Bald wird der Verkehr über die ersten Kilometer der B96n rollen, doch die Schnellstraße sorgt weiter für Ärger. Vor allem in Sachen Kosten.

Rambin. Von den Schönheiten der Insel Rügen bekommt Ingenieur Günter Becker derzeit nur wenig mit. Statt frischer Ostseeluft lässt sich der 64-jährige Magdeburger den Baustaub an der neuen B96n um die Nase wehen. „Erst zweimal war ich in diesem Jahr in der Ostsee baden“, berichtet der Magdeburger Bauüberwacher des Ingenieurbüros Grassl. Die Arbeit auf der Baustelle lasse ihm derzeit wenig Zeit für touristische Annehmlichkeiten.

Als breites hellbraunes Band zieht sich die derzeit größte Straßenbaustelle Mecklenburg-Vorpommerns über den Süden der Insel Rügen. Großtransporter wirbeln entlang der parallel verlaufenden alten Bundesstraße Staub und Sand auf. Fräsen und Walzen verfestigen den Straßenunterbau, auf den ab September der Asphalt aufgebracht wird – Baustellenballett auf der Urlauberinsel Rügen.

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Voraussichtlich im November und damit nach rund siebzehn Monaten Bauzeit soll das erste Stück der neuen, dreispurigen Schnellstraße für den Verkehr freigegeben werden, berichtet Deges-Projektleiter Joachim Rascher. Unmittelbar nach der Rügenbrücke müssen sich dann Autofahrer nicht mehr über einen unübersichtlichen Verkehrsknoten arbeiten, der viele Touristen nach der Fertigstellung der neuen Rügenbrücke im Jahr 2007 auf die falschen Straßen geführt hatte. „Der Verkehrsknoten wird nach der Freigabe umgebaut.“

Rascher zeigt sich optimistisch. Verteilt über die gesamte Strecke bis Rambin arbeiten vier Baukonzerne und deren Subunternehmen an Straße, Brücken und Trögen. „Die gesamte Strecke ist rechtskräftig planfestgestellt“, sagt er. Das Bauprojekt das von Umweltverbänden bis 2011 noch heftigst attackiert worden war, ist damit unumkehrbar - auch wenn der Bau länger dauert und teurer wird als noch 2011 beim Baustart bekannt. Im Juni machte Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) vor dem Landtag seinem Ärger über die „exorbitante“ Kostensteigerungen Luft, die nun zu deutlichen Bauverzögerungen führen.

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Nach der langen, siebenjährigen Planfeststellungsphase droht nun eine deutliche Verlängerung des Straßenbaus. Wegen der Kostenverdoppelung von ursprünglich 38,5 auf 80,3 Millionen Euro allein für den ersten Abschnitt bis Samtens sowie der extremen Witterung im letzten Winter verzögert sich dessen Fertigstellung nach Angaben des Verkehrsministeriums um mehr als ein Jahr auf 2015. Die ursprünglich für den nördlichen Teil geplanten Mittel in Höhe von 43,2 Millionen Euro fließen zunächst in den ersten Abschnitt, sagte Ministeriumssprecher Steffen Wehner.

Für den zweiten Abschnitt der insgesamt 20,4 Kilometer langen Straße bis Bergen stehen derzeit nach Angaben des Ministeriums noch keine abrufbaren Gelder bereit. Der zweite Abschnitt sei weiter im Investitionsrahmenplan des Bundes verankert. Wann die Finanzierung dafür steht und der Bau begonnen werden kann, ist derzeit allerdings völlig offen.

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An der Baustelle kämpfen die Ingenieure und Techniker mit den Unwägbarkeiten des Baugrundes. Bei gleißender Sonne treiben drei Arbeiter an der künftigen Bahnunterquerung südlich von Rambin von einem Schwimmponton aus Bohrer und danach zehn Meter lange Stahlpfähle in die Tiefe. „Die Bodenverhältnisse sind hier sehr kompliziert“, sagt Thorsten Balder, Leitender Ingenieur bei der Baufirma Bunte. „Wir werden in den kommenden fünf Wochen 248 Stahlpfähle als Halteanker in den Untergrund bringen.“

Die Unterquerung, Ersatzbau für die ursprünglich geplante Brücke, hat den Bau nach Deges-Angaben allein um 15 Millionen Euro verteuert. Der war ein Zugeständnis an den Naturschutz. Gänse werden nun weitestgehend ungestört vom Verkehr, so wird es jedenfalls prognostiziert, auch künftig ihre angestammten Rastplätze anfliegen können.

(dpa)