Noch sei die Ostsee vergleichsweise warm, doch das könne sich schnell ändern. Nach Eiswintern der letzten Jahre sind Behörden sensibilisiert
Stralsund/Rostock. Prognosen über den nächsten Kälteeinbruch an der Ostsee will Jürgen Holfort vom Eisdienst des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) trotz seiner jahrelangen Berufserfahrungen nicht wagen. Noch sei die Ostsee mit Temperaturen von neun Grad vor der deutschen Küste vergleichsweise warm, doch das könne sich bei einer polaren Luftströmung sehr schnell ändern, sagt Holfort. Nach den heftigen Eiswintern der vergangenen Jahre sind die Behörden sensibilisiert.
Während das Bundesamt mit der Schulung seiner rund 80 Eisbeobachter für die Ost- und Nordsee begonnen hat, macht die Flotte des für die Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamtes in Stralsund die 805 Kilometer langen Bundeswasserstraßen mit ihren rund 1200 Seezeichen fit für den Winter. Anfang der Woche rückte der Tonnenleger „Ranzow“ aus, um vor der Ostansteuerung zum Stralsunder Hafen und der Ostküste Rügens die ersten Toppzeichen der Tonnen zu sichern.
„Wir haben am Montag zwölf Zeichen an der Ostansteuerung von Stralsund und im Landtief eingezogen“, berichtete Kapitän Dirk Löber. Die 33 Meter lange, eisgängige „Ranzow“, die sich im vergangenen Jahr mit einem Motorschaden als anfällig erwies, läuft in diesem Jahr wie geschmiert. „Bislang gibt’s nichts zu meckern“, resümiert der Schiffsführer.
Auch das Schwesterschiff, die „Görmitz“, ist seit Montag im Einsatz. Die Crew um Kapitän Horst Behrens zog bereits Mess- und Kabeltonnen in den Seegewässern um Usedom ein und legte die ersten Eistonnen aus. Die „Görmitz“ ist erst kurz zuvor von der Inspektion aus der Lindenau-Werft in Kiel zurückgekehrt.
Für die Schiffsbesatzungen dieser und der drei Seezeichenmotorschiffe „Rosenort“, „Oie“ und „Stralsund“ bedeuten die nächsten Wochen Dauereinsatz. „Auf 350 Tonnen werden bis Anfang Dezember die Toppzeichen entfernt, um sie vor witterungsbedingten Beschädigungen zu schützen“, erklärt der neue Leiter des Bauhofes, Manfred Cygan. Die jeweils vier Meter langen grünen, roten, schwarzen und gelben Zeichen, die als Tonnenaufsätze der Schifffahrt Fahrrinnen und mögliche Hindernisse anzeigen, werden im Winter in der Werkstatt des Tonnenhofes mit einem neuen Anstrich versehen.
Ist das erste Eis zu erwarten, montieren die Besatzungen der Tonnenleger „Ranzow“ und „Görmitz“ die teuren Solarkompaktköpfe auf rund 130 Tonnen ab. Nahezu 60 Tonnen werden komplett eingezogen und 36 weitere Tonnen durch spezielle Eistonnen ersetzt.
Im vergangenen Winter mussten Schiffe im Konvoi vom Multifunktionsschiff „Arkona“, dem 6000 PS starken Kraftprotz, aus dem Greifswalder Bodden geführt werden, weil Eisbarrieren den Weg versperrten und sich Frachter festgefahren hatten. Das Boddengewässer zwischen Rügen und Usedom ist die Lebensader für die Häfen von Stralsund, Greifswald, Vierow, Lubmin und Wolgast. Friert der Bodden zu, können die Häfen nicht arbeiten. Auch bei Eis müsse die Schifffahrt möglichst lange gewährleistet werden, andererseits müssen die Kosten dafür vertretbar bleiben. „Letzendlich wird es in Extremsituationen nur einen Sieger geben – und das ist die Natur“, weiß Cygan.
Der 53-Jährige kam vergangenes Jahr von Cuxhaven an die Ostseeküste und ist auf dem Bauhof des Stralsunder Wasser- und Schifffahrtsamtes Chef von 118 Mitarbeitern. Zuvor war er bei der Schifffahrtsbehörde in Rendsburg für den Fähr- und Tunnelbetrieb und damit auch für den Verkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal zuständig. Die Überraschungen, die Frosttemperaturen für den Schiffsverkehr bergen, sind ihm daher nicht fremd. Trotzdem setzt er auf die Erfahrungen der Stralsunder Crew. „Die Ostsee und flachen Boddengewässer sind ein ganz anderes Revier. Es wäre töricht zu sagen, dass ich es bereits bis ins Detail kenne.“