“Eishochwasser ist unberechenbar“. Fährverkehr seit Tagen eingestellt. Deichschützer beobachten die Dämme an der Elbe.
Artlenburg. Deichgeschworene und Mitarbeiter des Artlenburger Deichverbandes haben Posten bezogen. Sie lassen die Elbe Tag und Nacht nicht aus den Augen. Überall an den Deichen in den Kreisen Lüneburg und Harburg beobachten sie den Fluss. Die gute Nachricht verkündet Verbandsgeschäftsführer Norbert Thiemann: "Es ist zwar tüchtig Eis auf dem Wasser, doch die Schollen treiben." Das ist gut, denn so sind die Deiche für den Augenblick sicher, weil sich weder Wasser staut, das über die Dämme schwappen könnte, noch die Gefahr droht, dass messerscharfe Eisschollen sie wie Rasierklingen aufschlitzen. Doch Thiemann warnt: "Eishochwasser ist unberechenbar."
Auch deshalb ist der Fährverkehr zum Erliegen gekommen. Weder die "Amt Neuhaus" in Bleckede, noch die "Tanja" in Neu Darchau können seit Tagen wegen des gefährlichen Eisgangs übersetzen. Unterdessen kündigt die rot-grüne Mehrheitsgruppe im Lüneburger Kreistag an, die Fährverbindungen für die Zukunft zu optimieren, während die CDU-Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Elbe, Karin Bertholdes-Sandrock, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bittet, beim Bau der Brücke zu helfen, um die Deutsche Einheit an der Elbe zu vollenden. "Die Finanzierung steht, es gibt Streit über die Folgekosten", schreibt sie in einem Brief. Thiemanns Interesse gilt zurzeit jedoch den Deichen. Gestern Morgen stockte der Eisabfluss kurzzeitig. "Es gab eine Eisbarriere an der Süderelbe bei der Bunthäuser Spitze im Kreis Harburg an der Landesgrenze zu Hamburg, weil die Norderelbe kurz dicht war", berichtet er. Doch nach Ablauf der Flut sei es im Norden wieder vorangegangen, sodass die Eisbrecher des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg an der Süderelbe den Eispanzer knacken konnten. "Seitdem läuft alles wieder reibungslos. Die Gefahr ist erst einmal vorüber." Gewarnt sind Deichschützer dennoch. "Nach bis zu minus 20 Grad in den vergangenen Nächten haben die Eisschollen stetig zugenommen. Die Elbe führt jetzt bis zu 90 Prozent Eis."
Bei aller Vorsicht stimmen ihn Wetterbericht und Pegelprognosen für den Oberlauf der Elbe optimistisch. "Der Wasserstand fällt. Und der Frost soll sich abschwächen", sagt er. Schon bei einer Temperatur um den Gefrierpunkt löse sich das Eis rasant auf. Von Vorteil sei auch, dass der vor Beginn der Frostperiode höhere Wasserstand der Elbe inzwischen wieder unter dem eines mittleren Hochwasser liegt.
Im März 2003 wurde es bislang zum letzten Mal wegen Eishochwassers kritisch im Gebiet des Artlenburger Deichverbandes. Das Winterhochwasser soll laut Experten sogar gefährlicher gewesen sein als die erste Jahrhundertflut im Sommer 2002. "Nach dem Winterhochwasser haben wir reagiert und in Radegast ein Betonsteinpflaster auf der Deichböschung verlegt", sagt Thiemann. Zuvor hatten Eisschollen die Deckschicht aufgeschlitzt und abgetragen. Gleiches drohte in Hohnstorf-Sassendorf. "Erst im vorigen Herbst sind wir dort fertig geworden, auf einer Länge von 1,2 Kilometern 14 000 Kubikmeter Betonsteinpflaster zu verlegen. Hohe Wasserstände hatten die Arbeiten wiederholt verhindert." Die Maßnahme kostete 1,4 Millionen Euro.
Geld spielt auch eine Rolle bei dem Antrag, den die rot-grüne Mehrheitsgruppe bei der nächsten Kreistagssitzung am 5. März einbringen will. Der Fährverkehr an der Elbe soll optimiert werden. Vor allem im Interesse der Bürger im Amt Neuhaus solle der Betrieb der Elbfähren in Bleckede und Neu Darchau auf Verbesserungsmöglichkeiten überprüft werden. "Dabei kann die Gründung einer gemeinsamen Fährgesellschaft eine Erfolg versprechende Maßnahme sein", sagen die Gruppensprecher Franz-Josef Kamp (SPD) und Bernhard Stilke (Grüne). Die "Amt Neuhaus" in Bleckede betreibt der Kreis Lüneburg, die "Tanja" in Neu Darchau die Gemeinde.
Unabhängig von dem Ergebnis der Bürgerbefragung am 20. Januar 2013 über den Brückenbau bei Neu Darchau, werde es vor 2018 keine feste Elbquerung geben. "Mögliche Klagen und andere Planungsverzögerungen sind nicht einmal berücksichtigt. Es ist daher geboten, den Fährbetrieb zu optimieren, durch längere Fährzeiten, kürzere Fahrzeiten, schnellere Taktung, günstigere Tarife für Pendler und einheitliche Fahrkarten", so Kamp und Stilke.
Für die Brücke kämpf die Landtagsabgeordnete Bertholdes-Sandrock. "Die Menschen warten seit 15 Jahren. Nun will Rot-Grün auf Landkreisebene das Projekt kaputtmachen. Zusammen mit der Landtagswahl soll eine Bürgerbefragung dieses Projekt niederstimmen", schreibt sie an Bundeskanzlerin Merkel, die für einen Deckel bei den Folgekosten sorgen solle, so Bertholdes-Sandrock.