Der Streit umd den Bau der Bundesstraße geht weiter. Ein Baubeschluss für das 80 Millionen-Euro-Projekt liegt vor, doch Umweltschützer klagen.
Rügen. Für Autofahrer wird die Reise nach Rügen in der Hauptreisezeit wohl ein Geduldsspiel. Seit 2007 führt zwar eine neue gute ausgebaute Brücke vom Festland auf die größte deutsche Insel, doch nach der Brückenabfahrt landen Touristen in einem irritierenden Straßenkreuz und dann oftmals direkt im Stau.
Eigentlich sollte schon zusammen mit der Fertigstellung der Brücke auch eine neue dreispurige Straße direkt nach Bergen führen, einen der Hauptorte der Insel. Doch der Streit um den Bau des 80-Millionen-Euro-Projektes auf der staugeplagten Ostseeinsel Rügen wird zu einer nicht enden wollenden Hängepartie – obwohl seit Sommer 2010 ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss vorliegt.
Nachdem der BUND Klage gegen die Baugenehmigung eingereicht hat, verhandeln Umweltverband und Landesverkehrsministerium nun hinter den Kulissen über einen Kompromiss für den Neubau – bisher sind sie aber noch zu keiner Lösung gekommen. Der BUND, der den dreispurigen Neubau neben der bestehenden Straße für überflüssig hält und für einen umweltverträglichen Ausbau der bestehenden Trasse plädiert, würde bei einer tragfähigen Lösung seine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der mehr als 20 Kilometer langen Trasse vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückziehen, kündigte BUND-Landeschefin Corinna Cwielag am Mittwoch an.
Zum Inhalt der offenbar äußerst sensiblen Gespräche äußern sich weder Umweltverband noch Ministerium. Verkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) macht kurzsilbig deutlich: „Wir wollen so schnell wie möglich bauen.“ Eine Gerichtsentscheidung in Leipzig könnte das Vorhaben um Jahre verzögern – und das Wissen darum stärkt die Position des Umweltverbandes bei den Verhandlungen.
Minister Schlotmann befindet sich in einer äußerst unbequemen Situation. Denn Wirtschaft und Tourismusbranche machen inzwischen Druck. „Wir wollen vom Verkehrsministerium wissen, was gehauen und gestochen ist“, sagte der Präsident des Rügener Wirtschaftsvereins, Klaus Schütt. „Wir verlieren Urlauber.“
Die Staus zu Neujahr hätten zu einem irrsinnigen Frust bei den Touristen geführt, sagt Schütt. Die Tourismusbranche, in der mehrere tausend Rüganer arbeiten, verschiedene Wirtschaftsverbände und Unternehmen haben inzwischen ihren Ärger auch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht deutlich gemacht, von dem sie eine „sachgerechte und zügige Entscheidung“ erwarten. „Die Wirtschaft und die Inselbevölkerung dürfen nicht zum Spielball einer vor allem sich selbst darstellenden Minderheit von angeblichen Naturbewahrern und Tourismusexperten werden“, heißt es in dem Schreiben.
Die Befürworter des Straßenprojektes befürchten, dass ein Vergleich mit dem Umweltverband dazu führt, dass der Planfeststellungsbeschluss noch einmal neu gefasst werden muss oder die Trassenführung verändert wird. „Wir haben nach einem jahrelangen Anhörungsverfahren und zig Überarbeitungen ein Ergebnis, das nun von jenen infrage gestellt wird, die sich an den Anhörungen beteiligt haben“, schüttelt Schütt den Kopf. Dass die B 96 n deshalb zum „Stuttgart 21“ des Nordens wird, glaubt er allerdings nicht. „Stuttgart 21 ist eine Massenbewegung, die haben wir hier nicht.“
Minister Schlotmann betont: „Grund für den Zeitverzug sind nicht die Gespräche mit den Umweltverbänden, sondern die fehlende Mittelfreigabe vom Bund.“ Der Bund soll das 80 Millionen Euro teure und in zwei Teilabschnitten gegliederte Vorhaben finanzieren und verweist auf die vorliegende Klage. „Sobald das Baurecht vorliegt, wird geprüft, welcher Teilabschnitt begonnen und auch finanziert wird“, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Der BUND geht davon aus, dass seine Variante nicht nur umweltverträglicher, sondern auch deutlich kostengünstiger wird. Für den Bau von Ortsumgehungen und die Erweiterung der bestehenden Straße veranschlagt der Verband 40 Millionen Euro.