Nach einem Jahr endet nun die Transfergesellschaft für die ehemaligen P+S-Arbeiter in Stralsund und Wolgast. Knapp 1000 suchen jetzt einen neuen Job. Selbst Manager hat es erwischt.
Stralsund. Er ist dort, wo er nie sein wollte: Mit gesenktem Kopf und schnellen Schritten verlässt ein Top-Manager der P+S-Werften die Räume der Transfergesellschaft. Die Begegnung auf dem Treppenabsatz ist ihm unangenehm. Ja, er werde zum 1. November ebenfalls arbeitslos, sagt der 55-Jährige peinlich berührt. Über Jahre hatte er Schritt für Schritt die Karriereleiter in der Stralsunder Volkswerft erklommen. Der Job schien sicher. Aus seinem Beruf als Schiffbauer sei er zu lange raus, deshalb strebe er eine andere Arbeit im Managementbereich an – vermutlich außerhalb der Region. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. „Das wäre nicht gut bei der Suche nach einer neuen Arbeit.“
Die Stimmung ist gedrückt in den letzten Stunden vor dem Ende der von Gewerkschaft und Betriebsrat hart errungenen Transfergesellschaft, die am 31. Oktober endete. Nur wenigen von den 1724 ehemaligen P+S-Mitarbeitern, die in den vergangenen zwölf Monaten hier qualifiziert wurden, ist haben bislang einen zukunftsfesten neuen Job gefunden. Bei den Arbeitsagenturen in Stralsund und Greifswald/Wolgast haben sich etwa 1000 Schiffbauer zum 1. November arbeitslos gemeldet, rund 700 in Stralsund und knapp 300 in Wolgast.
Der Stralsunder Ingenieur Burghard Otto (57) und die Meisterin Yvon Hentschel (50) gehören zu jenen, die von Freitag an Arbeitslosengeld 1 beziehen. Rund 40 Bewerbungen hat Otto in den vergangenen Monaten geschrieben. Nur einmal – im Frühjahr – sei er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden, habe ein befristetes Arbeitsangebot erhalten. Er hatte abgelehnt. „Aus heutiger Sicht wahrscheinlich ein Fehler“, sagt er. „Zu Beginn der Transfergesellschaft waren wir alle sehr leichtgläubig.“
Betriebsrat und auch die Insolvenzverwaltung hätten Hoffnungen geschürt, dass es weitergehen würde. Als im Januar dann die Arbeiten an den DFDS-Fähren fortgeführt wurden, habe er angenommen, dass „die Lichter in Stralsund nicht ausgehen werden“. Noch immer gibt es keinen Investor für die Werft in Stralsund.
„Das dumme Gerede vom Fachkräftemangel“
Die Qualifizierungen in der Transfergesellschaft hätten ihm geholfen, sagt Otto. Er habe einen Lehrgang für SAP-Software und einen für Konstruktionssoftware besucht. Doch es sei sehr schwer, eine Arbeit in einem Industrieberuf zu finden – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Bis nach Hamburg und Schleswig-Holstein habe er Bewerbungen verschickt. „Das dumme Gerede vom Fachkräftemangel kann man vergessen.“ Die Unternehmen hätten eine Riesenauswahl an Bewerbern. „Jüngere machen dann das Rennen.“ Knapp die Hälfte der ehemaligen P+S-Mitarbeiter sind älter als 50 Jahre.
Auch die Arbeitsagentur Stralsund zweifelt in einer Studie die von Industrieverbänden genannten Zahlen zum Fachkräftebedarf zumindest für Vorpommern an und hält die Diskussion gerade in Bezug auf Neuansiedlungen für kontraproduktiv. Aus der Arbeitsagentur Stralsund pendeln eigenen Erhebungen zufolge knapp 17.000 Beschäftigte in andere Regionen.
Rund 30 Bewerbungen - nur Absagen
Für ein Leben ohne Arbeit bis zur Rente fühlt sich Otto zu jung, eine Arbeit als Sozialarbeiter könne er sich vorstellen. Doch der Arbeitsvermittler in der Arbeitsagentur habe ihm deutlich gemacht, dass ihm dafür die nötigen Qualifikationen fehlten. Beim letzten Besuch habe er ein Angebot als Altenpfleger erhalten – eine Arbeit, die er sich bislang nicht vorstellen kann. Anderthalb Jahre bezieht Otto jetzt Arbeitslosengeld 1, das sind immerhin 67 Prozent des letzten Nettogehaltes und damit noch immer mehr, als in der Pflege- oder Tourismusbranche in Vorpommern verdient wird.
Yvon Hentschel, einst Chefin von 22 Schweißern, wird zunächst eine Weiterbildung als Fachkraft für Kraftwerkstechnik beginnen. Auf die rund 30 Bewerbungen, die sie seit vergangenem Jahr verschickt habe, kamen bislang nur „Absagen, Absagen, Absagen“.