Helgoland . Früher bedeutete schlechtes Wetter weniger Besucher auf der Hochseeinsel und weniger Einnahmen. Heute ist es eine Geldquelle.

Wenn der Wind kräftig über die Insel pfeift, klingelt es in der Gemeindekasse. Das ist neu. Früher bedeutete schlechtes Wetter weniger Besucher auf Helgoland und damit weniger Einnahmen. Doch die größte Geldquelle der einzigen deutschen Hochseeinsel hat lukrative Konkurrenz bekommen. Der Wind auf Helgoland hat sich gedreht. Die dauerhaft unter­finanzierte Inselgemeinde, die die vergangenen Jahrzehnte auf Hilfe vom Festland angewiesen war, kommt dank der Offshorewirtschaft in den Genuss eines hohen Geldsegens.

Als Jörg Singer kürzlich nach Kiel aufbrach, um dort mit dem Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein wie jedes Jahr über den Haushalt seiner Gemeinde zu verhandeln, hatte Helgolands Bürgermeister ganz ungewöhnliche Zahlen im Gepäck. Denn sie sind erstmals seit 1990 nicht rot. Im Gegenteil. Für das Jahr 2016 rechnet die Gemeinde mit einem Haushaltsplus von 1,83 Millionen Euro. Gleichzeitig werden Schulden abgebaut. Möglich machen das die sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen. Die finanziellen Auswirkungen der neuen Offshoreparks vor Helgoland, die in diesem Jahr den kommerziellen Betrieb aufgenommen haben, erreichten die Inselgemeinde schneller und deutlich stärker als erwartet.

Rechneten die Helgoländer Anfang des Jahres mit einem Minus von drei Millionen Euro für 2015, sind es nun mit den eingerechneten Steuervoranmeldungen der Offshoreunternehmen sechs Millionen Euro Plus. Auch das Haushaltsjahr 2014 endete nachträglich sehr positiv. „Aufgrund der Gewerbesteuereinnahmen aus der Offshorewindkraft weist der Haushalt der Gemeinde Helgoland erstmals seit Jahrzehnten im Jahr 2014 ein Haushaltsplus von 7,9 Millionen aus“, erklärt Bürgermeister Singer.

Bis die Energieunternehmen auf der Insel Einzug hielten, nahm die Gemeinde etwa 800.000 Euro an Gewerbesteuern ein. Jetzt sind es 15 Millionen Euro – so viel wie einst das gesamte Haushaltsvolumen der 1500-Seelen-Gemeinde. Dazu muss man wissen, dass über den Helgoländer Haushalt die Gewerbesteuer aller Windparks auf dem schleswig-holsteinischen Festlandsockel abgerechnet werden. Das umfasst die Offshoreparks direkt vor Helgoland, aber auch die vor Sylt. Insgesamt handelt es sich um sieben Windparks.

Goldene Wasserhähne werde es trotz der Einnahmen auf Helgoland nicht geben

Für die kommenden Jahre sind zweistellige Millionenbeträge eingeplant. Allerdings verweist Singer darauf, dass es sich um Steuervorauszahlungen handelt und somit geschätzte Einnahmen. Ob die sich erfüllen, hat mit dem Wind und dem Erfolg der Anlagen zu tun, die Strom für mehr als 900.000 Haushalte liefern sollen.

Bislang machen die Testphasen und ersten Zwischenbilanzen der drei auf der Insel selbst vertretenen Unternehmen in Sachen Offshore Hoffnung. So vermeldete RWE kürzlich einen Produktionsrekord für den im Mai in Betrieb genommenen Windpark Nordsee Ost vor Helgoland. Dessen 48 Turbinen erzeugten in den stürmischen Herbstmonaten rund 6500 Megawattstunden Strom pro Tag.

„Bislang liegen wir im Plan und sind mit der Leistung des Parks sehr zufrieden“, sagt Sven Schulemann, Leiter des Windparks. Allerdings gebe es bei der Wartung und dem Betrieb der Windkraftanlagen auf See immer wieder technische Herausforderungen zu meistern. Je nach Wetterlage käme es hin und wieder zu Ausfallzeiten einzelner Anlagen. Doch die Verfügbarkeit und Stärke des Windes entschädigt dafür. „Bislang liegen wir im Plan und sind mit der Leistung des Parks zufrieden“, so Schulemann.

Während die Räder fleißig Wind in Strom und Geld verwandeln, drückt Singer auf die Euphoriebremse. Goldene Wasserhähne werde es trotz der rauschenden Gewerbeeinnahmen auf Helgoland nicht geben. Denn mit den gestiegenen Einnahmen erhöhen sich die zu zahlenden Umlagen an den Kreis Pinneberg und das Land. Vorerst benötigt die Insel das Geld auch, um die Schulden abzubauen, in die sich die Gemeinde stürzte, um die Voraussetzungen für den Offshoreservicestandort zu schaffen. So investierte die Gemeinde in den Umbau des Südhafens. Von hier aus sollen die Wartungsschiffe der Energieunternehmen in Richtung Offshorepark starten. Die Servicegebäude der drei hier angesiedelten Energieunternehmen RWE, E.on und WindMW sind bereits fertig, der Hafenumbau soll im Frühjahr 2016 voll­endet sein.

„Die seit 2012 stark angestiegene Verschuldung von zehn auf 23 Millionen konnten wir aufgrund der Steuereinnahmen in diesem Jahr auf 16,7 Millionen und voraussichtlich 2016 auf 14 Millionen zurückfahren“, sagt Singer. Doch nicht nur am Haushalt lässt sich der positive Einfluss des neuen Wirtschaftszweigs auf die Insel ablesen. „Die Wirtschaftskraft auf der Insel ist gestiegen“, stellt Helgolands Bürgermeister fest. Das wirkt sich aus. Die Gastronomie verzeichnet bessere Umsätze. Die Besucherzahlen im Schwimmbad sind gestiegen. Die einzige Arztpraxis der Insel konnte eine weitere Helferin einstellen. Und wenn Not am Mann ist, packen die neuen Inselbewohner, die im Schichtdienst auf der Insel arbeiten und leben, auch mit an.