Kaltenkirchen. Geplante Verlängerung der S-Bahnlinie 21 ist gefährdet. Gutachter errechnen sinkenden Nutzen des Nahverkehrs-Projekts.

Das wichtigste Nahverkehrs-Projekt im Norden Hamburgs steht auf der Kippe. Die verlängerte S-Bahnlinie 21 soll in einigen Jahren Kaltenkirchen direkt mit dem Hamburger Hauptbahnhof verbinden. Doch nun zeigt ein aktuelles Gutachten: Der Nutzen dieser Investition liegt nur noch knapp über den Kosten. „Sollten dem Projekt weitere Kosten auferlegt werden, ist das bisherige positive Ergebnis gefährdet“, heißt es in einem Gutachten der Firma Intraplan Consult.

Die Folgen wären fatal: Der Bund würde dann kein Geld in das rund 83 Millionen Euro teure Verkehrsprojekt stecken. Die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein müssten es allein bezahlen – was sie nicht wollen. Fazit von Christopher Vogt (FDP), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Kieler Landtag: „Die Verlängerung der S21 von Hamburg-Eidelstedt bis Kaltenkirchen ist alles andere als sicher.“ Vogt würde es bedauern, wenn das Projekt scheitern würde. Er hält es nach wie vor für äußerst sinnvoll. „Wir bringen damit Berufspendler von der Straße auf die Schiene“, sagt er. Er steht damit nicht allein. Im Kieler Landtag sind nach wie vor alle Fraktionen für die S21. Wichtigster Vorteil: Kaltenkirchen und die übrigen Orte an der Strecke (Henstedt-Ulzburg, Ellerau, Quickborn, Bönningstedt) würden direkt mit dem Hamburger Hauptbahnhof verbunden werden. Derzeit verkehrt auf der Strecke die AKN-Bahn mit ihren von Dieselmotoren angetriebenen Zügen. Wer zum Hauptbahnhof will, muss meist in Eidelstedt umsteigen – von einigen wenigen Direktverbindungen abgesehen. Eine verlängerte S21 würde also den Fahrgastkomfort erhöhen. Das Umsteigen entfiele, die Fahrzeit von Kaltenkirchen bis zum Hauptbahnhof würde um etwa fünf Minuten sinken – von 46 auf 41 Minuten. Ein attraktives ÖPNV-Angebot, findet Vogt. Es könnte Autofahrer dazu bewegen, auf die Schiene umzusteigen.

Wenn es sich denn rechnet. Die Strecke zwischen Eidelstedt und Kaltenkirchen ist derzeit nicht komplett zweigleisig, auf zwei Abschnitten müsste sie für den S-Bahn-Betrieb noch ausgebaut werden. Außerdem braucht die elektrisch angetriebene S-Bahn eine Stromversorgung an den Gleisen. 45 Millionen Euro wird allein das verschlingen. Es ist der mit Abstand teuerste Teil der Gesamtinvestition in Höhe von 83 Millionen Euro.

Doch was passiert, wenn diese Kosten weiter steigen? Dass sie das tun, ist nicht unüblich. Mit welchen Unwägbarkeiten gerade die Berechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses behaftet ist, zeigt ein Blick in die Historie der S21-Planung. 2013 hatte es schon mal eine solche „standardisierte Bewertung“ gegeben. Damals waren drei Ausbauvarianten untersucht worden. Am besten schnitt dabei die Variante ab, die dann Gegenstand der weiteren Planung wurde. 90 Millionen Euro sollte sie kosten, das Nutzen-Kosten-Verhältnis betrug 1,59. Änderungen bei der S32, die der S21 zugerechnet werden, haben nun offenbar zu dem jetzt deutlich gesunkenen Nutzen-Kosten-Verhältnis geführt.

Hinderlich für das Projekt sind allerdings auch die unterschiedlichen Interessen der beiden Länder. In Schleswig-Holstein ist man nach wie vor der Meinung, dass Hamburg die S21 nicht sonderlich wichtig findet – weil Schleswig-Holsteiner davon viel stärker profitieren als Hamburger. Der Kieler Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) sagte unlängst im Landtag, dass das Thema S21 in Hamburg „anders diskutiert“ werde. Man müsse deshalb Druck machen. Und weiter: „Mit der Bewerbung für die Olympischen Spiele in Hamburg und Kiel ist dieser Druck in Hamburg endgültig da.“

In der Hansestadt sieht man das anders. Ole Thorben Buschhüter (SPD), Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Bürgerschaft, sagt: „Am politischen Willen der Hamburger Seite kann es keinen Zweifel geben.“ Für ihn geht es nicht nur um die S21, sondern um die Gesamtstrategie der rot-grünen Koalition. „Wir haben ein Schienenausbauprogramm“, sagt Buschhüter. „Dazu gehören die U-Bahnen, die S4 und die S21. Wenn wir eines dieser Projekte aufgeben würden, würde das unsere Glaubwürdigkeit beeinträchtigen.“ Buschhüter hält das schlechte Nutzen-Kosten-Verhältnis nicht für bedrohlich. Außerdem sei es ja immer noch möglich, auf der Kostenseite etwas zu ändern. „Zum Beispiel könnte man auf den zweigleisigen Ausbau des Streckenabschnitts bei Quickborn verzichten“, sagt Buschhüter. Das Jahr 2017 dürfte in dieser Frage entscheidend werden. Bis dahin soll das Planfeststellungsverfahren für den Streckenausbau fertig sein. Erst dann könnte beim Bund ein Zuschuss beantragt werden – allerdings nur, wenn der Nutzen höher bleibt als die Kosten.