HelWin Alpha. Delegation der Energieminister weiht RWE-Offshore-Windpark Nordsee Ost ein. Zweitägiges Treffen in Hamburg.

Natürlich die Deutschen. Wer sonst käme auf so eine verrückte Idee. Weit hinterm Horizont, super teuer, hoch komplex. Aber am Ende brillant. Am frühen Nachmittag landet Sigmar Gabriel (SPD) per Hubschrauber auf HelWin Alpha, mit großem Gefolge. Ministerpräsident Torsten Albig aus Schleswig-Holstein ist dabei und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (beide SPD). Noch viel wichtiger aber sind die Delegationsmitglieder aus dem Ausland, die sich am Montag und Dienstag zum Treffen der Energieminister aus den G7-Staaten im Hamburg Hotel Atlantic versammeln. Die sieben leistungsstärksten Industrienationen beraten über ihre Energiewirtschaft und -politik. Und Bundeswirtschafts- und Energieminister Gabriel (SPD) hat sie zu einem ganz besonderen Ausflug eingeladen. Auf der Nordsee vor Helgoland eröffnet er den RWE-Offshore-Windpark Nordsee Ost und die Konverterstation HelWin Alpha, die bei strahlender Sonne knallgelb über das Meer leuchtet. „Die Kollegen sind beeindruckt“, sagt Gabriel nach einem Rundgang über die Plattform. Auch er selbst habe noch keine Gelegenheit gehabt, solch eine Anlage zu besuchen. „Das ist Hochtechnologie, fast schon ein bisschen wie Raumfahrt.“

Es ist ein Spektakel, eine Leistungsschau, die man so derzeit nirgends sonst auf der Welt veranstalten könnte. Drei Offshore-Windparks liegen um HelWin Alpha und ihre Schwesterstation HelWin Beta herum. Die Konverterstationen von Siemens wandeln den Wechselstrom aus den Windparks in Gleichstrom, damit er mit nur geringen Verlusten über eine Distanz von 70 bis 100 Kilometern an Land geleitet werden und dort wieder in Wechselstrom umgespannt werden kann. Nur im deutschen Teil der Nordsee wird diese Technologie bislang eingesetzt, denn hier liegen die Windparks besonders weit von der Küste entfernt.

Auf der Nordsee wächst Deutschlands Energiezukunft heran – Dutzende Windparks, die das ganze Jahr über zuverlässig Strom für das gesamte Land erzeugen sollen. Mehr als eine Milliarde Euro kostet allein ein Landanschluss wie HelWin Alpha mit seiner Station auf See, dem Seekabel und dem Gegenstück auf dem Festland, das in diesem Fall in Büttel bei Brunsbüttel in der Nähe des Nord-Ostsee-Kanals steht. Die gleiche Summe investierte RWE in den Windpark Nordsee Ost, auf dem 48 Windturbinen von Senvion mit insgesamt 288 Megawatt Leistung installiert wurden. „8000 Stunden Stromerzeugung im Jahr, davon rund die Hälfte unter Volllast, so wird die Energiewende grundlastfähig“, sagt RWE-Konzernchef Peter Terium. Dies sei „nicht der schlechteste Tag für den Chef eines Energiekonzerns“.

Für Gabriel ist es ein Triumph. Als er 2005 bis 2009 Bundesumweltminister in der damaligen Großen Koalition war, wurden Projekte wie Nordsee Ost und HelWin Alpha vorbereitet. Aber niemand wusste, ob sie je funktionieren würden. Nun stehen EU-Energiekommissar Miguel Arias Canete und die Chefin der einflussreichen Internationalen Energieagentur (IEA), Maria van der Hoeven, neben Gabriel auf dem Deck von HelWin Alpha und sagen unisono: „Keine Energiezukunft ohne erneuerbare Energien. Und keine Energiewende ohne Offshore-Windkraft.“ Solche Feststellungen, sagt Gabriel anschließend, „wären noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen“.

Beim Treffen der G7-Energieminister kann er das in Hamburg als Vorbild präsentieren. „Wir haben das Lehrgeld für die Entwicklung der Offshore-Windkraft in küstenfernen Lagen gezahlt“, sagt er. „Nun entwickeln wir daraus exportfähige Produkte, wie wir es bereits bei der Windkraft an Land getan haben.“ Mehrfach lobt er Torsten Albig und Olaf Scholz: „Die beiden Ministerpräsidenten haben, als wir bei der Regierungsbildung 2013 über die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verhandelt haben, die Zukunft der Offshore-Windkraft in Deutschland gesichert. Sie haben sich gegen viele Widerstände durchgesetzt, als es um die Sicherung der Finanzierung für Offshore-Windparks ging.“ Man habe bewiesen, sagt Albig stolz, dass es auch ohne die alten, umweltschädlichen Technologien gehen werde: „Wir brauchen in Zukunft keine Atomkraft und keine Kohle mehr. Wir machen es mit der Windkraft und den anderen erneuerbaren Energien.“ Und Scholz ergänzt: „Hamburg ist ein Zentrum der Windkraft in Europa, gerade auch bei der Entwicklung neuer Offshore-Parks. Das wollen wir in den kommenden Jahren weiter ausbauen.“

Und da steht sie nun, die Offshore-Windkraft. Die Meereskraftwerke Meerwind Süd Ost von WindMW und Nordsee Ost von RWE laufen bereits. Amrumbank West von E.on in Sichtweite davon wird derzeit gebaut. Neben diesen drei könnten HelWin Alpha und HelWin Beta weitere zwei bis drei Offshore-Parks an das Landnetz anschließen. Rund 3000 Megawatt Leistung sind auf der deutschen Nordsee und Ostsee bis Ende 2015 insgesamt in Betrieb, das reicht rechnerisch für die Versorgung von drei Millionen Haushalten. Bis 2020 soll diese Leistung auf 6500 bis 7000 Megawatt steigen.

Alle küstenfernen Nordsee-Windparks schließt Tennet an das Landnetz an, der niederländische Konzern, dessen dafür verantwortliches deutsches Tochterunternehmen in den vergangenen Jahren manche Rückschläge und Verzögerungen bei den Netzanschlüssen hinnehmen musste. Nun aber sind die Abläufe strukturierter, arbeiten die einzelnen Industrie- und Energiebranchen enger miteinander und mit der Politik zusammen als noch vor einigen Jahren. „Wir führen die verschiedenen Fäden der Energiewende jetzt zusammen“, sagt Gabriel. „Die ungeordnete, eher chaotische Phase dieses großen Projektes ist vorbei.“

Doch vollendet ist die Energiewende noch lange nicht. Welche Rolle Kohlekraftwerke als Stabilisatoren der Energienetze weiterhin spielen sollen, wer für den Abriss der Atomkraftwerke nach dem endgültigen Aus für die Atomkraft im Jahr 2021 letztlich zahlt, wie die Politik die Bürger erfolgreich in den Ausbau der Stromnetze einbindet, all das wird noch für viel politischen Streit sorgen, auch zwischen RWE und der Bundesregierung, die an diesem Tag einträchtig beieinander stehen. „Zu 30 Prozent“ sei die Energiewende umgesetzt, sagt RWE-Chef Terium, der sich dabei auf den heutigen Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland bezieht. Der umfasst mittlerweile etwa 28 Prozent. Einen Anteil von 85 Prozent strebt die Bundesregierung bis zum Jahr 2050 an.

Doch so einfach geht die Rechnung nicht auf. Der Strom, den die Energieversorger in Norddeutschland ernten, an Land und schnell zunehmend auch auf See, muss zu einem großen Teil nach Süddeutschland exportiert werden. Dort sind die großen industriellen Verbrauchszentren. Aber Fernleitungen wie das Projekt SuedLink von Tennet sind bei den Anrainern hoch umstritten. Und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) lehnt den Anschluss per Stromkabel an den Norden bislang rundweg ab. „Wir brauchen SuedLink, die Zeit drängt“, sagt Tennet-Deutschlandchef Lex Hartmann. „Der Anschluss von Offshore-Parks an das Landnetz ergibt nur dann Sinn, wenn dieser Strom auch zeitgerecht beim Endverbraucher aus der Steckdose kommen kann.“

Sigmar Gabriel hat die Entwicklung der Offshore-Windkraft in Deutschland vom ersten Tag an erlebt, als Ministerpräsident von Niedersachsen, als Bundesumweltminister, nun als Wirtschafts- und Energieminister und als Vizekanzler. „Bei den Fernleitungen nach Süddeutschland werden wir weit mehr Erdverkabelung haben, als früher gedacht, weil die Kosten für diese Technologie sinken. Mit Erdkabeln steigt die Akzeptanz der Bürger für solche Projekte“, sagt er vor dem Flug zum G7-Treffen in Hamburg. „Und die Offshore-Windkraft steckt längst in der Phase der Industrialisierung. Ich habe erlebt, wie die Industrie an der Küste viele Arbeitsplätze verloren hat, vor allem bei den Werften. Heute sehen wir, wie Tausende Arbeitsplätze neu entstehen.“