Nach dem Stopp des Weiterbaus an der Autobahn 20 bei Bad Segeberg rechnet Minister Reinhard Meyer frühestens für 2016 mit einem Weiterbau. Tierzählung kostet Schleswig-Holstein Hunderttausende Euro.

Kiel. Nach dem A-20-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rechnet Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) nicht vor 2016 mit einem Weiterbau der Autobahn bei Bad Segeberg. „Wir haben ein sehr ausgewogenes Urteil mit klaren Wegweisern zu einem Weiterbau der A20 erhalten“, sagte Meyer am Freitag in Kiel. Neben den „vom Gericht aufgezeigten heilbaren Fehlern“ werde die Planung des Abschnitts Weede–Wittenborn als Ganzes nicht infrage gestellt.

„Es hätte schlimmer kommen können“, sagte Ministeriumssprecher Harald Haase dem Abendblatt. „Und jetzt müssen wir unsere Hausaufgaben abarbeiten.“

Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Bau des zehn Kilometer langen Abschnitts Weede–Wittenborn im Bereich Bad Segeberg im November 2013 vorerst gestoppt. Die Richter monierten, der Schutz der rund 20.000 Fledermäuse, die jedes Jahr in den Kalkhöhlen in Bad Segeberg überwintern, sei nicht hinreichend beachtet worden. Auch bei der Haselmaus hatten die Planer laut Bundesverwaltungsgericht nicht sauber gearbeitet. Der Bestand sei in einem zu engen Korridor erfasst worden. Und die Umsiedlungsmaßnahmen seien zu weit von der ehemaligen Heimat der Mäuse entfernt.

Außerdem bemängelten die Leipziger Richter in ihrer 74-seitigen Urteilsbegründung, dass die alternativen Trassen zu der favorisierten nahen Südumgehung Segebergs nicht geprüft worden sind. Sie kommen zu dem Schluss, dass eine weiträumige Umfahrung der Stadt Bad Segeberg aber zumindest geprüft werden muss.

In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: „Die festgestellten Mängel sind nicht von solcher Art, dass sie die Planung von vornherein als Ganzes infrage stellen.“ Vielmehr bestehe die konkrete Möglichkeit, „dass die erforderlichen zusätzlichen Ermittlungen und Bewertungen in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden“.

Minister Meyer favorisiert weiter die nahe Südumgehung Bad Segebergs, deren Linienführung sich nach den geforderten Nachbesserungen leicht verändern kann. „Wir wissen nicht, ob wir exakt da in Wittenborn ankommen, wo wir wollten, aber wir sprechen da nur über plus/minus zwei Kilometer“, so Haase. „Und der Anschluss an die A7 klappt auch.“

Im Falle der weiter südlichen Streckenführung ist laut Minister Meyer zu befürchten, dass beispielsweise Autofahrer auf dem Weg nach Kiel nachts stattdessen durch die Stadt Segeberg fahren. Zudem eröffne ein neuer Trassenverlauf weitere Klagemöglichkeiten gegen den Planfeststellungsbeschluss.

Das Ministerium geht davon aus, dass die Gerichtsentscheidung auch Auswirkungen auf die fünf noch offenen Planabschnitte der A20 von Weede bis zur geplanten Elbquerung haben wird. Der ursprüngliche Zeitplan sei deshalb nicht mehr zu halten. „Statt Ende dieses Jahres werden wir hier teilweise erst mit einem Verzug von mindestens einem Jahr die Planfeststellungen abschließen können“, sagte Meyer.

Mit Blick auf die Urteilsauswertung für den Abschnitt Weede–Wittenborn, für den im März 2012 der Planfeststellungsbeschluss erlassen worden war, sagte Meyer weiter: „Das Bundesverwaltungsgericht hat uns klar bestätigt, dass das Linienbestimmungsverfahren sowie die Abgrenzung der Flora-Fauna-Habitat-Gebiete Segeberger Kalkberghöhlen und Travetal und des Vogelschutzgebietes Barker und Wittenborner Heide korrekt verlaufen sind.“ Auch die Verträglichkeitsprüfung des Gebiets Travetal weise keine Fehler auf. Nun gelte für die weiteren Planungen, für die Meyer zwei Jahre kalkuliert, „die Maxime Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Ziel sei eine umweltverträgliche Lösung für die A20, sagte Meyer.

Fledermaus-Experten beschäftigten sich bereits damit, die vom Gericht geforderten Daten zu beschaffen. Das notwendige Monitoring koste das Land mehrere Hunderttausend Euro. Zudem müssen die Haselmäuse und einige Amphibien stärker berücksichtigt werden. Es müssten Grundlagen geschaffen werden, die auch die Akzeptanz der Naturschutzexperten finden, so Meyer. „Darum werden wir neben der Beteiligung des Bundesamtes für Naturschutz auch weiterhin das Gespräch mit den klagenden Naturschutzverbänden suchen.“

Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des Nabu Schleswig-Holstein freut sich, dass sich das Ministerium jetzt zum Naturschutz bekennt. „Wir haben bereits Terminvorschläge für gemeinsame Gespräche erhalten“, sagte er dem Abendblatt.

Aber auch ein schriftliches Urteil sei bekanntlich interpretationsfähig. Jetzt gehe es darum, wie die Naturschützer und wie das Ministerium das Urteil interpretieren. „Wir werden gemeinsam über den Trassenverlauf sprechen und natürlich die Frage klären, wie es mit den Fledermäusen weitergeht. Im Detail werden wir sicherlich noch über die eine oder andere Frage streiten müssen.“