Die Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW arbeitet ohne Skandale – und ohne Höhepunkte. Doch auch die CDU schwächelt.

Die Regierung dümpelt so vor sich hin – wie die Opposition. Ein Jahr vor der Wahl in Schleswig-Holstein am 7. Mai 2017 treibt die Politik im Land zwischen den Meeren durch ruhiges Fahrwasser. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), der das auch bleiben will, agiert mit seiner Regierung aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) ohne große Pleiten und ohne viel Reformeifer. Sie macht nicht alles gut, aber die Opposition aus CDU, FDP und Piraten findet weniger Angriffspunkte als von ihr erhofft. Einig sind sich alle angesichts der in Umfragen starken AfD, dass es gut ist, dass der Norden jetzt nicht wählt. Die Stimmung bei den Wählern zeigte im April eine Forsa-Umfrage: Danach liegen SPD und CDU mit je 28 Prozent gleichauf. Das sind etwa zwei Prozentpunkte weniger als 2012. Die Parteien der regierenden Koalition aus SPD, Grünen und dem SSW kämen auf 48 Prozent.


Landesregierung: Sie hat die Flüchtlingskrise nach Startschwächen in den Griff bekommen. Besonders die Unterbringung funktioniert, nachdem im Eiltempo genug Kapazitäten entstanden. Wegen der anhaltend hohen Steuereinnahmen kann die Koalition die Flüchtlingskosten bewältigen und Investitionen in die Infrastruktur vorziehen. So büßt die Opposition einen Wahlkampfthema zum Teil ein. Aber Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) ist ihren Ruf als Sparkommissarin los, nachdem sie den Konsolidierungskurs aufweichen musste. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner hatte die Abkehr vom schlanken Staat verkündet – zumindest für Schule, Polizei und Justiz.


CDU: Die Christdemokraten werden nach derzeitigem Stand im Juni ihren Landesvorsitzenden Ingbert Liebing zum Spitzenkandidaten wählen. An dessen Eignung dafür zweifeln viele in der Partei. Fraktionschef Daniel Günther hat sich als Oppositionsführer profiliert, aber auch mit einer Pro-Schweinefleisch-Initiative viel Spott eingehandelt. Im Wählervolk könnte dies dennoch Punkte gebracht haben. Ob die CDU ihr Ziel erreichen kann, 2017 klar vorne zu liegen (2012 stand es gegen die SPD 30,8 zu 30,4 Prozent), ist offen. Für viel Ärger sorgte eine verpatzte Kandidatenaufstellung, bei der im Wahlkreis Dithmarschen-Schleswig Landesparteivize Heike Franzen scheiterte.


SPD: Hier gibt Stegner den Takt vor. Albig ist mehr auf ihn angewiesen als umgekehrt. 2017 stärkste Kraft zu werden, hat Stegner als Ziel ausgegeben. Dann soll die Koalition mit Grünen und SSW neu aufgelegt werden. In der Bundespolitik mischt Stegner als Parteivize weiter laut mit. Dass er nicht in den Bundestag wechseln will, ist jetzt klar. Ihn hätte an der Spitze der Fraktion niemand auch nur annähernd gleichwertig ersetzen können. Hier teilt die SPD ein Profilproblem mit der CDU. Von den vier SPD-Ministern werden Stefan Studt (Inneres) und Kristin Alheit (Soziales) auch koalitionsintern nicht unbedingt ausgewiesene Politiker-Qualitäten bescheinigt.


Grüne: Sie stellen mit Heinold und Vize-Regierungschef Robert Habeck (Umwelt, Energie, Landwirtschaft) Stützen des Kabinetts. Während Heinold möglichst viel von der Haushaltskonsolidierung bewahren will, muss Habeck harte Konflikte mit Bauern, Fischern und Atomindustrie austragen – und mit Umweltschützern, die noch mehr Öko wollen. Zuletzt stand er mit dem Ziel, Spitzenkandidat der Bundes-Grünen zur Bundestagswahl zu werden, ganz persönlich im Fokus. Ein Landesparteitag gab ihm dafür jetzt mit 81,4 Prozent Rückenwind. Bei der Forsa-Umfrage im April kamen die Grünen auf sehr gute 16 Prozent (2012: 13,2 Prozent).


SSW:Die Partei der dänischen und friesischen Minderheit hat mit der erstmaligen Regierungsbeteiligung viel erreicht. In der Koalition wirkt sie stabilisierend, wenn es mal zwischen SPD und Grünen hakt. Fraktionschef Lars Harms hat sich profiliert und wäre nach dem angekündigten Ausscheiden von Justizministerin Anke Spoorendonk der nächste SSW-Minister, wenn es 2017 wieder zum Mitregieren reicht. Zuletzt kam der SSW auf vier Prozent in der Forsa-Umfrage.


FDP:
Ihr Erfolgsgarant ist seit fast einem Vierteljahrhundert Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Er führte die Liberalen auch 2012 zum Erfolg (8,2 Prozent), als die Bundespartei im Stimmungstief steckte. 2017 soll es gar zweistellig werden, was bisher einmal gelang, 2009 (14,9 Prozent). Bei der Forsa-Umfrage kam die FDP auf 9 Prozent. Auch wenn die FDP 2009 bis 2012 mit der CDU regierte, wäre sie gut „ampelfähig“ – gäbe es bei der SPD nur nicht die Feindfigur Stegner. Kubicki kandidiert wieder für den Landtag, aber auch für den Bundestag. Käme er dort hinein, würde er nach Berlin wechseln, hat der FDP-Bundesvize angekündigt.


Piraten:
Das bleibt wohl ein einmaliges Parlamentsabenteuer (Forsa-Umfrage: 1 Prozent). Die Chancen auf Wiedereinzug sind angesichts des bundesweiten Niedergangs der Partei äußerst gering. Im Landtag bewegten sie mit Anträgen und Kleinen Anfragen ein bisschen, anders als die Linke in der Legislatur davor.


AfD:
Die rechtspopulistische Partei käme auf 9 Prozent und damit auch im Norden ins Parlament. Auf Landesebene spielt sie bisher keine Rolle. Im Landesverband gab es heftige Zerwürfnisse zwischen führenden Mitgliedern. Mitte April wählte der Landesparteitag nach heftigen Streitereien einen neuen Landesvorstand. Die Parteiabspaltung Alfa mit der Ex-AFD-Landesvorsitzenden und Europaabgeordneten Ulrike Trebesius konnte bisher gar nicht Tritt fassen.