Der eine Milliarde Euro teure XFEL-Laser soll mittels Röntgenstrahlen Einblicke in bislang unbekannte Welten ermöglichen. Forschungsbeginn verschiebt sich um ein Jahr.

Schenefeld. Spiegelglatt. Diesem Wort wird in den Tiefen unter dem Schenefelder Forschungsareal derzeit eine neue Bedeutung verliehen. Denn im Tunnelsystem, das bis zum Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Hamburg-Bahrenfeld reicht, haben Wissenschaftler und Spezialisten jetzt mit dem Aufbau einer einmaligen Forschungsanlage begonnen. Der eine Milliarde Euro teure XFEL-Laser soll mittels Röntgenstrahlen Einblicke in bislang unbekannte Welten ermöglichen. Dafür braucht es die besten Spiegel der Welt. Spiegel, die es bislang noch gar nicht gibt. Denn sie müssen härter und vor allem glatter sein, als alle bislang Dagewesenen.

Für den Strahlentransport sind die besten Spiegel der Welt nötig

Der Physiker Harald Sinn und sein 20-köpfiges Team haben die schwere Aufgabe, das möglich zu machen. „Unsere Gruppe ist für die Röntgenoptik verantwortlich. Wir sorgen für den Transport des Strahls“, erklärt Sinn, der vor Kurzem mit seinem Team einen Teil des von den Baufirmen freigegebenen Tunnels in Beschlag genommen hat. Bauingenieure und Wissenschaftler arbeiten seitdem Hand in Hand daran, die Installation der ersten Komponenten voranzutreiben.

Damit die in einer schnellen Abfolge von Hamburg aus abgeschossenen Röntgenblitze genau den gewünschten Weg bis ins Herz der mehr als drei Kilometer entfernten Anlage in Schenefeld finden, sind unter anderem die Spiegel einer neuen Glätte- und Härtegeneration nötig. Um eine Vorstellung von Sinns Mammutaufgabe zu bekommen: Die XFEL-Spiegel müssen laut Sinn um den Faktor zehn glatter sein als die des Hubble-Weltraumteleskops. Und sie müssen spätestens bis zum Jahr 2016 fertig sein. Denn dann soll der erste XFEL-Strahl durch den 3,4 Kilometer langen Tunnel gen Schenefeld geschickt werden. Fast ein Jahr dauert es dann noch, bevor der reguläre Nutzerbetrieb durch Forschergruppen aus aller Welt möglich ist – und damit ein Jahr später als bislang geplant.

Grund für die Verzögerung ist laut Pressesprecher Bernd Ebeling von European XFEL die Produktion der Anlagenmodule, die nicht in der gewünscht hohen Stückzahl und Zeit hergestellt werden können. Warum es nach Fertigstellung der Anlage noch ein Jahr bis zum Normalbetrieb dauert? Sinn sagt: „Wir können die Anlage erst Schritt für Schritt in Betrieb nehmen. Es wird eine ganze Weile dauern bis wir die volle Strahlleistung erreicht haben.“

Seit 2009 wird bereits an dem internationalen Projekt, an dem sich derzeit zwölf Länder beteiligen, intensiv gearbeitet. Von der Forschungsanlage versprechen sich Experten große Fortschritte bei der Entschlüsselung biomolekularer Strukturen und in der Röntgenphysik, aber auch Erkenntnisse zur Entwicklung neuer Medikamente. Während unterirdisch die Bohrmaschinen „Tula“ und „Ameli“ für das nötige Fortkommen sorgten, bereiten oberirdisch Wissenschaftler den Anlagenstart vor. Harald Sinn ist seit 2010 dabei. Zuvor war er für eines der größten Forschungsinstitute der Vereinigten Staaten tätig, das Argonne National Laboratory in Chicago. „Es hat mich gereizt, an etwas mitzuwirken, das es so noch nicht gibt. Das ist einfach ein riesiges Projekt“, schwärmt der 47 Jahre alte Physiker, der zur ersten Generation der Mitarbeiter der heute 200-köpfigen Crew der European XFEL GmbH gehört.

Leuchtstärke wird milliardenfach höher als Röntgenstrahlen herkömmlicher Art

Die XFEL-Forschungsanlage soll dank der ultrakurzen Laserlichtblitze im Röntgenbereich eine Leuchtstärke erreichen, die milliardenfach höher ist als die der besten Röntgenstrahlungsquellen herkömmlicher Art. Seit vier Jahren brütet Sinn mit seinem wachsenden Team über der Aufgabe, diesen Strahl, der auch eine große Hitze entwickelt, punktgenau in die Schenefelder Experimentierhalle zu leiten. Immer wieder mussten Pläne umgeworfen oder neuen Erkenntnissen angepasst werden. Dabei arbeiten die Wissenschaftler eng mit der Industrie zusammen. So geht es unter anderem um die Entwicklung von neuen Politurverfahren. Letztlich müssen die XFEL-Spiegel, die einen Wert von etwa 200.000 Euro pro Stück haben, von einer neuen Geradlinigkeit sein, enormer Hitze standhalten und dabei komplett staubfrei bleiben. Damit auch kein Staubpartikelchen die Forschung stört, werden die insgesamt neun Tunnel-Spiegel in Vakuumkammern aufgestellt. „Das erzeugte Vakuum wird besser sein, als das in vielen Teilen des Weltalls“, erklärt Physiker Sinn.

Neun solcher Spiegelkammern wird es auf der XFEL-Tunnelstrecke geben. Insgesamt sind es 30 Vakuumkammern, in denen auch Blenden und Spalter untergebracht sind. Die jetzt erstmals im XFEL-Tunnel eingetroffenen Wissenschaftler bereiten derzeit den Boden für diese Kammern. Um zur jeweiligen „Baustelle“ in dem weitläufigen Tunnelsystem zu gelangen setzten die Wissenschaftler dabei aber auf ein ganz einfaches Verfahren: das Fahrrad.