Sozialdemokraten fordern bei Konferenz im Kreishaus zügige Einführung der Mietpreisbremse. Unternehmer sind dagegen
Kreis Pinneberg. Das Mietpreisniveau im Hamburger Umland ist wesentlich höher als im Landesdurchschnitt. Im Kreis Pinneberg ist die Stadt Wedel Spitzenreiter: Dort stiegen die Neuvertragsmieten von 2011 und 2012 gegenüber den Bestandsmieten um 35,9 Prozent, in Elmshorn zwischen zehn und 15 Prozent, im übrigen Kreisgebiet um 20 bis 25 Prozent. Das geht aus dem Bericht der Landesregierung zur Versorgung der Bürger mit Wohnraum in Schleswig-Holstein hervor.
Das wollen SPD-Kreisverband und SPD-Kreisfraktion nicht mehr hinnehmen. Auf einer Konferenz am Sonntag im Kreishaus in Elmshorn haben sie eine Resolution verabschiedet, in der sie die zügige Einführung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Mietpreisbremse fordern, um die „unsoziale Kostenentwicklung auf dem angespannten Pinneberger Wohnungsmarkt“ zu beenden. Für die Dauer von fünf Jahren bei Wiedervermietung von Wohnraum soll die Mieterhöhung auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt werden. Werden neue Baugebiete ausgewiesen, sollen 30 Prozent der Wohnbauflächen für den sozialen Wohnungsbau gesichert werden. Ein Schwerpunkt: Die Schaffung von barrierefreiem Wohnraum.
Die SPD-Landtagsabgeordnete Beate Raudies aus Elmshorn hofft, dass sich die angespannte Wohnraumsituation im Kreis so entschärfen lässt. „Der Wohnraum ist seit Jahren extrem knapp. Wie dramatisch die Situation werden kann, hat das jüngste Ereignis in Elmshorn gezeigt“, sagt Raudies. Der Hochhausbrand in der Beethovenstraße, der 171 Menschen in Elmshorn obdachlos gemacht hat, zeige, wie schnell selbst eine Stadt wie Elmshorn an den Rand ihrer Möglichkeiten komme.
Auch Mitarbeiter in Frauenhäusern klagen, dass sie keine Wohnungen für Frauen in Not finden. So sind im Frauenhaus in Pinneberg von 15 Plätzen sieben seit mehr als 15 Monaten belegt. Nicht, weil die Frauen weiterhin den Schutz der Einrichtung suchen, sondern weil sie keine Chance haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Für Asylsuchende gibt es immer weniger Platz. Wenn Wohnraum für die Unterbringung der Asylsuchenden von Kommunen angemietet werden muss, dann zu teils überteuerten Preisen.
Von den 144.000 Haushalten im Kreis sind 20 Prozent dringend auf preiswerten Wohnraum angewiesen. Gleichzeitig steige die Zahl der Räumungsklagen. Das Thema teure Mieten sei längst in der Mittelschicht angekommen. „Auch die Feuerwehren sind betroffen. Die Nachwuchssorgen der Wehren hängen direkt mit den hohen Mietpreisen zusammen“, so Raudies. Weil viele jüngere Menschen in der Region keine bezahlbaren Wohnungen fänden, sind sie dazu gezwungen, woanders zu arbeiten und hinzuziehen. Die Folge: Die Feuerwehren überaltern.
„Es muss gebaut werden und zwar massiv“, sagt sie. Kommunen würden gut daran tun, mit Genossenschaften zu kooperieren, weil diese für bezahlbaren Wohnraum in allen Bevölkerungsgruppen sorgten. Dass einzelne Projekte wie das Semmelhaack-Projekt an der Bleekerstraße in Uetersen am Widerstand einzelner Parteien scheitern, sei in Zeiten akuter Wohnungsnot ein herber Rückschlag für wohnungssuchende Bürger und für die Städte, denen Steuereinnahmen verloren gingen. Auch Schenefelds Bürgermeisterin Christiane Küchenhof berichtet, dass die Ausweisung von Bauland am massiven Widerstand einzelner Eigenheimbesitzer scheiterte, die ihren freien Blick aufs Maisfeld unverbaut sehen wollen.
Christoph Kostka, Geschäftsführer vom Verband norddeutsche Wohnungsunternehmen, sprach sich gegen die Mietpreisbremse aus. Das sei das falsche Signal an Unternehmer. Sie würden dann dreimal überlegen, ob sie in dringend notwendige Neubauprojekte investieren. „Es ist notwendig, das Schwungrad so zu drehen, dass der Bedarf an Wohnungen gedeckt wird“, sagt er. Dann würden sich auch die Mieten regulieren. Er gab zu bedenken, dass Faktoren wie Inflationsrate, teure Grunderwerbssteuer, hohe Modernisierungskosten und hohe Energiekosten das Wohnen teuer machten.
„Gerade die Wohnungsunternehmen in Norddeutschland tragen den sozialen Wohnungbau mit“, sagt Jochen Kiersch vom Deutschen Mieterbund in Schleswig-Holstein. Die privaten Finanzinvestoren seien das „Krebsgeschwür“. Kommunen hätten mit dem Ausverkauf ihrer Immobilien an private Investoren schwerwiegende Fehler begangen. Davon zeugten sogenannte Schrottimmobilien, von denen die Mieten abgeschöpft werden, in die aber kein Geld investiert werde. Kiersch appelliert an die öffentliche Hand, wieder kommunale Wohnungsbaugesellschaften und einen Grundsockel an eigenen Wohnungsbeständen aufzubauen.
Er kritisierte zudem die Entscheidung der Landesregierung, 2009 das Wohnraumförderungsgesetz zu ändern und die Dauer der Belegungsbindung von 80 auf 25 Jahre abzusenken. Daran sei die SPD maßgeblich beteiligt gewesen. Zudem würden die hohen energetischen Anforderungen auch im Altbestand zu höheren Mieten führen, die sich viele nicht leisten könnten und sich nicht durch die eingesparten Energiekosten amortisierten. „Das kann nur durch öffentliche Mittel aufgefangen werden“, sagt Kiersch. Die Mietbremse sei nur ein aktuelles Instrument, um die Notsituation in den Griff zu bekommen. Auf Dauer helfe nur die erhebliche Ankurbelung von sozialem Wohnungsbau. Da sei es allerdings kontraproduktiv, dass die Landesregierung gerade 40 Millionen Euro aus dem Zweckvermögen Wohnungsbau für die Sanierung von Krankenhäusern abgezweigt habe.