit gefährden, indem sie Konflikte gewaltsam offen austragen.

Vor einigen Jahren hatte im Norden ein Rockerkrieg getobt. Nach mehreren Auseinandersetzungen rivalisierender Gruppen folgten damals Verbote von Ortsgruppen der Hells Angels in Flensburg (2010) und Kiel (2012) sowie der verfeindeten Bandidos in Neumünster (2010).

Konflikte im Zusammenhang mit Milieu- und Rotlichtkriminalität

„Die in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen haben nachhaltige Wirkungen auf die Rockerszene gezeigt“, sagte Studt. „Die Akteure sind deshalb aber natürlich nicht verschwunden.“ Auseinandersetzungen stünden meist im Zusammenhang mit typischen Betätigungsfeldern der Milieu- und Rotlichtkriminalität, insbesondere dem Rauschgifthandel. „Rockergruppen konkurrieren aber auch in legalen Geschäftsbereichen wie Bordellen, Tattoo-Shops und Security-Dienstleistungen, zudem gibt es territoriale Ansprüche und persönliche Rivalitäten.“

Ein Teil der Rockerkriminalität finde im Verborgenen statt und sei der Organisierten Kriminalität zuzurechnen, sagte der Innenminister. Sorgen bereiten den Behörden jüngste Veränderungen in der Szene im Norden. „Seit April existiert in Schleswig der Northmen MC und wird als Supportergruppierung des Bandidos MC eingestuft“, sagte Studt. Eine erste gemeinsame Veranstaltung am 23. April in Schleswig sei von der Polizei begleitet worden, um eine Machtdemonstration zu verhindern.

Kutte als Bestandteil der Rockerkultur

In Schleswig-Holstein gibt es Ortsgruppen verschiedener Motorradclubs und entsprechende Unterstützerclubs - sogenannte Supporter. 2013 hatte sich das Charter der Hells Angels in Lübeck aufgelöst - wohl um einem Verbot zuvorzukommen. Im zweiten Halbjahr 2015 traten Rocker dort nach Polizeiangaben aber wieder als MC Lubeck in Erscheinung.

Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Sommer ist das Tragen ihrer Kutten wieder leichter geworden, es gilt als ein wesentlicher Bestandteil der Rockerkultur. Das Auftreten von Rockern unter Zurschaustellung ihrer Insignien sei zunächst ein ganz normaler Vorgang, sagte Studt.

„Unter bestimmten Bedingungen kann das Auftreten in Rockerkutte aber als Machtdemonstration und Mittel zur Einschüchterung gewertet werden, so auch am 9. Januar in Lübeck“, sagte der Minister. Damals hätten sich Mitglieder des Lübecker Hells Angels Charters mit Supportern geballt in der Innenstadt gezeigt. „Dieser Spaziergang wird rückwirkend als eine Reaktion auf die Konflikte in Hamburg zwischen dortigen Hells Angels und dem Mongols MC bewertet.“