Lebensmittelskandal: Nach Pferdefleisch und Mogel-Eiern setzen nun krebserregende Futtermittel Verbrauchern und Bauern zu.

Hannover . Körnermais wird aktuell gehandelt für 258,30 Euro die Tonne. Mehr als acht Millionen Tonnen Tierfutter haben die niedersächsischen Landwirte im vergangenen Jahr verbraucht. Es geht also um ein Milliardengeschäft, und der wichtigste Umschlagplatz dafür ist der Hafen von Brake. Von hier aus ist auch der serbische Mais, der mit dem hochgiftigen Schimmelpilz Aflatoxin B1 belastet ist, in die Futtertröge gelangt von Schweinen, Geflügel und eben Milchkühen - im Agrarland Nummer eins der Bundesrepublik.

Niedersachsens Bauern versorgen, rein rechnerisch betrachtet, nicht nur die knapp acht Millionen Einwohner im eigenen Bundesland mit Nahrungsmitteln, sondern ernähren darüber hinaus weitere sechs Millionen Menschen. So hat es das Landvolk Niedersachsen vor wenigen Wochen stolz vorgerechnet. Was also hier produziert wird, landet ganz regelmäßig vor allem in den Milchregalen und Fleischtheken der Metropolen wie Hamburg oder Berlin. Und um diese Nachfrage zu bedienen, kommen die Landwirte schon lange nicht mehr mit dem Futter aus, das die eigenen Äcker hergeben - allein acht Millionen Schweine werden in Niedersachsen gehalten.

Verstärkt wird dieser Trend zum Zukauf im Ausland noch einmal massiv durch den Boom der Biogasanlagen, die ebenfalls mit Mais gefüttert werden. Die Preise für Futtermittel haben in den vergangenen zwölf Monaten um teilweise 20 Prozent zugenommen, die Schweinepreise der Bauern dagegen sinken tendenziell.

Die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft legt angesichts des neuen Lebensmittelskandals den Finger in die Wunde. "Es muss rasch und konsequent geprüft werden, ob der Mais mit Wissen von Händlern oder Futtermittelherstellern in Verkehr gebracht worden ist", fordert der Vorsitzende, Martin Schulz. Noch etwas ist ihm ein Dorn im Auge: "Die verschlungenen und undurchschaubaren agrarindustriellen Wege von Billigstlebensmitteln und auch Billigstfutter."

Tatsächlich müssen sich jetzt die zuständigen Behörden, das Landwirtschaftsministerium und das Landesamt für Verbraucherschutz (Laves) in Oldenburg, ganz ähnlich wie beim Skandal um Pferdefleisch im Rindfleisch mühsam durch ein Dickicht an Unterlagen der vielen beteiligten Handelspartner kämpfen. Die Herausforderung ist auch deshalb so groß, weil wie beim Pferdefleisch ein Wirrwarr besteht aus internationalen Verflechtungen mit Subunternehmern und komplizierten Lieferketten.

Vorbeugende Kontrollen gibt es dabei nur selten: Das Landesamt beschäftigt zwölf Kontrolleure für Futtermittel, allein die importierte Menge von rund vier Millionen Tonnen für niedersächsische Bauern aber füllt umgerechnet 200.000 Lastwagen zu 20 Tonnen. Andererseits gilt Mais aus Serbien wegen der klimatischen Bedingungen in diesem Land als besonders anfällig für eine gefährliche Schimmelpilzbildung.

Immerhin: In diesem konkreten Fall des Schimmelpilzes reklamiert das Landvolk für sich, das "Schadstoffmonitoring" der Milchwirtschaft in Niedersachsen habe funktioniert: "Die Futtermittelbelastung mit dem Schimmelgift ist im Kontrollsystem aufgefallen und das Kraftfutter als Verursacher der Grenzwertüberschreitung festgestellt worden." Die Milch des betroffenen Betriebs sei nicht in den Handel gelangt. Weitere fast 1000 Milchbetriebe werden beprobt. Bis die Ergebnisse vorliegen, bleibt die Milch auf den Höfen.

Offen ist vorläufig, warum der Mais mit dem gefährlichen Schimmelpilz erst bei nachgelagerten Kontrollen der Milchwirtschaft und nicht bei den von den Behörden selbst hoch gelobten frühen Kontrollen gefunden worden ist. Die wurden zuletzt verschärft nach dem Dioxinskandal Anfang 2011, als Industriefette in der Tiernahrung gelandet waren. Zitat aus dem Internetauftritt des Landesamts für Verbraucherschutz: "Die Überwachung erstreckt sich über alle Ebenen der Futtermittelherstellung und des Handels bis hin zu den landwirtschaftlichen Betrieben."

Der evangelische Landesbischof von Hannover, Ralf Meister, hat mit Blick auf den Pferdefleisch-Skandal gemahnt: "Für den gnadenlosen Wettbewerb um die billigsten Produkte tragen wir als Konsumenten die Mitverantwortung." Genauso aber kann man jetzt auch argumentieren angesichts des aus Serbien importierten vergifteten Maises. Bischof Meister stellt nämlich fest, die kriminelle Energie, die hinter solchen Skandalen stecke, sei empörend und könne nicht hingenommen werden. Allerdings könne der tägliche Bedarf in Deutschland nicht allein aus der regionalen Landwirtschaft und durch Bioprodukte gedeckt werden. Diese Problemstellung wiederum gilt besonders für Niedersachsen, dessen Agrarwirtschaft in weiten Teilen industrielle Züge trägt und auf Expansion ausgerichtet ist.