Westerland . Neue Aufspülungen geplant. Erstmals kompletter Schutz für Westerland. Experten sehen die Insel trotz Klimawandels nicht in Gefahr.

Blauer Himmel und eine frische Brise aus Südwest lockten am Dienstag zahlreiche Spaziergänger an Sylts Westküste. Eine 20-köpfige Expertenkommission hatte freilich wenig Sinn für die schöne Szenerie: Sie blickte vom Geländewagen aus vor allem auf Sand und Strand. „Vergleichsweise sind die Strände in einem guten Zustand“, resümierte Johannes Oelerich nach der Tour. Er habe in früheren Jahren schon stärkere Sandverluste gesehen.

Johannes Oelerich ist Direktor des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz in Schleswig-Holstein und inspizierte am Dienstag jene Strände auf Sylt, an denen der „Blanke Hans“ in den vergangenen Monaten besonders gewütet hatte. Mit dabei waren bei der jährlichen Strandbegehung auch die Inselbürgermeister, Touristiker sowie Mitarbeiter des Landschaftszweckverbands und des Kieler Umweltministeriums.

Sylts Küstenschutz kostet 2016 7,2 Millionen Euro

Am Ende waren sich die Experten schnell einig: An zehn Strandabschnitten der beliebten Nordseeinsel sind in dieser Saison wieder Sandaufspülungen fällig. Die neuralgischen Punkte liegen diesmal in Hörnums Westen und in Westerland. „Erstmals bekommt der Strand von Westerland 60.000 Kubikmeter Sand“, sagte Oelerich dem Abendblatt. „Und der Vorstrand erhält 350.000 Kubikmeter.“ Vorstrand bezeichnet den ganz oder zeitweise im Meer befindlichen Teil.

Mit einer Finanzspritze von 7,2 Millionen Euro wird Sylts Westen auch in diesem Jahr vor den Naturgewalten geschützt. Zwischen Hörnum im Süden und List im Norden sind von Mitte April bis Oktober Sandaufspülungen auf einer Strandlänge von gut zehn Kilometern geplant. „Insgesamt werden rund 1,4 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült. Davon gehen rund eine Million Kubikmeter an die Strände und 0,35 Millionen Kubikmeter in den Vorstrand“, sagt Hendrik Brunck­horst, Sprecher des Landesbetriebs Küstenschutz mit Sitz in Husum. Während bei der bedrohten Hörnum-Landzunge (das Abendblatt berichtete) die diesjährigen Küstenschutz-Maßnahmen bereits abgeschlossen sind, wird die Westküste von Hörnum mit 260.000 Kubikmetern Meeressand stabilisiert.

Sylt bekommt Sand für 7,2 Millionen Euro

Am Sonnabend haben die jährlichen Sandvorspülungen auf der Insel Sylt begonnen
Am Sonnabend haben die jährlichen Sandvorspülungen auf der Insel Sylt begonnen © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Bodo Marks
Weil Sturm und Brandung staendig an der Insel nagen, verliert die Nordseeinsel Sylt rund eine Million Kubikmeter Sand im Jahr
Weil Sturm und Brandung staendig an der Insel nagen, verliert die Nordseeinsel Sylt rund eine Million Kubikmeter Sand im Jahr © picture alliance / rtn - radio t | dpa Picture-Alliance / rtn, ute strait
Eine sogenannte Dükerleitung, über die ein Wasser-Sand-Gemisch von einem Spülschiff auf den Strand gespült wird, liegt am Strand von Westerland auf Sylt
Eine sogenannte Dükerleitung, über die ein Wasser-Sand-Gemisch von einem Spülschiff auf den Strand gespült wird, liegt am Strand von Westerland auf Sylt © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Bodo Marks
 Durch regelmaessige Sandvorspuelungen gleicht der Kuestenschutz diesen Landverlust jedoch wieder aus
Durch regelmaessige Sandvorspuelungen gleicht der Kuestenschutz diesen Landverlust jedoch wieder aus © picture alliance / rtn - radio t | dpa Picture-Alliance / rtn, ute strait
.Die Arbeiten haben nach Angaben des Kieler Umweltministeriums einen Umfang von rund 80.000 Kubikmetern
.Die Arbeiten haben nach Angaben des Kieler Umweltministeriums einen Umfang von rund 80.000 Kubikmetern © picture alliance / rtn - radio t | dpa Picture-Alliance / rtn, ute strait
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Die Gesamtmenge, die ein dänisches Spülschiff 2016 fördern wird, ist allerdings geringer als im vergangenen Jahr. Damals waren 1,7 Millionen Kubikmeter für rund neun Millionen Euro angespült worden. In den nächsten Monaten hat die Besatzung des Spülschiffes wieder viel zu tun. Gut acht Kilometer im Meer vor Westerland saugt ein Bagger in einer Tiefe von 15 bis 30 Metern ein Wasser-Sand-Gemisch an Bord. Nach einer Stunde ist der Laderaum gefüllt – und los geht’s Richtung Küste. Mit viel Wasser wird der Sand über eine Spülleitung an den Sylter Strand gepumpt und mit Planierraupen verteilt. „Rund um die Uhr fährt der sogenannte Hopperbagger hin und her, etwa sechsmal am Tag, sechs Monate lang“, sagt Hendrik Brunck­horst. Verständlich, dass auch Tourismusvertreter am Dienstag der Expertengruppe angehörten, um die Feriengäste rechtzeitig über die Küstenschutzarbeiten an den einzelnen Strandabschnitten zu informieren.

Seit dem ersten Test im Jahr 1972 sind Sandaufspülungen eine erfolgreiche Methode, um den Landverlust der 100 Quadratkilometer großen Insel auszugleichen. Seit Jahrtausenden ist das Eiland Sturmfluten und Wellen weitgehend schutzlos ausgesetzt. Dazu kommt der stete Anstieg des Meeresspiegels – fünf Meter in 6000 Jahren. Die vorherrschenden Westwinde und die starke Brandung des Meeres tragen jährlich bis zu vier Meter von der Westseite der Insel ab. Jährlich sind das im Durchschnitt rund eine Million Kubikmeter.

Es gibt auch kuriose Vorschläge, um Sylt zu erhalten

Wie die Kieler Wissenschaftler Achim Daschkeit und Horst Sterr nachgewiesen haben, sind die Küstenschutzmaßnahmen tatsächlich eine Investition in die Zukunft. Sie stellten fest, dass kurzfristig „keine besorgniserregende Gefährdung“ für Sylt im Blick auf Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten bestehe. Auch in ökologischer Hinsicht seien keine gravierenden negativen Folgen zu erwarten, heißt es in einer Studie der beiden Kieler Geografen. Am Beispiel dieser Insel konnte vielmehr gezeigt werden, dass bei einer erwarteten Erhöhung des Meeresspiegels um rund 50 Zentimeter bis zum Jahr 2050 und einer Zunahme der Sturmintensität um zehn Prozent bereits mäßige Steigerungen der Sandmengen ausreichen.

Es gibt aber auch kuriose Vorschläge, um den immer währenden Sandverlust zu stoppen. Statt Sand sollten Hunderte im Meer versenkte Autoreifen Schutz bieten, regte einmal ein besorgter Bürger an. Ein anderer Vorschlag favorisiert den Einsatz von ausrangiertem militärischem Großgerät, das die Wellen brechen könnte. Sandaufspülungen seien jedoch immer noch das beste Mittel, entgegnen Experten. Allein die Entnahmestelle im Meer vor Westerland reiche bis ins nächste Jahrzehnt, sagt Johannes Oelerich.