Schleswig-Holsteins neue Kappungsgrenzenverordnung gilt nur in 15 von rund 1100 Kommunen. Große Städte, in denen überhöhte Mieten und ein angespannter Wohnungsmarkt vermutet werden, sind nicht dabei.
Kiel. Die KappVO ist da – die Kappungsgrenzenverordnung, die gern auch als Mietpreisbremse bezeichnet wird. Seit Montag gilt sie in 15 schleswig-holsteinischen Kommunen. Innerhalb von drei Jahren darf dort die Miete nur noch um maximal 15 Prozent steigen – und nicht mehr um 20 Prozent wie in den anderen rund 1080 Kommunen. Doch richtig zufrieden ist mit dieser Minibremse niemand. Die im Verband Haus & Grund organisierten Wohnungseigentümer prüfen eine Klage. Selbst der Mieterverein findet, die KappVO sei „nicht der Brüller“.
Die Liste der Kommunen, in denen die neue Verordnung gilt, wirft in der Tat Fragen auf. Die großen Städte, in denen man gemeinhin überhöhte Mieten und einen angespannten Wohnungsmarkt vermutet, sind nicht dabei. In Lübeck, Kiel, Flensburg und Neumünster darf weiter bis an die 20-Prozent-Marke heran erhöht werden. Die 15-Prozent-Grenze gilt nur in den Gemeinden auf der Insel Sylt, in Wyk auf Föhr, in Nebel auf Amrum, auf Helgoland sowie in einigen Kommunen im Hamburger Umland: Ahrensburg, Ammersbek, Bargteheide, Barsbüttel, Glinde (alle Kreis Stormarn), Wedel (Kreis Pinneberg) und Wentorf (Kreis Herzogtum Lauenburg). „Die Verordnung greift viel zu kurz“, sagt Jochen Kiersch, der Geschäftsführer des Mietervereins Kiel. „Sie müsste auch in Kiel gelten, und sie müsste auch in Norderstedt und in Pinneberg gelten.“ Man könne benachbarte Wohnungsmärkte nicht voneinander trennen. „Und der Wohnungsmarkt in Schenefeld und Norderstedt wird nun einmal von den Verhältnissen auf dem Hamburger Wohnungsmarkt bestimmt“, sagt Kiersch. Die dortigen Verhältnisse sind bekannt. Weil die Mieten immer weiter steigen, hat der Hamburger Senat schon im Juli 2013 eine eigene KappVO in Kraft gesetzt.
Auch der Verband Haus & Grund hält die schleswig-holsteinische Verordnung für Stückwerk. „Das Ganze wird ein Schuss in den Ofen“, sagt Alexander Blazek, der Vorsitzende des Verbands. „In Ahrensburg wird sich zum Beispiel mit der Verordnung nicht viel ändern.“ Denn sie beziehe sich ausschließlich auf Erhöhungen unter Verweis auf Vergleichsmieten. Und die würden in Ahrensburg selten vorgenommen, weil es dort wie auch in den anderen 14 Kommunen keinen Mietspiegel gebe, der einen einfachen Vergleich ermögliche. „In solchen Kommunen steigt die Miete bei einem Mieterwechsel oder nach einer Wohnungsmodernisierung, und solche Erhöhungen sind auch weiterhin möglich“, sagt Alexander Blazek.
Warum will Haus & und Grund gegen eine Verordnung klagen, die der Verband für weitgehend wirkungslos hält? „Das Signal ist falsch, und das wollen wir bekämpfen“, sagt er. „Dem Wohnungsmarkt hilft nur der Bau von neuen Wohnungen.“ Bleibe die KappVO bestehen, bestünde zudem die Gefahr, dass der Geltungsbereich auf andere Kommunen erweitert werde.
Was der Verbandsvorsitzende Blazek befürchtet, erhofft sich der Mietervereins-Geschäftsführer Kiersch. Denn das Innenministerium hat festgestellt, dass auch in neun weiteren Kommunen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum gefährdet ist. Diese Kommunen, zu denen auch Kiel, Flensburg, Norderstedt und Schenefeld gehören, könnten die Verordnung übernehmen – wenn sie es wollen. Aber sie wollen bislang nicht. „Die haben Sorge, dass der Neubau einbricht, wenn die Mietpreisbremse kommt“, sagt Kiersch. Dabei weise nichts darauf hin. „In Kiel werden die Mieten weiter steigen, weil schon in der Vergangenheit zu wenig gebaut wurde.“
Kiersch und Blazek sind sich in einem Punkt einig: Mehr Wohnungsbau muss her. „Die KappVO darf nicht das einzige Instrument sein“, sagt Kiersch. Die Mietpreisbremse werde ohnehin „keine sehr große Wirkung“ entfalten. Dazu sei der Geltungsbereich einfach zu klein. Die Kommunen, die sich gegen die Verordnung gesperrt hätten, und auch die Landesregierung seien „dem Wehgeschrei der Wohnungswirtschaft aufgesessen, die sich massiv gegen die Verordnung ausgesprochen und mit einem Investitionsboykott gedroht hat“, sagt Kiersch. „Allen voran der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen, dem neben vielen Genossenschaften zum Beispiel Großvermieter wie die Deutsche Annington und die Gagfah angehören.“
Die Kappungsgrenzenverordnung hat der ehemalige schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner (SPD) auf den Weg gebracht. Im September erklärte er überraschend seinen Rücktritt. Er wolle mehr Zeit für seine Familie haben, sagt er zur Begründung. Einen neuen Job hatte er da schon. Im Juli 2015 wird er Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen werden – jenes Verbands, dessen „Wehgeschrei“ nach Einschätzung des Mietervereins das Entstehen der schleswig-holsteinischen KappVO maßgeblich beeinflusst hat.
Vielleicht bringt ein Gericht das letzte Werk von Andreas Breitner nun bald zu Fall. Alexander Blazek will in dieser Woche mit dem Bundesverband von Haus & Grund über eine Klage sprechen. Klar ist, dass es ein Verbandsklagerecht nicht gibt. Also müsste ein Haus- oder Wohnungseigentümer gegen die KappVO zu Felde ziehen. „Ich glaube schon, dass wir ein Verbandsmitglied finden, das Klage einreicht, wenn wir ihn von den Anwaltskosten freihalten“, sagt Blazek. Bis zu einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts dürfte es etwa ein Jahr dauern.